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Spindelegger-Rücktritt: Ein gescheiterter Minister

Michael Spindelegger - An sich und der Partei gescheitert
Michael Spindelegger - An sich und der Partei gescheitert ©APA
Der ÖVP-Obmann und Finanzminister Michael Spindelegger hat am Dienstag seinen Rücktritt erklärt. Er war der 18. Vizekanzler der Zweiten Republik und in dieser Funktion drei Jahre und vier Monate im Amt.
Spindelegger zurückgetreten
Rücktritt gefordetr

Seit heute kurz nach 9 Uhr ist die politische Geschichte des Michael Spindelegger (54) auserzählt. Stetig, wenngleich ein wenig langsam verlief sein Aufstieg in der Volkspartei, an der Spitze wurde ihm die Luft dafür rasch zu dünn.

Die politische Karriere von Spindelegger

Dass Spindelegger nicht der größte Charismatiker der Parteigeschichte ist, wusste die ÖVP schon, als sie den damaligen Außenminister und früheren Zweiten Nationalratspräsidenten 2011 zum Nachfolger von Josef Pröll kürte. Die seine Bestellung zum Parteichef begleitenden Kommentare waren für den zweifachen Familienvater auch aus der eigenen Partei nicht immer schmeichelhaft. Die Botschaft lautete: der große Bringer ist er nicht, aber immerhin solide und jeder in der Partei kann mit ihm leben.

So war es dann letztlich aber doch nicht. Denn Spindelegger, bis dahin als ausnehmend höflicher, freundlicher Herr bekannt, begann rasch ein selbstbewusstes Eigenleben zu führen. Bei der Wahl seines Regierungsteams pfiff er auf die VP-übliche Bünde/Länder-Logik, wagte unübliche Besetzungen wie zunächst die von JVP-Chef Sebastian Kurz als Integrationsstaatssekretär oder später die der Parteifreien Sophie Karmasin und Wolfgang Brandstetter als Familienministerin bzw. als Justizminister.

Spindeleggers größte politische Fehlkalkulation

Allerdings überhob sich der einst im Büro des legendären ÖAAB-Chefs Robert Lichal im politischen Ränkespiel ausgebildete Spindelegger da auch das ein oder andere Mal und schuf sich damit Feinde fürs Polit-Leben – etwa als er in einem ersten (missglückten) Versuch die damalige Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) aus ihrem Amt zu heben trachtete oder als er nach der letzten Regierungsbildung den westlichen Ländern nicht einmal einen Ministerposten zukommen lassen wollte. Ironischerweise ist jener Andre Rupprechter, den Spindelegger unter Druck dann doch ins Kabinett aufnehmen musste, jetzt 1,5 Jahre später einer der Favoriten auf seine Nachfolge.

Spindeleggers wohl größte politische Fehlkalkulation war, die Geschichte seines Vorgängers Josef Pröll unterschätzend, dass er meinte, als Vizekanzler das mächtige Finanzressort in Händen halten zu müssen. Die Zeiten, in denen man hier Publikumserfolge erzielen konnte, sind freilich vorbei. Bankenrettung, Sparpakete, Rufe nach Steuerentlastung – der oft nicht optimal beratene Spindelegger kam aus der Defensive gar nicht mehr heraus und Ablenkungsmanövern wie zuletzt den Angriffen auf den Verteidigungsminister wegen der vom Finanzminister selbst mit verschuldeten Heeres-Budgetnöte fehlte es zunehmend an Glaubwürdigkeit. Die Stimmung mit dem Koalitionspartner wurde zunehmend frostiger.

An den “Mächtigen der Partei” gescheitert

Gestolpert ist Spindelegger aber wie die meisten ÖVP-Obmänner vor ihm über die wahren Mächtigen in der Partei, die Landesfürsten. Wenn selbst beliebte und an Zahlen gemessen erfolgreiche Politiker wie Oberösterreichs Josef Pühringer oder Vorarlbergs Markus Wallner kurz vor ihren Landtagswahlen düsteren Umfragwerten entgegenblicken, ist gerne einmal die Bundespartei schuld und das lässt man deren Obmann dann auch spüren. Dass just der ehemalige ÖAAB-Chef bei der Steuerentlastung bremst, kam wieder bei den Arbeitnehmern nicht gut an. Legendär der Spruch des Tiroler Arbeiterkammer-Präsidenten Erwin Zangerl: “Michael Spindelegger ist ein Trojaner der Industriellenvereinigung im ÖAAB.”

Zukunft von Spindelegger noch ungewiss

Jener Parteifreund Zangerl war es auch, der Spindelegger erst am Vortag zum Rücktritt aufgefordert hatte. Es ist gut möglich, dass es dem nunmehr ehemaligen ÖVP-Chef, der erst vor wenigen Tagen den Tod seines Vaters betrauern musste, angesichts dieser gerade in diesen für ihn persönlich schwierigen Tagen überharten Attacken reichte und er ohne unmittelbare Not der Partei den Laden hinschmiss. An Erfolgen hinterlässt er nicht viel. Immerhin hat die ÖVP bei der EU-Wahl trotz Verlusten Platz eins geholt und bei der Nationalratswahl mit ihm als Spitzenkandidat einen Total-Absturz vermieden. Der größte Sieg der Ära Spindelegger war der Sieg bei der Bundesheer-Volksbefragung.

Wohin es Spindelegger nun treibt, bleibt abzuwarten. Beruflich tätig war der promovierte Jurist immer in Land (Niederösterreich) und Politik, z.B. als EU- und Nationalratsabgeordneter. Zumindest das Familienleben sollte sich für den begeisterten Hobby-Tennisspieler nunmehr leichter gestalten lassen. Frau Margit ist nämlich wieder beim Europäischen Rechnungshof in Luxemburg aktiv. Michael Spindelegger selbst wird es jetzt möglicherweise bereuen, vor einigen Wochen die Chance verpasst zu haben, sich selbst als EU-Kommissar nach Brüssel zu schicken.

Vizekanzler Nummer 18 tritt ab

Michael Spindelegger war der 18. Vizekanzler der Zweiten Republik und in dieser Funktion bis zu seinem Rücktritt am heutigen Dienstag drei Jahre und vier Monate im Amt. Der Vizekanzler ist laut Verfassung zur Vertretung des Bundeskanzlers in dessen gesamtem Wirkungsbereich berufen. Er kann, muss aber nicht ein eigenes Ressort haben. Spindelegger war zuletzt Finanzminister. In der ersten großen Periode der Großen Koalitionen – von 1945 bis 1966 – war es nicht üblich, dass der Vizekanzler auch eine Ministerium führte. Dies änderte sich mit der ÖVP-Alleinregierung und blieb dann sowohl in den SPÖ-Alleinregierungen als auch in den danach folgenden Großen und Kleinen Koalitionen der Fall.

Am längsten übte die Funktion des Vizekanzlers bisher Adolf Schärf (SPÖ) aus, der zu Beginn der Zweiten Republik fast elfeinhalb Jahre neben zwei ÖVP-Kanzlern – Leopold Figl und Julius Raab – diente, ehe er im Mai 1957 Bundespräsident wurde. Sein Nachfolger und Parteikollege Bruno Pittermann blieb fast neun Jahre Vizekanzler. Auf Platz 3 steht bisher Rudolf Häuser (SPÖ) mit 6,5 Jahren. Seit seiner Ablöse 1976 blieb kein einziger Vizekanzler mehr als fünf Jahre auf seinem Posten.

Der zuletzt längst dienende war Wolfgang Schüssel (ÖVP), an dessen knapp fünf Jahre als Vizekanzler sich noch fast sieben Jahre als Kanzler anschlossen. Sein Nachfolger Wilhelm Molterer (ÖVP) kam auf knapp zwei Jahre, Josef Pröll (ÖVP) auf rund zweieinhalb Jahre.

Die Vizekanzler der Zweiten Republik:

  • Adolf Schärf (S) 20. 12. 1945 – 22. 05. 1957
  • Bruno Pittermann (S) 22. 05. 1957 – 19. 04. 1966
  • Fritz Bock (V) 19. 04. 1966 – 19. 01. 1968
  • Hermann Withalm (V) 19. 01. 1968 – 21. 04. 1970
  • Rudolf Häuser (S) 21. 04. 1970 – 30. 09. 1976
  • Hannes Androsch (S) 01. 10. 1976 – 20. 01. 1981
  • Fred Sinowatz (S) 20. 01. 1981 – 24. 05. 1983
  • Norbert Steger (F) 24. 05. 1983 – 21. 01. 1987
  • Alois Mock (V) 21. 01. 1987 – 24. 04. 1989
  • Josef Riegler (V) 24. 04. 1989 – 02. 07. 1991
  • Erhard Busek (V) 02. 07. 1991 – 04. 05. 1995
  • Wolfgang Schüssel (V) 04. 05. 1995 – 04. 02 .2000
  • Susanne Riess-Passer (F) 04. 02. 2000 – 28. 02. 2003
  • Herbert Haupt (F) 28. 02. 2003 – 21. 10. 2003
  • Hubert Gorbach (F/B) 21. 10. 2003 – 11. 01. 2007
  • Wilhelm Molterer (V) 11. 01. 2007 – 02. 12. 2008
  • Josef Pröll (V) 02. 12. 2008 – 21. 04. 2011
  • Michael Spindelegger (V) 21. 04. 2011 – 26. 08. 2014

(APA)

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