AA

Strache reicht‘s

©APA
Gastkommentar von Johannes Huber. Der FPÖ-Chef hat gute Gründe, sich mit dem Vizekanzleramt zufriedenzugeben und nicht als Bürgermeisterkandidat in Wien anzutreten.

Heinz-Christian Strache macht keinen Jörg Haider: Dieser Freiheitliche hatte das Amt des Landeshauptmannes von Kärnten dem des Vizekanzlers auf Bundesebene vorgezogen. Strache denkt nicht im Entferntesten daran: Er ist schon Vizekanzler und hat diese Woche in der Kronen Zeitung verkündet, dass er bei der Gemeinderatswahl 2020 nicht antreten wolle, um sich um das Amt des Wiener Bürgermeisters zu bemühen.

Das ist bemerkenswert: Strache begründete seine Absichtserklärung damit, dass er bei der Nationalratswahl 2017 einen historischen Erfolg erzielt habe. Jetzt trage er Verantwortung gegenüber allen, die ihn vom Boden- bis zum Neusiedlersee unterstützt haben. Und dem werde er gerecht. Vor ein paar Monaten hatte er ganz anders geklungen: Im Jänner hat er diese Verantwortung auch schon getragen. Doch damals teilte er via „profil“ mit, zu überlegen, bei der kommenden Gemeinderatswahl zu kandidieren. Wohlwissend im Übrigen, dass er im Falle des Falles als Vizekanzler ausscheiden müsste. Die „historische Chance“ auf einen freiheitlichen Bürgermeister in der Bundeshauptstadt hatte er sich seinerzeit aber noch nicht entgehen lassen wollen.

Was ist geschehen? Warum gibt Strache klein bei? Ganz nüchtern betrachtet ist es wohl dies: Erstens, der 49-Jährige ist als Chef der freiheitlichen Regierungsriege sehr erfolgreich. Mag sein, dass die Blauen ein paar Prozentpunkte unter ihrem Nationalratswahlergebnis liegen. Das war jedoch erwartbar, und das kann sich sehr schnell wieder zu ihren Gunsten ändern. Vor allem aber haben Strache und Co. ausgezeichnete Persönlichkeitswerte: Er und Verkehrsminister Norbert Hofer genießen laut APA/OGM-Erhebung das Vertrauen von mehr als 40 Prozent der Österreicher. Und auch wenn man berücksichtigt, dass ihnen noch mehr Leute misstrauen, ist das ein Wert, von dem Freiheitliche in solchen Positionen bisher nur träumen konnten.

Zweitens, wie’s ausschaut kann Strache noch sehr lange Vizekanzler und Sportminister sein. Dass er Sebastian Kurz eines Tages als Kanzler ablösen wird, erscheint aus heutiger Sicht unrealistisch. Verschlechtern aber kann er sich’s nicht. Und das heißt schon etwas: Die Funktionen, die er heute bekleidet, sind sehr attraktiv. Darauf verzichten? Lieber nicht.

Drittens, die Chancen aufs Wiener Bürgermeisteramt sind für die Freiheitlichen geschwunden seit Jahresbeginn. Damals hieß das Stadtoberhaupt noch Michael Häupl, die SPÖ hing in den Seilen, als Gesundheitsstadträtin fungierte Sonja Wehsely und so weiter und so fort. In der Zwischenzeit ist Michael Ludwig an die Stelle von Häupl getreten und seither ist einiges anders. Die SPÖ hat sich auf Kosten der FPÖ wieder ein bisschen erholt.

Viertens erklärt all das, warum Strache nun einen Rückzieher gemacht hat: Er verzichtet lieber nicht auf seine komfortable Position auf Bundesebene, um in Wien als Bürgermeisterkandidat anzutreten, mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit zu scheitern und letzten Endes auf der extrem harten Oppositionsbank im Rathaus zu landen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

  • VIENNA.AT
  • Johannes Huber
  • Strache reicht‘s
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen