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Rechnungshof forderte jahrzehntelang Senkung bei Zahl der Intensivbetten

Die Ratschläge des Rechnungshofs wurden nur ansatzweise befolgt.
Die Ratschläge des Rechnungshofs wurden nur ansatzweise befolgt. ©APA/HELMUT FOHRINGER
Jahrzehntelang forderte der Rechnungshof die Senkung der Anzahl der Intensivbetten. Die Ratschläge wurden jedoch nur ansatzweise befolgt.

Seit bald 20 Jahren fordert der Rechnungshof in regelmäßigen Abständen die Politik auf, die Zahl der Akutbetten, auch der Intensivbetten, in den heimischen Spitälern zu reduzieren. Immer wieder wurde auf milliardenschwere Einsparpotenziale hingewiesen und eingemahnt, die Zahl der Betten doch auf den EU-Durchschnitt herunterzufahren. Befolgt wurden die Ratschläge nur ansatzweise.

Von 6,7 auf 4,6: Bettendichte sollte gesenkt werden

So hieß es in einem RH-Bericht zum Wiener Hanusch-Spital im Dezember 2003: "Seit Jahren wird von Fachleuten darauf hingewiesen, dass es in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern viel zu viele Spitalsbetten gibt." Laut dem Rechnungshof (Tätigkeitsbericht 2001) sollte die Bettendichte von 6,7 pro 1.000 Einwohner auf das "europäische Niveau" von 4,6 gesenkt werden. Dadurch könnten fast 17.000 Akutbetten eingespart und 2,9 Mrd. Euro in den ambulanten und niedergelassenen Bereich (niedergelassene Ärzte) umgeschichtet werden." Der Ratschlag des damaligen RH-Präsidenten Franz Fiedler: "RH-Präsidenten: Die im Europavergleich überdurchschnittlich hohe Zahl der Akutbetten sollte reduziert werden."

Im September 2004 sprach der damalige Präsident des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Herwig Frad, von einer "Überversorgung" mit Akutbetten in Österreich, die man reduzieren sollte, um Kosten "im System" einzusparen. Zwei Wochen später sprach Josef Kandlhofer vom Hauptverband von bis zu 2,9 Milliarden Euro, die man durch den Akutbettenabbau einsparen könnte.

Akutbetten sollten auf internationales Niveau gebracht werden

Im August 2007 nahm sich Fiedlers Nachfolger als RH-Präsident, Josef Moser, des Themas an. Er konstatierte ein hohes Niveau an "Akutbetten" in Krankenhäusern und plädiert dafür, "die Akutbetten auf ein internationales Niveau zu bringen". Das Einsparungspotenzial wurde wieder mit 2,9 Milliarden beziffert. Die Ärztekammer warf Moser daraufhin eine "verheerende Unkenntnis des österreichischen Gesundheitswesens" vor, würden seine Vorschläge umgesetzt, stünde ein Drittel der Spitalspatienten auf der Straße.

Im Juni 2010 wollte Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) mit den Ländern über den "Abbau von teuren Akutbetten" sprechen. Da stand gerade eine Verwaltungsreform auf der Tagesordnung. Vier Wochen später verlangte RH-Präsident Moser den Abbau Tausender Akutbetten. Im Jänner 2012 schlug der Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Hans Jörg Schelling, vor, Akutbetten in Reha- und Pflegebetten umzuwandeln, 1,8 Milliarden könnten generell im Gesundheitssystem eingespart werden.

Im Dezember 2015 gab es wieder einen RH-Bericht zu den Spitälern. Darin hieß es, Österreich habe im Jahr 2012 mit 546 aufgestellten Akutbetten je 100.000 Einwohner die im europäischen Vergleich höchste Akutbettendichte aufgewiesen. Trotz einer Reduktion in den letzten Jahren müsste Österreich immer noch rund 40 Prozent der Akutbetten abbauen, um die Größe seines stationären Sektors dem EU-Niveau anzugleichen. "Die Überkapazitäten im stationären Bereich entsprachen zu aktuellen Kosten einem Umschichtungspotenzial in alternative (insbesondere ambulante) Behandlungsformen in Höhe von 4,75 Milliarden Euro."

Militärspitäler ebenfalls unter Kritik

Auch die Militärspitäler blieben nicht verschont. Eine Prüfung des Rechnungshofs im Jahr 2009 ergab, das Ärzte- und Sanitätswesen des Bundesheeres sei ineffizient weil zu wenig ausgelastet. 2012 wurden daraufhin die Bettenabteilungen der drei Militärspitäler geschlossen. Das Argument des Bundesheeres, Militärspitäler seien nicht mit zivilen Krankenhäusern vergleichbar, sondern stünden zur medizinischen Versorgung für die Soldaten und auch zur Notfallversorgung im Katastrophenfall bereit, fand kein Gehör.

Auch RH müsse Lehren aus Krise ziehen

RH-Sprecher Christian Neuwirth erklärte dazu auf Anfrage der APA am Freitag: "Der Rechnungshof wird bei einigen Themen seine Ansätze neu bewerten. Schon seit Längerem steht - etwa auch im Bereich Gesundheit - nicht die Konzentration auf Einsparungen (zum Beispiel: Bettenreduktionen) im Vordergrund, sondern gemäß dem Prüfungsschwerpunkt Bürgernutzen die Frage, wie die Leistungen bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen." Ganz Österreich werde seine Lehren aus der Corona-Krise ziehen müssen. "Da ist der Rechnungshof keine Ausnahme", so Neuwirth. Der Staat werde definieren müssen, was ihm für die Versorgung der Bevölkerung besonders wichtig ist und was vorher nicht so gesehen wurde. "Und auch wir als Rechnungshof werden die richtigen Schlüsse ziehen."

Hacker erfreut über "Erkenntnis" des Rechnungshofs

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hat laut eigenen Angaben mit Genugtuung vernommen, dass im Rechnungshof nun eine Neubewertung des Gesundheitsbereichs anstehen dürfte - nachdem zumindest in der Vergangenheit immer wieder Bettenreduktionen gefordert wurden. Auch der Rechnungshof werde aus der Corona-Krise seine Lehren ziehen müssen, hatte ein RH-Sprecher zuvor betont.

"Ich freue mich, dass nun auch der Rechnungshof zu dieser Erkenntnis kommt, nachdem er uns 20 Jahre lang das Gegenteil erzählt hat", sagte Hacker im Gespräch mit der APA. Wien habe immer betont, dass man stolz sei auf das Gesundheitssystem, gleichzeitig habe man sich etwa von der ÖVP-Opposition in Wien vorführen lassen müssen. Spitäler seien wichtige Versorgungseinheiten und zugleich auch notwendig für die Aus- und Weiterbildung - nicht nur für Wien alleine, hielt er fest.

Es sei nun "eh gut", dass der Rechnungshof daraufgekommen sei, dass die reine Ökonomisierung von Gesundheitseinrichtungen immer schon zu wenig gewesen sei. Das zeige sich etwa am direkten Vergleich mit Italien. Sowohl bei den Spitalsbetten als auch bei den Intensiveinrichtungen verfüge man in Österreich über zweieinhalb Mal so viel Kapazitäten, rechnete der Stadtrat vor. Darum sei auch der direkte Vergleich der Auswirkungen des Coronavirus auf das System nicht möglich.

Qualität als Stärke des Gesundheitssystems

Auch die Qualität des Gesundheitssystems sei eine der Stärken, beteuerte er. Hier seien zuletzt weitere Maßnahmen in die Wege geleitet worden. So habe man etwa in Wien im Zuge der Spitalsreform auf "große starke Units" gesetzt: "Weil viele kleinere Einheiten kommen schneller unter Druck."

Dasselbe gelte auch für den Pflegebereich, gab Hacker zu bedenken. Auch hier habe der RH die zu hohe Zahl an Versorgungseinrichtungen moniert - und dass der Bereich der 24-Stunden-Pflege in Wien relativ wenig ausgebaut sei. Nun, da die Betreuungskräfte fehlen, zeige sich, dass man richtig gehandelt habe, sagte der Ressortchef.

Den - in Wien sehr ausgeprägten - niedergelassenen Bereich betreffe dies ebenfalls. Inzwischen würde wohl niemand mehr sagen, dass die Dichte hier zu hoch ist, vermutete Hacker.

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