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Schani, vergiss den Garten

Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber.
Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/ROLAND SCHLAGER
GASTKOMMENTAR VON JOHANNES HUBER. Nicht auszuschließen, dass die dritte Infektionswelle die schlimmste wird. Zumal sie von der Politik befeuert wird.

Peter Klimek, Komplexitätsforscher an der MedUni Wien, hat’s eh schon gesagt: Wir sind schon wieder so weit, dass ein Lockdown fällig wäre. Mehr als im Herbst ziert sich die Politik jedoch: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schreckt vor Unpopulärem zurück und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) zögert. Genau das ist laut dem IHS-Gesundheitsökonomen Thomas Czypionka jedoch die schlechteste Option; durch Nichtstun wird alles nur noch schlimmer.

Die Zahlen sprechen für sich: Wenn in Wien weiter so viele Corona-Patienten ins Spital gebracht werden müssen wie in den vergangenen Tagen, dann befinden sich dort bald so viele wie noch nie in dieser Pandemie. Ein Frühindikator macht diesbezüglich wenig Hoffnung; es gibt immer mehr bestätigte Neuinfektionen. 

Das Problem ist, dass noch viel zu wenig Menschen geimpft sind. Und dass eine Ansteckung mit der „britischen“ Virusvariante eher ins Spital führt als mit einer herkömmlichen. Einer dänischen Untersuchung zufolge ist die Wahrscheinlichkeit um rund 60 Prozent größer. Unterm Strich führt das dazu, dass diese Infektionswelle kaum weniger schwerwiegende Folgen haben könnte als die letzte. In Tschechien werden gerade ähnlich viele Todesfälle beklagt. 

Als wäre all das nicht genug, kommen verhängnisvolle Beiträge der Politik dazu. Sie bringt keine Kraft mehr auf, einen neuerlichen Lockdown zu verhängen. Dafür kann, ja muss man Verständnis haben: Nicht nur der Widerstand ist groß und zum Teil gewalttätig worden, ganz generell hat auch die Disziplin nachgelassen. Wer bleibt schon noch zu Hause oder verzichtet wirklich konsequent darauf, Freunde und Angehörige zu treffen? Genau diese Disziplin war jedoch ein Schlüssel zum Erfolg vor genau einem Jahr: Nach wenigen Wochen war das Ärgste vorbei. Aber das lässt sich nicht mehr  wiederholen; irgendwann geht die Kraft aus, sind nicht zuletzt auch die psychischen „Nebenwirkungen“ verheerend. 

Der Vorwurf an die Politik ist ein ganz anderer: Anstatt unter all diesen Umständen wenigstens stillzuhalten, kommt sie mit unzähligen Verheißungen daher: Kurz redet unentwegt von der Normalität im Sommer oder dem „grünen Pass“, der Freiheiten bringen soll. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) beschäftigt sich seit Wochen (gefühlt) ausschließlich mit der Frage, wann, wo und wie Schanigärten öffnen könnten. 

Der Effekt ist katastrophal: Bei solchen Signalen beginnt man zu vergessen, dass Corona noch immer sehr gefährlich ist, wird man ein weiteres Stück leichtfertiger und so weiter und so fort. Sprich: Man wird noch viel mehr zum potenziellen Treiber des Infektionsgeschehens.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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