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Studie: Höhere Sozialhilfe zieht Flüchtlinge nach Wien

Die Kürzung der Mindestsicherung in Niederösterreich erhöhte die Migration nach Wien.
Die Kürzung der Mindestsicherung in Niederösterreich erhöhte die Migration nach Wien. ©APA
Laut einer Studie entscheidet die Höhe der Sozialhilfe darüber, wo sich Flüchtlinge niederlassen. Wien steht dementsprechend bei der Wohnortsuche ganz oben. Aber nicht nur Geld allein veranlasst Flüchtlinge zum Umziehen.

Die Höhe der Sozialhilfe beeinflusst die Wohnortentscheidung, die Asylberechtigte treffen. Darauf deuten erste Ergebnisse einer Studie zweier österreichischer Ökonomen hin, über die "Presse" und "Standard" am Donnerstag berichteten. Demnach führte 2017 etwa die Kürzung der Mindestsicherung in Niederösterreich dazu, dass mehr Asylberechtigte nach Wien zogen.

Fanny Dellinger von der Uni Innsbruck und Peter Huber vom Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo haben untersucht, wie sich die Kürzung der Mindestsicherung in mehreren Bundesländern auf die Wanderbewegungen innerhalb Österreichs ausgewirkt hat. Das noch unveröffentlichte Arbeitspapier befindet sich derzeit im Endfertigungsprozess, die Teilergebnisse würden noch geprüft, hieß es aus dem Wifo zur APA.

Übersiedelung von NÖ nach Wien

Dellinger und Huber werteten Daten von über 21.000 Menschen aus, die zwischen 2010 und 2018 nach Wien gekommen sind und entweder als anerkannte Flüchtlinge oder als subsidiär Schutzberechtigte bleiben durften. Untersucht wurde nur das Verhalten von Menschen, die gerade erst Asyl erhalten hatten.

Arbeitslose Flüchtlinge und Schulungsteilnehmer 2014 bis Juni 2018
Arbeitslose Flüchtlinge und Schulungsteilnehmer 2014 bis Juni 2018 ©APA

Laut den Zeitungsberichten über die Studie zogen nach der Kürzung der Mindestsicherung in Niederösterreich für Flüchtlinge (von 837 Euro auf 522 Euro) um fast ein Fünftel mehr Flüchtlinge nach Wien als davor. Insgesamt sind demnach im Jahr 2017 von 100 Flüchtlingen in Niederösterreich 42 innerhalb der ersten Monate nach Asylzuerkennung in die Bundeshauptstadt übersiedelt, wo sie die Mindestsicherung in voller Höhe beziehen können.

Flüchtlingen ist Integration wichtiger als Geld

Aus den bisherigen Ergebnissen geht laut den Medienberichten aber auch hervor, dass nicht nur das Geld für die Wohnortentscheidung eine Rolle spielt. Die Kürzung der Sozialhilfe für Flüchtlinge im Burgenland 2017 führte beispielsweise nicht zu einer Abwanderungswelle, sondern es blieben danach sogar mehr Asylberechtigte im Burgenland als davor.

In Bundesländern, in denen es ausreichend Deutschkurse gab, günstige Wohnungen vermittelt wurden oder Unternehmen und Bevölkerung um Integration bemüht waren, blieben die Flüchtlinge. Beispiele dafür sind Tirol und Vorarlberg, wo die Abwanderungsraten im einstelligen Prozentbereich liegen.

ÖVP und FPÖ fordern Gesetzesänderung in Wien

ÖVP und FPÖ sehen sich durch die am Donnerstag bekannt gewordene Studie zum Zusammenhang zwischen der Höhe der Sozialhilfe und der Wohnortentscheidung von Asylberechtigten bestätigt. Beide Parteien bekräftigten ihre Forderung nach einer Reform der Mindestsicherung in Wien.

"Durch die fehlgeleitete SPÖ-Politik in Wien steigt die Zuwanderung ins Wiener Sozialsystem", sagte der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel laut einer Aussendung. "Wien muss endlich ein vernünftiges und wirkungsvolles Gesetz umsetzen", forderte er.

Mindestsicherung gehe in die falsche Richtung

Die Studie zeige, dass "die Reise in Sachen Mindestsicherung in die falsche Richtung gegangen ist", befand auch FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch in einer Aussendung. Das unter Türkis-Blau beschlossene Sozialhilfe-Grundsatzgesetz müsse in allen österreichischen Bundesländern umgesetzt werden. Die "vom VfGH monierten Änderungen" wären in einer Novelle leicht durchzuführen. Die FPÖ will das Thema im nächsten Sozialausschuss am 5. März auf die Tagesordnung bringen.

Raab warnt vor "weiteren Parallelgesellschaften"

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) hat in Reaktion auf die Studie über den Zusammenhang zwischen der Höhe der Sozialhilfe und der Wohnortentscheidung von Asylberechtigten vor "der weiteren Bildung von Parallelgesellschaften in Ballungsräumen" gewarnt. Die SPÖ verteidigte die Wiener Mindestsicherung und forderte bessere soziale Angebote in den anderen Bundesländern.

"Die Ergebnisse der aktuellen Studie zu Pull-Faktoren für Flüchtlinge zeigen, dass es unser Ziel sein muss, dass Flüchtlinge dorthin gehen, wo sie Arbeit finden und nicht, wo die Sozialhilfe am höchsten ist", so die Integrationsministerin. "Vor dem Hintergrund, dass Wien die höchste Arbeitslosenquote hat und der Bedarf an Arbeitskräften im Westen sehr hoch ist, ist das der einzige Weg", sagte Raab in einer Aussendung.

One-Way-Ticket nach Wien

Die SPÖ sprach sich für einheitliche Leistungen in allen Bundesländern aus und verteidigte das Wiener System. Es sei völlig logisch, dass die Menschen dorthin ziehen, wo die Bedingungen bessere sind, so Sozialsprecher Josef Muchitsch. "ÖVP und FPÖ sollen nicht zusehen und auf Wien schimpfen, nur weil Wien das bessere soziale Angebot hat, sondern in den Bundesländern, wo sie die Verantwortung haben, darauf drängen, dass diese auch ein dementsprechendes soziales Netz und Integrationsmaßnahmen bieten", forderte er.

"Wenn die einzige Integrationsmaßnahme des niederösterreichischen Anti-Integrationslandesrats Waldhäusl ist, den Menschen ein One-Way-Ticket nach Wien in die Hand zu drücken, dann kann so ein Ergebnis kein Wunder sein", hieß es auch in einer schriftlichen Stellungnahme des Wiener Sozialstadtrats Peter Hacker (SPÖ).

(APA/red)

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