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Untersberg: Dramatischer Rettungseinsatz beginnt

Rund 200 Einsatzkräfte sind an der Rettung beteiligt.
Rund 200 Einsatzkräfte sind an der Rettung beteiligt. ©BRK
In 1.000 Metern Tiefe liegt in der Riesending-Schachthöhle im Untersberg bei Berchtesgaden schwer verletzt ein renommierter Höhlenforscher, er hat die Höhle mitentdeckt. Rettungsteams haben ihn erreicht. Aber er ist nicht transportfähig. Vier Schweizer Experten sind auf dem Weg zu dem Mann.
Einsatz am Untersberg, I
Einsatz am Untersberg, II
Einsatz am Untersberg III
Einsatz am Untersberg, IV

Es war Helfern zwar am Montag erstmals gelungen, den 52-Jährigen in der Schachthöhle im Untersberg zu erreichen. Der Verletzte ist nach Auskunft von Polizei und Bergwacht jedoch nicht transportfähig. Am Montagabend waren die Experten aus der Schweiz in die Höhle eingestiegen. Sie sind auf die Rettung aus Schächten spezialisiert. Bei ihnen handle es sich um “vier absolute Profis”, sagte Stefan Schneider von der Bergwacht Bayern am Abend bei einer Pressekonferenz in Marktschellenberg.

Verletzter sitzt im Untersberg fest

Rund 200 Helfer sind zum Untersberg angereist. Unter ihnen sind allein um die 80 spezialisierte Höhlenretter der Bergwacht aus Rosenheim, Garmisch-Partenkirchen, Murnau, Freilassing sowie ihre Kollegen aus Salzburg. Sie sitzen auf einer Wiese bei Marktschellenberg in den Berchtesgadener Alpen in der gleißenden Sonne – und können nichts tun für den Schwerverletzten, der ein paar Kilometer weiter in knapp 1.000 Metern Tiefe in der Riesending-Schachthöhle festsitzt. “Er ist ansprechbar, aber es geht ihm nicht gut”, heißt es bei der Bergwacht.

Rettung ist extrem schwierig

Die Sorge ist groß – die Rettung ist extrem schwierig. Es ist die tiefste und längste Höhle Deutschlands. Das gigantische Gangsystem umfasst eine Länge von 19,2 Kilometern und ist 1148 Meter tief. Zwölf Retter stiegen am Montag in die Höhle – für mehr ist in den engen Schächten gar kein Platz, und nur die besten wagen überhaupt den Abstieg. So hocken die anderen oben und warten, Stunde um Stunde, auf neue Nachrichten aus dem Innern des Berges.

Helfer erreichen Verletzten

Am Montagvormittag die Meldung, die Retter hätten den Verletzten erreicht. Wenig später die Auskunft, der Arzt habe nicht bis zu ihm vordringen können. Nun ruhen die Hoffnungen auf Experten aus der Schweiz. Sie wurden am Montag eingeflogen und starteten noch am Abend zu dem Verunglückten. Sie seien “vier absolute Profis”, verspricht Stefan Schneider von der Bergwacht Bayern bei einer Pressekonferenz in Marktschellenberg.

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Höhlenforscher von Stein getroffen

Der verletzte 52-Jährige aus dem Raum Stuttgart ist ein erfahrener Höhlenforscher, Mitentdecker der Höhle und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt, die die Höhle seit 2002 erforscht. Zusammen mit zwei Begleitern wollte er am Pfingstwochenende die wenig erforschte Höhle weiter erkunden. Am frühen Sonntagmorgen gegen 1.30 Uhr überrascht ein Steinschlag die Männer. Ein Stein trifft den 52-Jährigen am Kopf. Auch der Helm kann den Schlag nicht abfangen. Der Mann erleidet Verletzungen an Kopf und Oberkörper.

“Sie kannten die Höhle”, sagt Bärbel Vogel, Vorsitzende des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher. Die drei zählten zu einer Stammgruppe, die immer wieder in die Riesending-Schachthöhle einstieg, um sie zu erforschen. “Für diese Höhle gibt es keinen erfahreneren Forscher als ihn”, sagte der Einsatzleiter der Höhlenrettung Baden-Württemberg Matthias Leyk. “Ich bin besorgt, das ist sicherlich ein ganz schwierige Situation.”

Das trockene Wetter an Pfingsten schien optimal für den Abstieg in das verzweigte Höhlensystem. Denn auch unter der Erde kann starker Regen gefährlich sein – wenn er in den Schächten Wassereinbrüche auslöst.

Untersberg: Vorbereitungen zur Bergung

Mittlerweile ist alles für die Bergung vorbereitet: Helfer legten Seile und ein Kabel für eine Telefonverbindung zumindest bis auf 350 Meter in die Tiefe. Außerdem richteten sie vier Biwaks ein – denn wenn die Retter den Verletzten nach oben schaffen wollen, brauchen sie Rastpunkte. Nahrungsmittel und Wasser wurden in die Tiefe gebracht.

“Es ist extrem schwierig. Es sind nur sehr wenige Spezialisten, die überhaupt in diese Tiefen vordringen können. Die Höhle ist sehr, sehr schwierig”, sagt Bergwacht-Vertreter Stefan Schneider.

Extreme körperliche und psychische Herausforderung

Gleich am Einstieg muss über 300 Meter senkrecht in die Tiefe abgeseilt werden, ähnlich geht es bis in 1000 Meter Tiefe weiter. Danach müssen die Forscher aus eigener Kraft am Seil wieder hochsteigen. “Es ist eine extreme körperliche und psychische Herausforderung.” Der Arzt habe auf der Strecke erschöpft Pause machen müssen, am Abend hatten die Verantwortlichen keinen Kontakt zu ihm. “Es gibt überhaupt nur ganz wenig Ärzte, die in eine solche Höhle kommen.”

Lange Schachtpassagen, enge Stellen, durch die man sich gerade so durchzwängen kann – schon ein gesunder, trainierter und erfahrener Höhlenforscher braucht von der Unglücksstelle im besten Fall zwölf Stunden bis ans Tageslicht.

Verletzter muss im Untersberg ausharren

Wie lange der Verletzte noch ausharren muss, ist offen. “Der Mann liegt Gottseidank eben, trocken und windstill”, sagt Schneider. Denn auch in der Tiefe kann Zug entstehen. Es drohe aber unter anderem Unterkühlung. Unten im Berg hat es nur zwischen 1,5 und fünf Grad. Und alle dort unten, auch die Retter, sind ständig von neuem Steinschlag bedroht. “Sie sind einer erheblichen Gefahr ausgesetzt.”

Das Bangen und Hoffen geht weiter, aber vor allem das Warten. Denn wenn das neue Team erst einmal eingestiegen ist, dauert es bis zum Verletzten wiederum zwölf Stunden – “wenn sie schnell sind”, sagt Schneider. Ein Ende der Aktion ist also nicht absehbar. “Es wird Tage dauern.” Vielleicht auch eine Woche. (APA)

 

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