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Regierung fordert "digitales Vermummungsverbot" gegen Hass im Netz

Die Regierung möchte nun ein sogenanntes "digitales Vermummungsverbot" einführen.
Die Regierung möchte nun ein sogenanntes "digitales Vermummungsverbot" einführen. ©APA/Helmut Fohringer (Symbolbild)
Die Regierung möchte nun, im Zuge der Diskussionen rund um das Thema "Hass im Netz", auf ein sogenanntes "digitales Vermummungsverbot" setzen.

Damit soll es zwar weiter möglich sein, sich anonym im Internet zu äußern, bei Straftaten sollen aber die Behörden auf die Namen der Verdächtigen zugreifen können, erklärte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nach einem Gipfel mit Betroffenen. Auf eine Klarnamen-Pflicht verzichtet die Regierung damit. Wie Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) betonte, sei durch diese in anderen Ländern der Hass im Netz nicht zurückgedrängt worden.

Wie das “digitale Vermummungsverbot” genau umgesetzt werden soll, ließ die Regierung am Dienstag noch offen. Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) stellte aber klar, dass auch große US-Konzerne nicht ausgenommen sein würden.

Umsetzung des “digitalen Vermummungsverbot” noch unklar

Die Idee hinter dem ganzen sei, dass jemand, der Unrecht begehe, nicht mehr die Möglichkeit haben dürfe, sich in der Anonymität des Internet zu verstecken, betonte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Derzeit sei es so, dass in der realen Welt der Umgang miteinander ganz gut funktioniere, in der digitalen Welt es aber zu immer mehr Grenzüberschreitungen komme.

So sieht das auch Vizekanzler Strache, der daran erinnerte, dass auch er und Kurz bzw. deren Familien schon Opfer von Hasspostings geworden seien. Hervorgehoben wurde vom FPÖ-Chef speziell, dass Frauen auch im Netz kein Freiwild sein dürften.

Opfer solcher “Shitstorms” waren auch bei der Veranstaltung, die sich auf Beamten- und Expertenebene noch bis in den Nachmittag erstreckt, darunter die Moderatorinnen Verena Schneider (Puls 4) und Elke Rock (Ö3). Dazu von der Regierung geladen waren etwa Verena Fabris, Leiterin der Beratungsstelle Extremismus und der Medienrechtsexperte Christoph Völk.

Arbeitsgruppen für “digitales Vermummungsverbot” gegen Hass im Netz

Wie Kurz betonte, war die heutige Veranstaltung bloß ein Auftakt. In den kommenden Wochen wird eine Arbeitsgruppe auch legistische Maßnahmen ausarbeiten. Zudem gibt es bereits am Mittwoch eine Webadresse im Bundeskanzleramt, wo die Beratungsangebote zu Hass im Netz zusammengeführt werden.

Am Rande Thema war der Fall Sigrid Maurer. Die ehemalige Grünen-Abgeordnete war ja erstinstanzlich verurteilt worden, nachdem sie einen mutmaßlichen Belästiger im Internet geoutet hatten, der sich freilich unschuldig bekannte. Strache meinte darauf angesprochen, dass Maurer damals die falsche Vorgangsweise gewählt habe, statt zu Gericht zu gehen jemanden im Internet vorzuverurteilen. Um solche Fälle zu vermeiden, setze man schon in Schulen immer verstärkter auf Information, wie man in solchen Fällen richtig reagieren sollte.

Während der Verband österreichischer Zeitungen die Initiative der Regierung bezüglich eines “digitalen Vermummungsverbots” begrüßt, steigen die Provider auf die Barrikaden. Deren Vertretung ISPA warnt vor einer Einschränkung der Meinungsfreiheit und -vielfalt.

ISPA warnt vor Einschränkung der Meinungsfreiheit

In einer Aussendung ist die Rede von reiner Symbolpolitik, die an den wahren Problemen völlig vorbeigehe. Es handle sich praktisch um eine Klarnamenpflicht. Dabei sei es für politisch Verfolgte aber auch für viele muslimische Mädchen oft nur im Schutz der absoluten Anonymität möglich, in sozialen Medien aktiv zu sein.

Ganz anders die Einschätzung des VÖZ: Dessen Präsident Markus Mair nannte die geplante “De-Anonymisierung” einen gangbaren Weg, um der zunehmenden Verschärfung des Meinungsklimas im Netz entgegenzuwirken. Auch sei es positiv, dass laut der Bundesregierung gleichzeitig an schärferen Strafgesetzen für Online-Entgleisungen gearbeitet werde.

Kritik auch von Seiten der IT-Journalistin Ingrid Brodnig

Die IT-Journalistin Ingrid Brodnig kritisiert die Pläne der Regierung bezüglich eines “digitalen Vermummungsverbots”. In einem Blog-Beitrag verweist sie auf das Beispiel Südkorea, wo eine entsprechende Regelung gescheitert sei. Brodnig war heute als Expertin zum Regierungsgipfel geladen. Für Brodnig ist es ein “Irrschluss”, dass das Problem des Hasses im Netz gelöst werden kann, indem die Anonymität eingeschränkt wird: “Die Gefahr ist, dass hier bürgerliche Freiheiten stark eingeschränkt werden.”

In Südkorea seien zwar am Beginn der Neuregelung die Beschimpfungen im Internet zurückgegangen, bald darauf sei der Ton aber wieder härter geworden. Und es sei rasch ein neues Problem hinzu gekommen: Hacker drangen in die Server zweier wichtiger Online-Medien ein und stahlen die privaten Daten von 35 Millionen Südkoreanern, also 70 Prozent der Bevölkerung. Letztlich hob der südkoreanische Verfassungsgerichtshof das Identifikationsgesetz, das die Registrierung vorsah, wieder auf.

Sigrid Maurer sieht ihren eigenen Fall von der Regierung missbraucht

Die frühere Grün-Politikerin Sigrid Maurer sah indes ihren eigenen Fall von der Regierung missbraucht, um die Freiheit im Netz zu beschränken. Maurer war erstinstanzlich verurteilt worden, weil sie den Namen eines vermeintlichen Belästigers öffentlich gemacht hatte. Die Ex-Mandatarin verweist nun in einem Mail an die APA darauf, dass auch bei ihr der Vorfall mit Klarnamen geschehen sei. So bringe die Regierung nicht Hilfe für Betroffene sondern eine massive Gefährdung des Datenschutzes.

Kritik von Seiten der NEOS und SPÖ

Lindner hält es zwar für “keine schlechte Idee”, dass sich die Regierung “in einem einstündigen Termin von ExpertInnen Tipps” holt. “Den Herausforderungen, vor denen wir in diesem wichtigen Bereich stehen, wird das aber nicht einmal ansatzweise gerecht”, meinte der SP-Abgeordnete. Er verwies auf ein “detailliertes ExpertInnen-Grünbuch” mit dem Titel “Digitale Courage”, das aus einer Initiative des Bundesrates um Jahr 2016 unter seiner Präsidentschaft hervorgegangen war. Wenn es sich bei der Initiative der Regierung “um mehr handeln soll, als eine müde Reaktion auf aktuelle Debatten, dann kann diese Regierung schon lange auf konkrete, ausführliche Vorschläge zurückgreifen”, sagte er.

Kritik übte Lindner auch an der Einladungspolitik von ÖVP und FPÖ: “Es gibt zahlreiche NGOs, ExpertInnen und PolitikerInnen, die seit Jahren intensiv an dieser Thematik arbeiten. Wenn die Regierung ihr Vorgehen ernst meinen würde, dann müsste sie diese einbeziehen, statt einen ‘Gipfel’ hinter verschlossenen Türen, dafür aber mit vielen Kameras abzuhalten.”

(APA/Red)

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