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Salzburger Festspiele: Film, Macht und Pathos in Starbesetzung

Pathetische Huldigung absoluter Macht. Klang-Hymnen auf Waffen und Rüstung, Gleichschritt und Feldzüge. Verherrlichung eines imperialistischen Alleinherrschers. Das sind die Botschaften des Oratoriums "Iwan der Schreckliche" von Sergej Prokofjew, die Sonntagvormittag im dritten Orchesterkonzert der Wiener Philharmoniker bei den Salzburger Festspielen verkündet worden sind.
Depardieu und die Wiener Philharmoniker
Festspiel-Auffahrt zu Wiener Philharmoniker
Doch der Glamour-Faktor dieser Matinee nahm allen politischen Einwänden den Wind aus den Segeln, und die hervorragende Qualität der Sprecher Gerard Depardieu und “Kommissar” Jan Josef Liefers sowie der Philharmoniker und des Staatsopernchores unter Riccardo Muti verhalf diesem grandiosen Stück Staats-Kitsch zu andauerndem Jubel.

Eigentlich hat Sergej Prokofjew (1891-1953) die Musik für Sergej Eisensteins Historien-Film “Iwan der Schreckliche” (erster Zar Russlands und Terror-Herrscher 1530-1584) geschrieben. Den ersten von drei Filmteilen verwendete Stalin als Kriegspropaganda und Legitimation seiner eigenen Schreckensherrschaft, den zweiten lehnte er wegen “historischer Unkenntnis” ab, und der dritte blieb unvollendet. Prokofjew ließ seine Filmmusik-Partitur in den Schubladen verschwinden, und erst neun Jahre nach seinem Tod stellte Dirigent Abram Stassewitsch eine Fassung für die Konzertbühne her. Der extrem pathetische, wuchtig-heroische Klang dieser Musik soll, so die Kritiker seit der Uraufführung, in diesem Oratorium deutlich ausgeprägter sein, als im Film.

Tatsächlich ist diese Musik ausdrucksstark bildreich, aber kompositorisch eindimensional und flach. Als Filmmusik großartig illustrierend, aber als Konzertmusik durchaus banal. Trotzdem: Eine musikalisch spannende (Einmal-)Begegnung, für die die Festspiele eine überaus prominente Besetzung zusammengetrommelt haben.

Gerard Depardieu, offensichtlicher Genussmensch und Kino-Weltstar, gab den einen, TV-Kommissar und deutscher Theater-Schauspieler Jan Josef Liefers den anderen Sprecher. Beide deklamierten auf Russisch – laut und inbrünstig wie bei einem Krönungsritual oder einer religiösen Verkündigungszeremonie. Fantastische, von Lautsprechern getragene Stimmen und ein Hauch von großer weiter Welt im Festspielhaus.

Mehr als vor zwei Wochen in der Gluckoper (und allen anderen in Salzburg präsentierten Bühnenwerken des 18. Jahrhunderts) trug Riccardo Muti zum Gelingen dieser eigenartigen Matinee bei. In dem erst rund 60 Jahre alten Prokofjew erwies sich der Neapolitaner mit fanatischem Fankreis als souveräner Koordinator. Umsichtig lenkte Muti diese Riesen-Kiste für großen Chor, Kinderchor, das reich mit effektvollen Schlaginstrumenten und großem Bläser- und Streicherkörper bestückte Orchester sowie die zwei Solisten. Mezzo Olga Borodina mit wehmütigem Russen-Blues in der Stimme, Bassist Ildar Abdrazakov, die hochkonzentrierten Philharmoniker, der Chor mit seinen göttlich zarten Piani – allesamt agierten auf hohem musikalischem Niveau und verhalfen diesem Werk zu einem Erfolg.

(Von Christoph Lindenbauer/APA)
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