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Schlimme Erinnerung an 1985

Schwarzach - Jene Vorarlbergerin, die von Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil ebenfalls missbraucht worden sein soll, sprach gestern über den 24 Jahre zurückliegenden Fall mit dem aus Schruns stammenden ORF-Journalisten Christoph Feurstein.

Sommer 1985

Die aus dem Vorarlberger Rheintal stammende Frau ist heute 31 Jahre alt. Andrea L.‘s Eltern hatten, wie die „VN” berichteten, ein Ferienhaus in Strasshof. Ende der Sechzigerjahre zogen die Eltern von Andrea von Wien nach Vorarlberg, das Ferienhaus behielten sie. Im Sommer 1985 war Andrea L. wieder in Strasshof. Priklopil, damals 23 Jahre alt, wohnte fünf Minuten von dem Grundstück entfernt, auf dem die Vorarlbergerin gern spielte.
„Er kam auf mich zu, rief ,Hallo‘, ich drehte mich um und sah, dass ein Mann auf mich zukam”, schildert die Frau im „Thema”-Interview. „Er hat mir Haselnüsse geschenkt und so konnte er mich überreden, dass ich mich zu ihm ins Gras setzte.” Er habe der Kleinen erzählt, dass er keine Freunde hätte: „Da begann er mir leid zu tun. Er hat mich gezwungen, auf seinen Schoß zu sitzen. Er hat gesagt, ich darf mich nicht wehren, ich müsse die Augen schließen. Er hat mich ausgezogen.” Wie es gewesen sei, als L. im Sommer 2008 für die Anzeige an diesen Ort zurückgekommen sei, will Interviewer Feurstein von der Frau wissen: „Schrecklich, ich hab‘ zwei Stunden weinend draußen auf dem Brunnen verbracht, erst am Folgetag hatte ich den Mut, nach Deutsch-Wagram zu fahren.” Auf dem dortigen Polizeiposten zeigte sie die Tat an, nachdem sie Priklopil im Rahmen der Natascha-Berichterstattung wiedererkannt hatte.

Die „VN” sprachen mit Gerichtspsychiater Reinhard Haller: „Man muss diese Angaben sehr ernst nehmen. Die tatsächliche Prüfung nimmt aber sehr viel Zeit in Anspruch, ist aufwendig.” Der anerkannte Primar spricht aus Erfahrung, wenn er vorsichtig anmerkt, dass man immer ins Kalkül ziehen müsse, dass sich „Menschen im Schatten eines berühmten Verbrechens selbst in Szene setzen könnten. Denn die Erinnerung ist viel, viel schlechter, als wir alle meinen.” Wenn Medien stark über Natascha Kampuschs Entführung berichteten, wirke das stark suggestiv. „Vor allem Menschen, die in ähnlichen Situationen waren, können in der Therapie unter Umständen Erinnerungslücken mit falschen Erinnerungen auffüllen. Man spricht dann auch vom ,Syndrom der Falschen Erinnerung‘.” Immerhin liege die Anzahl von Falschanzeigen aufgrund des ,False Memory‘-Syndroms bei gut 50 Prozent. Aber: „Das ist insofern aber nicht ungefährlich, weil dabei manchmal wahre Spuren vernachlässigt werden.”

Keine Ermittlungen

Die Polizei hat die Anzeige aufgenommen, Tatortskizzen des längst verbauten Geländes angefertigt. Ermittlungen laufen keine: Natascha-Kampusch-Entführer Wolfgang Priklopil hat sich das Leben genommen, zusätzlich ist der Fall verjährt. Andrea L.: „Ich weiß, was mir passiert ist, und dazu werd ich auch immer stehen. Ich hab ja auch Erinnerungen, wo Beweise sind, ja, es war diese Person, hundertprozentig.”

 

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