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Richtung Lockdown

Ist Österreich am Weg zu einem neuen Lockdown?
Ist Österreich am Weg zu einem neuen Lockdown? ©REUTERS/Leonhard Foeger/File Photo
Gastkommentar von Johannes Huber. Die nächste Welle kommt mit rasender Geschwindigkeit daher. Und es sind viel zu wenige Menschen geimpft.

Vielleicht sollte der ÖVP-Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger endlich aufhören mit seinen unsäglichen Presseauftritten. Der politischen Kultur würde es guttun. Vor allem aber hätte Hanger viel Besseres zu tun. Er sollte Basis- bzw. Überzeugungsarbeit leisten. Sofern es nicht schon zu spät ist: In seiner Heimatgemeinte Ybbsitz (NÖ) haben sich noch keine 50 Prozent der Menschen vollständig impfen lassen. Laut Gesundheitsministerium handelt es sich um 47,9 Prozent, um genau zu sein (Datenstand: 20. Oktober). Das sind sogar noch weniger als in Lettland (50,7 Prozent). Dort sieht man, wozu das beiträgt: Das Land hat sich gerade für vier Wochen in einen Lockdown mit umfassenden Beschränkungen und einer nächtlichen Ausgangssperre begeben. Wieder einmal ist die Lage außer Kontrolle geraten.

Auch Österreich bewegt sich in diese Richtung: Das Infektionsgeschehen hatte sich zuletzt zwar stabilisiert, aber auf einem sehr hohen Niveau. Auch die Auslastung der Spitäler blieb alles andere als normal. Jetzt steigt die Zahl der Infektionen wieder stark an – und alles weitere ist vorprogrammiert: Mehr oder weniger Leute werden schwer erkranken und intensivmedizinisch behandelt werden müssen. Wegen der bescheidenen Impfquote werden es eher mehr sein. Wobei alles relativ ist: Bei einer großen Grundgesamtheit reicht schon ein verschwindend kleiner Bruchteil aus, um die Spitäler zu überlasten.

Dies ist keine Beschimpfung von Menschen, die sich noch immer nicht impfen lassen haben. Es ist eher eine Anklage der Politik: Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat fahrlässig früh von einem Licht am Ende des Tunnels und davon gesprochen, dass die Pandemie für Geimpfte vorbei sei, also nur noch Ungeimpfte betroffen sein würden. Das war dazu angetan, bei ersteren Sorglosigkeit und bei zweiteren Abwehr oder Angst auszulösen. Es war alles andere als motivierend, sich piksen zu lassen.

Das Problem ist, dass alle Hinweise von Verhaltensökonomen und anderen Experten ignoriert wurden, eine wirkungsvolle Impfkampagne zu starten. Beziehungsweise zunächst einmal zu untersuchen, was die Leute wirklich bewegt. Das sind ja nicht alles Verschwörungstheoretiker und Regierungsgegner, die demonstrativ nicht tun, worum sie von Leute wie (bisher) Kurz gebeten werden. Das kleine Lichtenstein hat sich diese Arbeit angetan und 5000 von 40.000 Einwohnern befragt. Viele zweifeln schlicht, dass Impfstoffe ausreichend erprobt sind und auch wirken. Darüber kann man sich wundern. Andererseits lässt sich der eine oder andere vielleicht überzeugen. Zum Beispiel durch eine Vertrauensperson wie den Hausarzt.

Eine solche Impfkampagne wurde nicht einmal nach dem Sommer gestartet, als klar war, dass sich auch im Anschluss an die Urlaubszeit kaum noch Leute impfen lassen. Das wurde schlicht ignoriert. Kein Wunder: Diverse Affären sorgten für eine nur noch begrenzt handlungsfähige Politik.

Freilich: Eigenverantwortung könnte Abhilfe schaffen. Wo der Staat mit „Koste es, was es wolle“, Gratis-Tests und einer uneingeschränkten Spitalsbehandlung auf Weltklasseniveau, die ihren Wert hat, eine Vollkasko-Mentalität fördert, muss man jedoch nicht mit Eigenverantwortung daherkommen; die hat man eher ausgetrieben.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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