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Sebastian Kurz ist ein Tiefstapler

©AP Photo/Ronald Zak
Gastkommentar von Johannes Huber. Bei der Wiener Gemeinderatswahl geht es für die ÖVP nicht darum, ob sie 15 Prozent erreicht. Sondern darum, wie weit sie über 20 Prozent kommt.

Gegen Ende des ORF-Sommergesprächs nannte Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz am vergangenen Montag drei Ziele für die Wiener Gemeinderatswahl am 11. Oktober: Absolute Mehrheit der SPÖ verhindern; 15 Prozent für die eigene Volkspartei; und vielleicht sogar Platz zwei (hinter der SPÖ). Im normalen Leben könnte man sich amüsieren darüber; oder sich empören, wenn man Spitzenkandidat der ÖVP wäre und Gernot Blümel heißen würde: „Aber hallo, lieber Sebastian, Du traust mir gar nichts zu?“

In der Politik ist jedoch alles ein bisschen anders. Kurz hat hier bewusst tiefgestapelt. Es ist durchschaubar: Obwohl oder gerade auch weil die Volkspartei vor fünf Jahren keine zehn Prozent erreichte, liegt ihr Potenzial nun weit über 15 Prozent. Eine absolute Mehrheit der SPÖ erscheint unwahrscheinlich; darauf sollte man jedenfalls nicht zu viel wetten. Und Platz zwei sollte die ÖVP zusammenbringen, weil alles andere eher peinlich wäre für sie.

Dass Sebastian Kurz solche Ziele definiert, hat jedoch nichts damit zu tun, dass er Gernot Blümel unterschätzen würde. Es dient vielmehr dazu, den Wahlabend vorzubereiten. Devise: Wer die selbst definierten Erwartungen so weit übertrifft, ist ein grandioser Sieger. Anders ausgedrückt: Wenn die ÖVP 22 Prozent erreicht, ist das um die Hälfte mehr als die erwähnten 15 Prozent. Es würde fulminant wirken. Würde das Wahlziel dagegen bei realistischeren 20 liegen, wären 22 Prozent alles andere als berauschend. So einfach ist das.

Gewinnen wird die Volkspartei in jedem Fall: 2015 hat sie laut Sozialforschungsinstitut SORA nur 52 Prozent ihrer bisherigen Wähler mobilisieren können. Unter Sebastian Kurz sollte sie nun effizienter sein. Sprich: Auch wenn sie nur einen Teil ihrer verlorenen Anhänger zurückholen kann, kommt sie 15 Prozent nahe.

Viel mehr ist im riesigen Lager langjähriger, nun aber eben enttäuschter FPÖ-Wähler zu holen. Wie das geht, hat Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl vor wenigen Monaten gezeigt: Jeder Fünfte, der noch zwei Jahre zuvor Heinz-Christian Strache und Co. seine Stimme gegeben hatte, unterstütze diesmal die neue ÖVP von Kurz. Das sollte sich wiederholen lassen: Vor fünf Jahren hatten die Freiheitlichen in Wien 256.451 Wähler; damit kamen sie auf mehr als 30 Prozent. Gut zwei Drittel davon könnten sie nun verlieren. Wie auch immer: In Summe macht all das nachvollziehbar, dass die Volkspartei in den Umfragen der vergangenen Wochen und Monate auf bis zu 25 Prozent gekommen ist.

Bemerkenswert ist noch die Frage, ob die neue ÖVP vielleicht sogar Platz zwei schaffen könnte. Aber bitte! Alles andere würde ihren Wahlabend trüben. Angenommen, sie endet hinter der FPÖ auf Platz drei: Das hätte Symbolkraft, die Freiheitlichen könnten bei allen Verlusten zumindest feiern, die ÖVP geschlagen zu haben; das wäre eine süße Rache dafür, dass sie von Sebastian Kurz vor einem Jahr zurecht aus der Regierung geworfen worden sind. Oder: Die ÖVP bleibt hinter den Grünen – ausgerechnet hinter dem kleinen Juniorpartner auf Bundesebene und das auch noch in der Heimatstadt von Sebastian Kurz! Das wäre bitter für ihn und die Türkisen.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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