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Schieflage bei Jugend: 3.800 NEETs in Salzburg

AK-Direktor Gerhard Schmidt, Univ.-Prof. Dr. Johann Bacher (Universität Linz), Dr. Gernot Filipp (Landesstatistik Salzburg) sowie Mag.a Hilla Lindhuber (Leiterin AK-Bildung, Jugend und Kultur).
AK-Direktor Gerhard Schmidt, Univ.-Prof. Dr. Johann Bacher (Universität Linz), Dr. Gernot Filipp (Landesstatistik Salzburg) sowie Mag.a Hilla Lindhuber (Leiterin AK-Bildung, Jugend und Kultur). ©Arbeiterkammer Salzburg
Bei einem Vortrag der Arbeiterkammer Salzburg wurden erstmals konkrete Salzburgzahlen zur Lage von Jugendlichen in Salzburg präsentiert: 3.800 von ihnen sind ohne Ausbildung, Job oder Schulung. Das ist zwar die niedrigste Rate in Österreich. Die AK sieht trotzdem dringenden Handlungsbedarf.

Die Arbeiterkammer Salzburg hat am Dienstagnachmittag eine Veranstaltung zum Thema NEETs* abgehalten. Mit besonderer Spannung wurden die beiden Vorträge von Univ.-Prof. Dr. Johann Bacher (Universität Linz) und Dr. Gernot Filipp (Landesstatistik Salzburg) erwartet. Sie präsentierten erstmals konkrete Salzburg-Zahlen: Im Bundesland sind zumindest 3.800 Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahren ohne Ausbildung, Beschäftigung oder Schulungsmaßnahme (gleichbedeutend mit NEET: “Not in Education, Employment or Training”). Die Salzburgerin Claudia Wiesinger (Name verändert) war jahrelang eine von ihnen, bevor sie sich aufraffte und einen Neustart wagte. „Unsere Jugend ist unsere Zukunft. Umso mehr müssen wir darauf achten, dass es den Jugendlichen in Salzburg gut geht und ihnen alle Türen für ein erfülltes Leben offen stehen. Und dabei nimmt Bildung eine wichtige Rolle ein“, sagt AK-Direktor Gerhard Schmidt in einer Aussendung.

Jugendliche Frauen sind beosnders betroffen./APA/Fohringer.
Jugendliche Frauen sind beosnders betroffen./APA/Fohringer. ©Jugendliche Frauen sind beosnders betroffen./APA/Fohringer.

So sieht das Leben einer NEET aus

Es ist 5:30 Uhr morgens. Während andere noch tief und fest schlafen, ist die 22-jährige Claudia Wiesinger am Weg in die Arbeit. Ihre Schicht im Seniorenheim beginnt um 6:00 Uhr. Trotz der frühmorgendlichen Stunden, wirkt die junge Salzburgerin sichtlich zufrieden – sie freut sich auf den bevorstehenden Arbeitstag.

Das war nicht immer so: Claudia führte jahrelang das Leben eines klassischen NEET. Anstatt Schule, Uni oder Job war ihr Alltag von Nichtstun geprägt. Ihre Perspektivlosigkeit wurde durch finanzielle Sorgen und gesundheitliche Probleme noch weiter verschärft.

Von einen auf den anderen Tag zog sie einen Schlussstrich unter ihr bisheriges Leben. Sie raffte sich auf und wandte sich an das Salzburger Jugendcoaching-Projekt (NEBA). Helga Gschwandtner (Leiterin des Jugendcoachings) verhalf Claudia zu einem Praktikum im Seniorenheim. Mit viel Fleiß und Engagement machte die junge Salzburgerin bei der Heimleitung auf sich aufmerksam. Am Ende des Praktikums wurde ihr eine Ausbildungsstelle zur Pflegehelferin angeboten. Der Start in ein neues Leben.

Salzburg: Geringste NEET-Rate in Österreich

Claudia Wiesinger ist kein Einzelfall. Laut einer Studie von Prof. Dr. Johann Bacher (Kepler Universität Linz) zeigt sich: In Salzburg gibt es zumindest 3.800 jugendliche NEETs. Damit liegt in Salzburg der Anteil bei 5,9 Prozent und ist einer der niedrigeren Werte im Bundesländer-Vergleich.

Bildungsabbruch als gemeinsamer Nenner

Bildung nimmt in der NEET-Problematik einen zentralen Stellenwert ein. Die Hälfte der Jugendlichen gilt als „early school leavers“ – frühzeitige Schulabbrecher. Wie eine Studie der Landesstatistik Salzburg, unter der Leitung von Dr. Gernot Filipp, zeigt, können 50 Prozent der Salzburger NEETs lediglich einen Pflichtschulabschluss vorweisen. Auch hier zeigt sich: Ausländische Jugendliche brechen häufiger die Schule ab. Knapp 38,8 Prozent schließen nicht die Sekundarstufe II ab. Bei den österreichischen Jugendlichen beträgt der Anteil 12,7 Prozent.

„Für die Reduzierung der NEET-Rate wird es von größter Wichtigkeit sein, die Schüler zu motivieren, nicht frühzeitig die Schule abzubrechen“, so Bacher und Filipp unisono.

NEET: Phänomen ist Innergebirg am deutlichsten

Wenn man das Bundesland Salzburg genauer unter die Lupe nimmt, dann zeigt sich: Die NEET-Rate in der Stadt Salzburg ist am höchsten (19,3 Prozent) und im Lungau mit 8,7 Prozent am niedrigsten.

Es gibt mehr weibliche als männliche NEETs. Die Anzahl der männlichen und weiblichen NEETs halten sich bei den Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren noch die Waage. Erst bei den 20-Jährigen verschiebt sich das Verhältnis in Richtung Frauen. Die Anzahl der nicht-erwerbstätigen Frauen (20-24 Jahre) beträgt 18 Prozent – die der Männer in der Altersgruppe 14 Prozent.

„In der Studie wurden auch geographische Besonderheiten sichtbar: Der Frauenanteil der NEETs ist Innergebirg größer. Im Gegensatz zum restlichen Bundesland ist die Stadt Salzburg das einzige Gebiet, wo die männlichen NEETs überwiegen“, erklärt Filip. Er sieht einen Grund dafür in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Etwa die Hälfte der weiblichen NEETs sind Mütter. Aufgrund der geringen Kinderbetreuungsplätze am Land, sind sie möglicherweise gezwungen, zuhause zu bleiben. So lassen sich Beruf und Familie nur schwer vereinbaren – was zu einem Anstieg der NEET-Rate führt.

Bildungsabbruch stoppen

Die Arbeiterkammer Salzburg setzt sich schon seit Jahren für Salzburgs NEETs ein. Hilla Lindhuber, Leiterin der AK-Abteilung Bildung Jugend und Kultur: „Das oberste Ziel muss sein: Den frühzeitigen Bildungsabbruch von Jugendlichen zu stoppen. Es darf kein Talent auf der Strecke bleiben. Wir fordern daher ein präventives Programm gegen Schulabbruch. Das österreichische Schulsystem selektiert – im Gegensatz zu anderen Ländern – stark, daher bedarf es Maßnahmen, um dieser Selektivität entgegenzuwirken und das Schulsystem sozial gerechter zu machen“, erklärt die AK-Expertin.

Die AK Salzburg fordert:

  • Ausbau von Ganztagsschulen mit qualitativer Betreuung und Förderung
  • Vermeidung von Schnittstellen durch eine gemeinsame Schule
  • Bei der Mittelzuteilung für Schulen soll es mehr Budget für jene mit sozial benachteiligten Schülern geben
  • Individuelle Förderung und sozialpädagogische Betreuung
  • Innovative Projekte wie das „Jugendcoaching“ sollen weiter ausgebaut werden
  • Gute Erfahrungen zur Vermeidung von Schulabbruch hat man in Salzburg mit Pilotprojekten „Schulsozialarbeit“ gemacht. Eine wichtige und effektive Maßnahme zur Vermeidung von Schulabbruch ist der Ausbau dieser Schulsozialarbeit.
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