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"Sie haben mir die Kinder genommen"

Nach dem dramatischen Selbstmord eines neunfachen Familienvaters bei seiner Festnahme in Raggal hat die Familie nun den nächsten Schicksalsschlag zu verkraften.

„Das Jugendamt hat uns ohne Vorwarnung die drei jüngsten Kinder weggenommen. Sie wurden zu ihrer leiblichen Mutter nach Deutschland gebracht, wir haben Angst um die Mädchen“, sagt Petra Helbing, die Lebensgefährtin des verstorbenen Familienvaters.

Kinder aus erster Ehe

Die 39-jährige Deutsche lebt nach dem dramatischen Tod ihres Lebensgefährten mit den zwei volljährigen Kindern Jacqueline und Christopher im Bauernhaus in Raggal. Bis vergangenen Donnerstag waren auch Diana, Jennifer und Sarah noch da. Alle stammen aus der ersten Ehe des Verstorbenen mit seiner Frau Ilona H.

„Nach dem Selbstmord meines Lebensgefährten hatten wir die Zusicherung des Jugendamtes, dass nichts überstürzt entschieden wird. Wir fühlen uns hintergangen. Vergangenen Donnerstag hat man uns zu einem angeblichen Gespräch beim Jugendamt geladen. Bei der Ankunft war bereits die Polizei da. Die Mädchen wurden dann in einen Nebenraum gebracht und der leiblichen Mutter übergeben. Wir durften uns nicht einmal verabschieden“, sagt Petra Helbing. Als die “VN” mit ihr in Raggal sprechen, ist die Verzweiflung zu spüren.

Petra Helbing war seit 2003 die Lebensgefährtin des Verstorbenen, der zuletzt wegen Bagatelldelikten per internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Die Familie lebte mit den fünf jüngsten Kindern des gelernten Metzgers seit Oktober 2005 in Raggal. Diana (7), Jennifer (9) und Sarah (11) besuchten die Raggaler Volksschule, wurden in der Dorfkirche getauft, sagten „Mama“ zur Lebensgefährtin des Vaters.

Laut Aussagen der älteren Geschwister – Christopher und Jacqueline – hat ihre leibliche Mutter, die im deutschen Bundesland Thüringen lebt, die Familie im Jahr 2002 verlassen – die Angehörigen hätten wochenlang nicht gewusst, wo sie stecke. „Unsere leibliche Mutter hat uns ständig geschlagen, hat nicht für uns gesorgt, sie verdient die Bezeichnung ´Mutter´ nicht, die Petra ist unsere eigentliche Mutter“, finden die mittlerweile erwachsenen Kinder Christopher (18) und Jacqueline (19) harte Worte. Sie können es nicht ertragen, dass sie nicht wissen, wie es ihren kleinen Schwestern geht.

„Schon als Dreijähriger wurde ich dermaßen von meiner Mutter geschlagen, dass ich eine Narbe am Kopf habe und die Schläge hörten niemals auf. Bei der Übergabe der Mädchen sagte meine Mutter zu mir, dass es ihr gar nicht um die Kinder geht, sie wolle nur der Petra eins auswischen“, erhebt Christoph Vorwürfe. Auch Jacqueline spricht von Schlägen und drastischen Strafaktionen.

“VN” fragen nach

Bei der Bludenzer Jugendfürsorge gibt die Sachbearbeiterin zwar Auskunft, ihren Namen möchte sie aber nicht in der Zeitung lesen. „Im Falle des Todes des Vaters geht das Sorgerecht an die leibliche Mutter über. Es gab einen Bericht des deutschen Jugendamtes, dass die Mutter zur Erziehung befähigt ist. Es gibt keinen Grund, das anzuzweifeln.“ Man habe im Rahmen der Amtshilfe nur jene Situation hergestellt, die vom Gesetz verlangt werde. „Außerdem: eine Mutter ist nun einmal eine Mutter.“ Eine Verabschiedung sei aus emotionalen Gründen nicht möglich gewesen. „Uns liegt in erster Linie am Wohl der Kinder.“ Das Jugendamt in Deutschland und Ilona H. waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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