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Prozess wegen NS-Wiederbetätigung gegen einschlägig bekannten Liedermacher in Wien

Ein Liedermacher muss sich mit weiteren Angeklagten wegen Wiederbetätigung vor Gericht verantworten
Ein Liedermacher muss sich mit weiteren Angeklagten wegen Wiederbetätigung vor Gericht verantworten ©APA (Sujet)
Ein in der rechtsextemen Szene als "Rocker Rolf" bekannter Liedermacher stand am Donnerstag wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung vor einem Wiener Schwurgericht.

Der 45-Jährige soll in seiner Wohnung NS-Devotionalien gesammelt zudem in einem einschlägig bekannten Ottakringer Kellerlokal fremdenfeindliche sowie rassistische Lieder vorgetragen haben.

“Rocker Rolf”, Ehefrau und 30-jährige Freundin angeklagt

Neben dem gebürtigen Deutschen – der 45-Jährige gehörte bis zu ihrem Verbot der “Freiheitlichen Arbeiter Partei” (FAP) an – waren auch seine gleichaltrige Ehefrau sowie eine 30-jährige Freundin zur Anklage gebracht worden. Letztere soll bei einem Auftritt im Sommer 2014 gemeinsam mit “Rocker Rolf” als Gitarristin aufgetreten sein, die Ehefrau wiederum hatte nichts dagegen, wenn ihr Mann bei Feiern mit Gleichgesinnten in der ehelichen Wohnung in der Nähe von Wien eine große Hakenkreuz-Fahne im Partykeller aufhängte.

WEGA stürmte Lokal in der Koppstraße

Laut Anklage soll “Rocker Rolf” am 5. Juli 2014 im sogenannten Fritz-Stüber-Heim in der Koppstraße gesungen haben, das schon seinerzeit von der “Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition” (VAPO) unter Gottfried Küssel frequentiert wurde. Während ihn die 30-Jährige – eine Servicetechnikerin und Kampfsportlerin – auf der Gitarre begleitete, soll er vor rund 20 der rechten Szene zurechenbaren Personen einschlägiges Liedgut zum Besten gegeben haben. Der Abend endete jäh: Die Wega (Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung) stürmte nach einem anonymen Hinweis das Lokal, beschlagnahmte Liederbücher und Instrumente und löste die Veranstaltung auf.

Hausdurchsuchung brachte NS-Material hervor

Bei einer Hausdurchsuchung wurden später in der Wohnung, in der “Rocker Rolf” mit seiner besseren Hälfte lebt, neben der Hakenkreuz-Fahne und einer Hitler-Büste nationalsozialistisches Propaganda-Material und eine umfassende, unter das Verbotsgesetz fallende Lieder-Sammlung beschlagnahmt. Von der Anklage umfasst waren ein weiterer Auftritt des Barden in einem Wiener Kellerlokal Ende 2014 sowie das Absingen eines rassistischen Liedes (“Pollackentango”) vor zwei Personen im Sommer 2015. Inkriminiert waren auch SMS und Whats App-Nachrichten sowie Tätowierungen, die “Rocker Rolf” und seine jüngere Freundin am Leib tragen, um – so der Vorwurf von Staatsanwalt Simon Stürzer – ihre nationalsozialistische Gesinnung zur Schau zu stellen.

Angeklagte bekannten sich nicht schuldig

Die Angeklagten bekannten sich nicht schuldig. “Es gibt keinen einzigen Beweis, dass er die Lieder tatsächlich gesungen hat”, so Verteidiger Michael Dohr, der Rechtsvertreter von “Rocker Rolf” und dessen Frau. Das Liedgut sei “widerlich, schrecklich, menschenverachtend, aber es kann nicht sein, dass man jemanden verurteilt, wenn man ihm nicht nachweisen kann, dass er gesungen hat”. In der beschlagnahmten Sammlung hätten sich außerdem neben “entsetzlichen Liedern” harmlose Schlager wie “Ein Bett im Kornfeld” befunden, sagte Dohr.

“Das ist eher humoristisch gemeint”

“Ich zähle mich zur rechten Szene, aber mit dem Nationalsozialismus habe ich nichts zu tun”, behauptete “Rocker Rolf” zu Beginn seiner Einvernahme am Donnerstag vor einem Wiener Schwurgericht. Hinsichtlich der inkriminierten Lieder meinte er: “Ich distanziere mich von solchen Texten. Das ist eher humoristisch gemeint.” Die bei ihm beschlagnahmte Sammlung umfasste Lieder wie “Kanake verrecke”, “Nordland” oder “Nicht tolerant”. Er bestritt, diese am 5. Juli 2014 im Fritz-Stüber-Heim in der Koppstraße dargeboten zu haben: “Ich wollte dort Fußball schauen. Es war geplant, dass man nachher Trinklieder, Fußballlieder singen sollte.” Die mitangeklagte 30-jährige MMA-Kämpferin hätte ihn auf der Gitarre begleiten sollen. Man habe allerdings nur eine Nummer proben können, gab diese zu Protokoll: “Beim ersten Lied ist die Polizei reing’stürmt.”

30-Jährige mit SS-Totenkopf-Tätowierung

Die junge Frau hat ihren Körper mit zahlreichen Tattoos versehen lassen, darunter mit einer schwarzen Sonne, die in rechtsextremen Kreisen ein nationalsozialistisches Symbol darstellt. Von Richter Christoph Bauer darauf angesprochen, meinte die 30-Jährige, sie habe die schwarze Sonne “in der esoterisch-nordischen Szene kennengelernt”. In der Leistengegend hat sich die Kampfsportlerin allerdings einen SS-Totenkopf tätowieren lassen. “Das ist zehn Jahre her”, rechtfertigte sie sich. Dazu sei es aufgrund ihres damaligen Freundes gekommen: “Ich war verliebt.” Mit “dieser Ideologie” habe sie inzwischen nichts mehr am Hut.

Einladung zum Gulaschessen

Eine schwarze Sonne trägt auch “Rocker Rolf” auf seiner Haut. Auf das Symbol sei er “auf Mittelalterfesten, bei Burg- und Ritterspielen gekommen”, behauptete er. Der Hauptangeklagte betonte, auch der zweite von der Anklage umfasste Auftritt als Sänger in einem Wiener Kellerlokal im Dezember 2014 sei keine Nazi-Veranstaltung gewesen: “Da war ich eingeladen zum Gulaschessen.” Der Barde – er selbst nannte sich “Hobbymusiker” – räumte hinsichtlich eines weiteren Anklagepunktes ein, er habe möglicherweise einmal “den Basslauf des ‘Pollackentango’ angespielt”. Ein Bekannter hatte sich im Anschluss beschwert, er wolle diese Nummer in Zukunft einer polnischstämmigen Freundin wegen nicht mehr hören.

Verhandlung auf Anfang November vertagt

Dass in seinem Party-Keller eine Hakenkreuz-Fahne hing, fanden weder “Rocker Rolf” noch seine Ehefrau dramatisch. “Ich hab’ mir nix dabei gedacht”, gab der 45-Jährige zu Protokoll. Die habe ihr Mann aufgehängt, “weil’s ihm Freude macht”, meinte die Ehefrau. Und weiter: “Ich lad’ ja keine Leute ein, die sich davon bedroht sehen.” “Rocker Rolf” hatte bei sich daheim auch einen NS-Wimpel aufgestellt – “als Wertanlage”, wie er gegenüber Richter Bauer ins Treffen führte. “Da es ein Originalstück ist, habe ich mir gedacht, er könnte an Wert steigern”, machte er geltend. Die Verhandlung wurde zur Ladung einiger Zeugen auf Anfang November vertagt.

(APA/Red.)

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