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Shri Guru Ravidas Sabha

Die Schießerei in einem indischen Gebetshaus in Wien-Fünfhaus offenbart tiefgehende Differenzen innerhalb der Glaubensgemeinschaft der Sikh. Hauptgrund für den Streit sind Kasten-Unterschiede. Schüsse in Wiener Gebetshaus

Die Glaubensströmung “Shri Guru Ravidas (Ravidass) Sabha” ist eine von “Dalit” (Unberührbaren) getragene Bewegung, die gegen das unter den Sikhs unterschwellig verbreitete Kastenwesen kämpft. Voriges Jahr kam es daher in einem Ravidas-Gebetshaus im westkanadischen Burnaby sogar zu einem Fall von umgekehrter Diskriminierung: Zwei Sikhs höherer Kasten (“Jat”) wurde der Beitritt verwehrt.

Die beiden Jat-Sikhs klagten daraufhin – erfolglos – beim Menschenrechtsgericht des kanadischen Bundesstaats British Columbia, um eine Aufnahme in das Shri Guru Ravidas Sabha Gebetshaus von Burnaby zu erzwingen. Sie argumentierten, dass die Leitung des Gebetshauses durch ihre Entscheidung das im Sikhismus verpönte Kastensystem wieder einführe. Die Führung des Gebetshauses befürchtete, dass die beiden Jat-Sikhs die Kontrolle über den Tempel übernehmen wollten, dem etwa 900 Dalits angehören. Wie das Internetportal “Tha Indian” berichtet, hat es in Kanada nämlich schon mehrere Fälle von Machtkämpfen um Sikh-Häuser (“Gurdwaras”) gegeben.

Die Sikh-Strömung beruft sich auf den Dalit Ravidas (Ravidass), einem Berater des Sikh-Glaubensgründers Guru Nanak. Ravidas hatte im 15. Jahrhundert als erster hinduistischer Gelehrter das Kastenwesen in der indischen Religion herausgefordert. Wie es auf einer einschlägigen Internetseite der New Yorker Columbia-Universität heißt, verehrt die Bewegung unter anderem auch den US-Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. und den Schöpfer der indischen Verfassung Bhim Rao Ambedkar – einen Unberührbaren -, “für deren Bemühungen zur Erlangung sozialer Gerechtigkeit für marginalisierte und unterdrückte Gruppen”.

Die Sikh-Religion gilt als Verbindung zwischen Hinduismus und Islam, steht aber ersterem näher. So glauben die Sikhs an die Wiedergeburt, und auch das Kastenwesen erwies sich trotz des von Guru Nanak verkündeten Egalitarismus – der viele Dalits zum Übertritt vom Hinduismus motiviert hat – als hartnäckig. So berichtet die US-Religionsforscherin Maryleen Dougherty, dass einige Sikhs das System der Kasten weiterhin beachteten – etwa bei der Eheschließung. So schreibt ein in Großbritannien lebender junger Sikh in einem Sikh-Internetforum, für seine Eltern sei es “unabdingbar” gewesen, dass seine Braut der gleichen Kaste kommt.

Die Ravidas-Bewegung eckt bei anderen Sikhs auch deswegen an, weil sie es mit den vom letzten Sikh-Guru Gobind verkündeten fünf “K”-Regeln nicht so ernst nimmt. Sie besagen, dass sich männliche Sikhs die Haare wachsen lassen (Kesh), immer einen Kamm (Kangha) im Haar tragen und einen Säbel (Kirpan) bei sich haben, sowie Hosen (Kuccha) und ein Armband aus Eisen (Kara) tragen müssen. Laut Dougherty legt die Sri-Guru-Ravidas-Sabha-Bewegung aber “mehr Wert auf die Lehren des Adi Granth (das heilige Buch der Sikhs) und das Langar (vegetarisches Essen) als auf die Ausübung aller fünf Ks”.

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