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Schwerer Atomunfall in Großbritannien

Bei einem kürzlich entdeckten Leck in einer Leitung der britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield handelt es sich nach einem Pressebericht um den schwersten Atomunfall in Großbritannien seit mehr als zehn Jahren.

Durch ein Leck in einer defekten Leitung seien über neun Monate hinweg unbemerkt gut 83.000 Liter hoch radioaktiver Flüssigkeit ausgetreten, berichtete der „Independent on Sunday“.

Der Unfall sei auf eine Verkettung „technischen und menschlichen Versagens“ zurückzuführen. Die Betreibergesellschaft British Nuclear Group habe eingestanden, dass Angestellte möglicherweise schon seit August vergangenen Jahres Anzeichen für das Leck übersehen hätten, berichtete die Sonntagszeitung.

Der Defekt sei erst Mitte April bemerkt worden; die Firma habe daraufhin mit einer Untersuchung des gesamten Leitungssystems begonnen. Auf ihrer siebenstufigen Skala für Atomunfälle habe die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) den Vorfall auf Rang drei eingestuft; den letzten Vorfall dieser Kategorie gab es in Großbritannien im Jahr 1992. Rang sieben ist für Katastrophen wie dem Unglück von Tschernobyl vorgesehen. Nach Einschätzung des „Independent on Sunday“ könnte der Vorfall von Sellafield Pläne der Regierung und der Energiebranche zum Bau neuer Atomkraftwerke in Großbritannien behindern.

Arbeiter in der an der Nordwestküste Englands gelegenen Anlage hätten nicht auf Anzeichen für ein Leck in dem schlecht konstruierten Rohr reagiert, hieß es in dem Zeitungsbericht. Durch das Leck waren 83.000 Liter Flüssigkeit mit Plutonium, Uran und Spaltprodukten in einen Tank geflossen. Laut „Independent on Sunday“ sollte am Montag damit begonnen werden, die Flüssigkeit in den Kreislauf der Wiederaufbereitungsanlage zurückzupumpen.

Der irische Umweltminister Dick Roche hatte am Freitagabend empört auf die Nachricht von dem Leck reagiert. Es handle sich um ein „weiteres vernichtendes Urteil“ über die Sicherheitsvorkehrungen in dem Werk. Die irische Regierung sei sehr besorgt angesichts der wiederholten Vorfälle in Sellafield und werde sich für eine „sichere und ordentliche Schließung“ des Werks einsetzen. Erst im Februar hatte ein Zeitungsbericht für Aufsehen gesorgt, wonach 30 Kilogramm Plutonium aus Sellafield verschwunden waren – genug für den Bau von sieben bis acht Atombomben. Die Betreibergesellschaft hatte dies mit „Buchhaltungsproblemen“ erklärt.

Sellafield gehört zu den ältesten nuklearen Anlagen der Welt. Umweltschützer beklagen die von dem Werk ausgehende Verschmutzung der Luft und der nahen Nordsee. Im September kündigte die EU-Kommission eine Klage gegen Großbritannien wegen Kontrollmängeln in der Atomanlage an. Sie warf dem Betreiber vor, Sicherheitsbestimmungen zu missachten. Dabei geht es um ein Abkühlbecken, in dem nach Auskunft von Umweltschützern radioaktives Material lagert. Laut britischen Medienberichten könnte bei ungünstiger Witterung radioaktives Wasser in die Umwelt gelangen. Brüssel fordert bereits seit Monaten uneingeschränkten Zugang für Sicherheitsinspektionen zu der Anlage und eine genaue Erfassung der gefährlichen Stoffe.

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