Ein Festival als Schulausflug: Für viele wohl ein passender Vergleich, den Philipp Szalay am Donnerstagnachmittag beim diesjährigen Frequency in St. Pölten anstellte. “Es hat schon eine andere Energie.” Mit seiner Band Farewell Dear Ghost lieferte der Grazer auf der Green Stage eine packende Show.
Ein ruhiger Nachmittag am Frequency
Ein Festivalstart unter der Woche ohne Feiertag erwies sich als etwas schwierig, denn vor den Bühnen ließen sich am ersten Tag am Frequency nur wenige Besucher blicken. Die Motivation der Fans war zu später Stunde dann aber ungebremst und der Campingplatz voll. Dass die Zelte aufgrund des anhaltenden Regens am Vormittag teilweise im Schlamm standen, schien niemanden zu stören.
Wenn es darum geht, für seine Überzeugungen einzutreten, dann sind Bad Religion wohl ebenfalls als Institution zu bezeichnen. Die stets politisch veranlagte Punkrock-Band um Sänger Greg Graffin ist zwar optisch sichtlich in die Jahre gekommen, aber Klassiker wie der “Punk Rock Song” werden auch anno 2015 noch abgefeiert wie zu den besten Zeiten der Gruppe. Zuvor zeigte Chuck Ragan auf der Space Stage, dass er zumindest stimmlich am seine Hot Water Music-Zeiten anknüpfen kann. Der Amerikaner beweist solo, dass Folk-Rock nicht unbedingt langweilig sein muss.
Casper sorgte für reichlich Stimmung
Auf der Green Stage zeigte sich Ellie Goulding nach ihrem Auftritt etwas unzufrieden mit dem Publikum, das nur schwer zu animieren war. Doch auch Goulding selbst blieb auf der Bühne distanziert und spielte ihr Programm eher lieblos herunter. Dazu wirkte der Auftritt der 28-jährigen Britin zu altbacken und im direkten Vergleich zu manch Mitbewerber geradezu bieder. Von einer emotional aufgeladenen Darbietung konnte also keine Rede sein.
Noch immer als neu ist hingegen Casper einzustufen: Was Benjamin Griffey unter seinem Rap-Pseudonym in den vergangenen Jahren fabriziert hat, hinterließ nämlich einen bleibenden Eindruck in der Szene – und weit darüber hinaus. Das Publikum tobte, als der Rapper die Bühne betrat und das Festival sofort als eines seiner Liebsten deklarierte. Die Freude, nach seinem Auftritt 2013 in diesem Jahr als Headliner dabei sein zu können, war der Performance vom ersten bis zum letzten Song anzumerken.
Aufgewärmt hat sich die Menge bereits bei K.I.Z., die das Publikum ebenfalls zu begeistern wussten und auch abseits des Musikalischen ihre Anhänger animierten: “Wir finden nur gemeinsam das Glück. Miteinander, aneinander, ineinander”, hießt es da etwa kurz vor einer mustergültigen Wall of Death durch die Zuhörer. Auch so geht Fanliebe.
Major Lazer und Chemcal Brothers auf der Space Stage
Der vielleicht stimmigste, weil auch für Ambiente wie Kontext passendste Auftritt kam am frühen Abend von Alt-J: Die britische Band, die sich gleichermaßen Avantgarde wie Pop auf die Fahnen heftet und gerne zwischen den Welten wandelt, sorgte allen voran mit einer umwerfenden Lichtshow für offene Münder. Dass Sänger Joe Newman und seine drei Kollegen zudem noch eine Unzahl an eingängigen Songs im petto haben, war der Begeisterung nur noch zuträglicher. “Fitzpleasure”, “Breezeblocks” oder das monolithische “The Gospel of John Hurt” sind nur eine kleine Auswahl dessen, was dabei Aug und Ohr bezirzte. Und wo die Albumversionen teils etwas an Biss vermissen lassen, gab es live kein Halten mehr.
Aber kein Grund zur Sorge: Auch mit einem originalen Knöpfchendreher weniger knallten Stücke wie “Hey Boy Hey Girl”, “Do It Again” oder das von der aktuellen Platte stammende “Go” ordentlich rein. Man muss den chemischen Brüdern jedenfalls zugutehalten, dass sie seit ihrem Debüt vor genau 20 Jahren stets zu unterhalten wussten. Und gerade wenn man von einigen durchwachsenen Phasen absieht, stimmte von der vielseitigen Großtat “Surrender” über geradliniges Liedgut wie auf “Push the Button” bis zum neuesten Output die Qualität doch meist. Nur wenige Elektronicacts können außerdem für sich behaupten, eine derart unterschiedliche Fanschar anziehen zu können.
In eine ähnliche Kerbe, aber bedeutend plakativer schlugen zuvor Major Lazer: Das Projekt der DJs und Produzenten Diplo, Jillionaire und Walshy Fire gefiel sich als überholtes Discoerlebnis mit Stroboskoplicht, bediente sich bei zig gleichermaßen überholten wie totgespielten Danceklassikern (etwa “I Like To Move It” oder Sean Pauls “Get Busy”) und begnügte sich mit einem reinen Animationsgestus. Diesen letzten Aspekt erfüllte man – gemessen an der Bewegung in der Menge – allerdings recht ordentlich.
Nach langen, für alle Beteiligten zum Glück trockene Stunden, standen die Festivalbesucher schließlich vor der Wahl: Den von Matsch und Schlamm geprägten Weg zum Zelt antreten, oder sich doch in Richtung Nightpark und damit in die VAZ-Hallen begeben? Aber nicht vergessen: Es gibt noch zwei Tage zu feiern, u.a. mit Kendrick Lamar, The Offspring, Prodigy oder Interpol.
(APA/Red.)