Warum das so ist, wollten die Grünen am Freitag bei einer Enquete in Wien herausfinden.
Mehr Anzeigen, wenig Verurteilungen
Die steigende Anzeigenzahl ist aber nur ein Teil des Problems. Denn dem gegenüber steht laut Steinhauser eine exorbitant geringe Verurteilungsquote: Nur etwa fünf Prozent der Anzeigen nach dem Verbotsgesetz münden auch in einer gerichtlichen Verurteilung. Bei den Anzeigen nach dem Verhetzungsparagrafen sind es gar nur drei Prozent. Zum Vergleich: Insgesamt enden dem Grünen Justizsprecher zufolge 20 Prozent aller Strafanzeigen auch mit einer Verurteilung.
Die steigende Anzeigenzahl ist noch relativ leicht zu erklären: Die Gesellschaft ist wesentlich sensibilisierter geworden. Dass die Verurteilungen mit dem nicht Schritt halten, könnte hingegen mehrere Gründe haben. Einer davon ist der Verhetzungsparagraf, dessen Reformierung bereits geplant ist. Mehrere Enquete-Teilnehmer orteten aber auch bei der Polizei nicht immer den größten Verfolgungseifer. In Salzburg etwa hätte die Behörde ein halbes oder dreiviertel Jahr “zugeschaut, wie ein Neonazi-Lokal entstanden ist”, sagte Ex-Nationalratsabgeordneter Karl Öllinger, der die Plattform “Stoppt die Rechten” betreibt. Als ein anderes Beispiel führte Steinhauser die Pegida-Demo in Wien Anfang Februar an.
Definition von Rechtsextremismus
Während sich in den vergangenen Jahren bei den Definitionsgrundlagen für Rechtsextremismus wenig geändert hat, geht die Szene bei ihren Rekrutierungsmethoden ganz anders vor: “Das Internet und die sozialen Netzwerke haben mittlerweile alle anderen Rekrutierungsformen um Längen abgehängt”, sagte Öllinger. Dabei wiederum haben Kommunikationsplattformen wie Facebook die klassischen Neonazi-Homepages völlig verdrängt. “Alpen-Donau.info”, “Thiazi-Net” und ähnliche Webseiten seien weg. “Es gibt eine Entgrenzung des rechtsextremen Milieus über soziale Netzwerke”, erläuterte Öllinger.
Dabei haben klassische Symbole, vom Hakenkreuz angefangen, ihre Bedeutung verloren. Die Szene setzt auf eine Emotionalisierung. Als Beispiel nannte der Ex-Mandatar “Neonazis gegen Kinderschänder: Wer gibt da nicht ein Like?” Auch FPÖ-Chef Heinz Christian Strache poste immer öfter Nachrichten – Beispiel: eine Hinrichtung in einem muslimischen Land – auf seinem Facebook-Account, die er nur mit einem Zusatz a la “das ist interessant” oder etwas Ähnlichem versehe.
FPÖ laut Grünen nicht nur rechtspopulistisch
Apropos FPÖ: “Ich wünsche mir, dass die FPÖ wieder als das bezeichnet wird, was sie ist: nämlich rechtsextrem”, sagte Andreas Peham, Rechtsextremismus-Experte des Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW). Er kritisierte das Attribut “rechtspopulistisch” in Zusammenhang mit der FPÖ. Für eine Klassifizierung als “rechtsextrem” gebe es zumindest zwei Grundbedingungen: erstens die Behauptung einer natürlichen Ungleichheit. Gegenüber konservativen Strömungen ersetzen Rechtsextreme etwa Gott durch die Natur als letzte unwiderlegbare Instanz. Emanzipation und demokratische Entwicklungen werden entsprechend als Widerspruch zur Natur dargestellt.
Zweitens sind für Rechtsextremisten Völker oder Volksgemeinschaften Subjekte der Geschichtsschreibung, nicht politische Gemeinschaften wie zum Beispiel Nationen. Interessen des Individuums werden gegenüber der Volksgemeinschaft hintangestellt, die Aggression des behauptet homogenen Volkes kann sich nur nach außen richten.
Gleichheit der Menschen abgelehnt
Laut Peham erfüllt die FPÖ zwar die Kriterien einer demokratischen Partei formal, nicht aber inhaltlich. So werde zum Beispiel die Gleichheit der Menschen abgelehnt. Dazu komme der dauernde Protest gegen “die da oben”, gegen ein System. Peham zufolge ein weiteres Merkmal: die Täter-Opfer-Umkehr. Als Beispiel nannte er Straches Vergleich der Proteste gegen den Akademikerball mit den “Stiefeltruppen der SA (Sozialistische Antifa)”.
Die FPÖ selbst reagierte prompt auf diese Einschätzung des DÖW: “Wir weisen das natürlich zurück und prüfen rechtliche Schritte”, hieß es aus der Partei auf APA-Anfrage.
(apa/red)