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Strafe, weil er Mutter pflegte

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600 Euro Geldstrafe für Mann, der 33 Jahre seine Mutter pflegte: Weil er sie in den letzten Wochen „gröblich vernachlässigt“ haben soll.

Passend zur aktuellen Pflege-Debatte, die seit Wochen die Innenpolitik dominiert, ist am Freitagnachmittag im Wiener Straflandesgericht gegen einen 65 Jahre alten Pensionisten verhandelt worden, der seit 33 Jahren seine kranke, zuletzt bettlägrige Mutter betreut hatte.

Der Mann, der sich niemals um Pflegegeld oder billige Hilfskräfte aus den östlichen Nachbarstaaten bemüht hatte, wurde wegen gröblicher Vernachlässigung einer wehrlosen Person (Paragraf 92 Absatz 2 Strafgesetzbuch) zu 600 Euro Geldstrafe verurteilt. Er erbat Bedenkzeit.

Schuldig gesprochen wurde er deshalb, weil er sich in den letzten Wochen vor ihrem Ableben nicht mehr ausreichend um die Mutter gekümmert haben soll. Die Frau war im vergangenen Jänner mit 88 Jahren in ihrer Wohnung an einer Lungenembolie in Folge einer Gefäßthrombose gestorben, wobei sie zu diesem Zeitpunkt bei einer Körpergröße von 164 Zentimetern 38 Kilo wog und einen verwahrlosten Eindruck machte. Bei der Obduktion wurden auch Liegegeschwüre festgestellt. „Das einzig Vernünftige wäre gewesen, sie einer Spitalsbetreuung zuzuführen“, stellte der Gerichtsmediziner Johann Missliwetz fest.

„Meine Mutter hat mich mehrmals angefleht, sie in der Wohnung zu lassen. Dabei ist es mir selber seit November schlecht gegangen“, führte der 65 Jahre alte Pensionist ins Treffen. Er räumte ein, seiner Mutter in den allerletzten Tagen nicht mehr die entsprechende Fürsorge geschenkt zu haben: „Das muss ich zugeben.“ Er habe jedoch unter starken Depressionen und körperlichen Beschwerden gelitten, „die längeren Schwächeperioden“ seiner Mutter aber erkannt. Er habe deshalb auch zwei Ärzte aufsuchen wollen: „Der Hausarzt war leider im Urlaub, die Ordination des anderen war geschlossen.“

Weil seine Mutter unter keinen Umständen in ein Spital oder Pflegeheim gebracht werden wollte, habe er nicht die Rettung gerufen. „Er war ein Soldat, der immer nur eine Obrigkeit gehabt hat: Seine Mutter. Er hat sein Leben dem seiner Mutter untergeordnet“, beschrieb Verteidiger Franz Markus Nestl seinen Mandanten. Die Frau habe einfach Angst gehabt, im Krankenhaus zu sterben, vermutete der Anwalt.

Die Mutter des Mannes war 1973 erkrankt. Seither hatte sich ausschließlich der mittlerweile pensionierte, allein stehende Beamte um sie gekümmert, mit der er seit seiner Geburt in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung lebte. Zuletzt bezog er eine Pension von monatlich 1.100 Euro. „Sie als Sohn sind Ihrer Pflicht, Hilfe zu holen, nicht nachgekommen“, musste er sich nun von einer jungen Richterin anhören, die erst seit einigen Monaten Verhandlungen leitet.

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