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Radikaler Klimaprotest ist schädlich

©APA/Deutsche Presse-Agentur GmbH/Lennart Preiss
Gastkommentar von Johannes Huber. Warnungen vor der Apokalypse, Suppenattacken und Blockaden führen nicht zu notwendigen Maßnahmen. Im Gegenteil.

Nicht nur für den Boulevard ist es eine große Geschichte, sie wird auch darüber hinaus wahrgenommen: Ein Stau kostete Rettungskräfte in Berlin am vergangenen Montag wertvolle Zeit, um zu einem schwer verletzten Unfallopfer, einer 44-jährigen Radfahrerin, zu gelangen. Ausgelöst worden war die Verkehrsbehinderung offenbar durch zwei Klimaaktivisten, die sich festgeklebt hatten. Die Frau landete auf der Intensivstation. Am Donnerstag wurde sie für hirntot erklärt.

Man muss immer vorsichtig sein mit Schuldzuweisungen, für den Kampf gegen die Klimakrise ist diese Geschichte aber auch so schon eine Katastrophe: Sie lässt das Unverständnis einer breiteren Öffentlichkeit für immer radikaler werdende Proteste, für Suppenattacken auf Kunstwerke und dergleichen ins Unendliche steigen. Als wäre nicht alles ohnehin schon schlimm genug.

Den Klimawandel gibt es, und ja, es handelt sich um eine Krise oder Katastrophe. Je dramatischer jedoch die Aussichten ausgesprochen werden und je brutaler Aktivitäten eingefordert werden, um noch Schlimmeres zu verhindern, desto mehr wird damit Gegenteiliges erreicht: Mehr und mehr Menschen verdrängen das Problem und die Politik beginnt mit Blick auf Wahlen, bei denen sie Stimmen braucht, nur noch zögerlicher zu reagieren.

Das Meinungsforschungsinstitut „Gallup“ hat gerade verblüffende Umfrageergebnisse vorgelegt: 1000 ab 16-Jährige wurden eingeladen, anzugeben, in welchen Bereichen eine Partei Lösungen anbieten müsse, um von ihnen gewählt zu werden. 71 Prozent erklärten, „ganz klar“ zur Teuerung, 67 Prozent zur Energieversorgung. Beides gilt demnach als am wichtigsten und das war auch so erwartbar. Überraschender ist, dass zum Missfallen der ÖVP auch Korruption sehr häufig genannt wurde (mit 60 Prozent). Irritierend aber ist, dass Klimawandel nur auf 42 Prozent der Nennungen kam und damit auf weniger als viele weitere Probleme, wie Wohnen, Zuwanderung und Bildung.

Das wird auch von Parteienvertretern berücksichtigt werden: Die Grünen werden wohl die einzigen bleiben, die Klimapolitik offensiver thematisieren. Sie brauchen jedoch Mehrheiten dafür, und die Türkisen lassen sich nur noch widerwillig darauf ein. Sozialdemokraten ist es wiederum wichtiger, dass das Schnitzel für möglichst viele erschwinglich bleibt.

Das ist in Wirklichkeit die größte Herausforderung: Gerade weil die Perspektiven fürs Klima und allem, was mit beschleunigten Veränderungen einhergeht, so ernst sind, geht es darum, sich zu überlegen, wie man notwendigen Maßnahmen zum Durchbruch verhelfen kann, ohne vor einer Apokalypse zu warnen, Gemälde zu beschmieren oder sich irgendwo anzukleben - was mutmaßlich zu einer so verhängnisvollen Kettenreaktion führen kann, wie der eingangs erwähnten.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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