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Schuldzuweisungen am vierten Verhandlungstag

Der vierte Verhandlungstag des BAWAG-Prozesses war wieder von großer Hitze im Verhandlungssaal und ersten Schuldzuweisungen für die 1,4 Mrd. Euro betragenden "Karibik"-Verluste der BAWAG geprägt.

Der frühere BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger belastete Ex-BAWAG-Generaldirektor Helmut Elsner schwer. Elsner habe ihn nicht vollständig über die Sondergeschäfte mit Wolfgang Flöttl informiert, so der ehemalige ÖGB-Finanzreferent am Donnerstag.

Richterin Claudia Bandion-Ortner beendete die Verhandlung wegen der großen Hitze wieder zu Mittag. Zuvor hatte Elsner wegen gesundheitlicher Probleme eine Pause gebraucht, später erhielt er während der Verhandlung Sauerstoff. Im Großen Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht erreichte das Thermometer fast 30 Grad Lufttemperatur. Am Freitag ist verhandlungsfrei. Nächste Woche sollen ab Montag die ersten „Karibik-Geschäfte“ mit Flöttl bis 1994 und die Wiederaufnahme 1995 genauer untersucht werden.

Elsner-Anwalt Wolfgang Schubert will die Untersuchungshaft seines Mandanten weiter bekämpfen. Gegen den gestrigen Beschluss des Schöffengerichts, seinen Enthaftungsantrag abzulehnen, werde er zum Oberlandesgericht gehen und Beschwerde erheben, kündigte Schubert am Rande des BAWAG-Prozesses gegenüber der APA an.

Weninger brachte heute seinen Unmut über seinen früheren Generaldirektor zum Ausdruck: „Ich ärgere mich, weil mich der Herr Elsner nicht vollständig über die Einsätze (das Flöttl zur Verfügung gestellte Kapital, Anm.) informiert hat.“ Gleichzeitig habe Elsner in schriftlichen Unterlagen wider besseren Wissens den Eindruck erweckt, er, Weninger, habe Vorstandsentscheidungen mitgetragen. Weninger betonte, von der Wiederaufnahme der sogenannten „Sondergeschäfte“ der BAWAG mit Flöttl bis zum 26. Oktober 1998 offiziell nichts gewusst zu haben. Den Vorstandsbeschluss, weiter Geld nachzuschießen, um die verlorenen 639 Mio. US-Dollar (464 Mio. Euro) wettzumachen, habe er nur unter bestimmten Bedingungen gutgeheißen. Von den Verlusten in den Jahren 1999 und 2000 habe er erst Mitte Dezember 2000 erfahren.

Seine Entscheidung, den Aufsichtsrat nicht über das Ausmaß der Verluste informiert zu haben, bezeichnete Weninger als „eine wirklich große Gewissensfrage“. Aus Sorge, diese Information könnte in der Öffentlichkeit landen und damit der BAWAG weiteren Schaden zufügen, habe er „Dinge, die der Verschwiegenheit unterliegen“ für sich behalten. Weninger stützte sich dabei auf eine Bestimmung im Aktiengesetz, wonach dem Aufsichtsratsvorsitzenden ein Abwägungsrecht hinsichtlich seines Vorgehens zukomme, sollte das Bekanntwerden von bestimmten Informationen die Interessen der Bank gefährden.

Christian Büttner, ab Mai 1996 als Vertreter des Minderheitseigentümers Bayerische Landesbank (BayernLB) im BAWAG-Vorstand, schilderte seinen 1998 begonnen Widerstand und verteidigte sein Vorgehen. Trotz des „autoritären Führungsstils“ von Elsner sei er nach der Information über die ersten Flöttl-Verluste im Oktober 1998 als einziger im Vorstand für eine Beendigung der Geschäfte eingetreten, habe sich aber nicht durchsetzen können. „Sie haben sich nicht sehr wohl gefühlt, warum sind Sie bei der BAWAG geblieben?“, fragte die Richterin. „Wenn ich gegangen wäre, wäre auch das Wohl des Unternehmens gefährdet gewesen, weil dann wären Fragen aufgetaucht“, antwortete Büttner. Auf die Frage der Richterin, wer denn nun Schuld habe, meinte Büttner, für 1998 sei wohl „schlechtes Asset-Management“ verantwortlich. Dies gelte wohl auch für die zweite Verlustwelle. Im Jahr 2000 hätte es aber sieben Risikokategorien geben sollen, „aber alles wurde auf eine Karte gesetzt“. „Es ist für mich unklar, wie so etwas geschehen kann“.

Ex-BAWAG-Pressesprecher und ab 2003 auch Vorstandsmitglied Peter Nakowitz betonte, dass er von 1995 bis 2000 noch kein Entscheidungsträger in der BAWAG gewesen sei. „Gibt es irgendjemand, dem sie einen Vorwurf machen“, fragte die Richterin. Er wolle keine Schuldzuweisung machen, wies aber auf die Vereinbarung einer Strategie zwischen Flöttl und der BAWAG im Jahr 2000 hin. „Es war sicher nicht das Ziel, alles auf die Zinsentwicklung zu setzen“, belastete auch Nakowitz den Investmentbanker Flöttl.

Hubert Kreuch, von 1995 bis zum April 2006 Vorstandsmitglied der BAWAG, betonte dass er mit dem in die Spekulationsverluste involvierten Bereich der Bank, der die Investments auszuführen hatte, „nie etwas zu tun hatte“. Die Frage der Richterin, wer Schuld am „ganzen Desaster“ habe, wollte Kreuch nicht konkret beantworten: „Das ist wirklich schwer, es war eine Entwicklung“, so Kreuch, Er habe sich rechtlich nie etwas zu schulden kommen lassen. Er habe damals keinen Grund gehabt, etwas anderes zu tun, „weil ich ja keine Vorteile hatte“. Er habe die Bank und ihre Mitarbeiter nur schützen wollen, verteidigte sich der frühere langjährige BAWAG-Vorstand.

Ex-BAWAG-Vorstand Josef Schwarzecker sagte, er habe nach dem Schock im Jahr 2000 über die hohen Verluste aus der Bank ausscheiden wollen. Es sei ihm aber wegen der anstehenden Fusion mit der gekauften P.S.K. nahegelegt worden, weiterzuarbeiten. Der frühere BAWAG-Prüfer Robert Reiter, ehemals Senior Partner der KPMG Österreich, beantwortete die Frage der Richterin nach der Schuld zurückhaltend. „Ich tue mir da äußerst schwer, das sind Unternehmensentscheidungen, die man als Wirtschaftsprüfer zur Kenntnis zu nehmen hat“.

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