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Prozess um angezündete Prostituierte begonnen

Im Wiener Straflandesgericht findet am Dienstag der Prozess um eine 36-jährige Prostituierte statt, die in der Nacht auf den 16. Mai 2010 vor der Diskothek "Fantastic" mit Diesel übergossen und angezündet worden ist.
Angezündete Prostituierte: Bilder vom Prozess
Cousin von "Cretu" in Haft
Brandanschlag: Es ging um Geld

Es dürfte sich um eine Strafaktion des Zuhälters “Cretu” gehandelt haben, der von der Frau 3.000 Euro Schutzgeld verlangt und nicht erhalten haben soll. Die Tat geschah in in Wien-Favoriten.

“Ich bin sehr friedlich, man kann das überprüfen”, versicherte der übertrainierte, muskelbepackte Angeklagte beim Prozessbeginn, der in der Szene unter seinem Spitznamen “Cretu” bekannt bzw. gefürchtet war. Er habe die Prostituierte lediglich einschüchtern wollen: “Ich wollte ihr nur Angst machen.” Zum Feuerzeug gegriffen habe sein mitangeklagter Cousin, den die Staatsanwältin als willfährigen Handlanger “Cretus” beschrieb. Daneben hatte sich auch “Cretus” Chauffeur vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Karin Beber) zu verantworten – er soll auf “Cretus” Auftrag hin eine Plastikflasche mit der brennbaren Flüssigkeit aus dessen Auto geholt haben, damit jener in der Diskothek “Fantastique” seine Bestrafungsaktion durchführen konnte.  

Prostituierte lebensgefährlich verletzt

Die Anklage lautete überraschenderweise nicht auf versuchten Mord, obwohl die Frau lebensgefährliche Verletzungen erlitten hatte. “Natürlich fragt sich jetzt jeder, ist das nicht ein versuchter Mord. Aber man muss ja den Vorsatz beurteilen. Ich glaube nicht, dass sie vorhatten, diese Frau zu töten, und auch nicht, dass sie sich während der Tat damit abgefunden haben, dass sie stirbt”, erläuterte Staatsanwältin Sabine Rudas-Tschinkel. Sie habe das Trio daher wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Dauerfolgen angeklagt.

Erstaunen löste bei einigen Prozessbeobachtern weiters der Umstand aus, dass “Cretu” von Rechtsanwalt Rudolf Mayer vertreten wurde, während der in derselben Kanzlei tätige Strafverteidiger Philipp Winkler “Cretus” Cousin rechtsfreundlich beistand. Die beiden Angeklagten belasteten sich wechselweise massiv, was zumindest in den Augen von Außenstehenden die Frage aufwarf, ob damit bei Mayer und Winkler keine Interessenskollision gegeben war, die einen der beiden dazu bewegen hätte müssen, auf sein Mandat zu verzichten.

Wollte kein “Standgeld” bezahlen

Die 36-jährige Prostituierte ging seit längerem auf der Linzer Straße ihrem Gewerbe nach und weigerte sich beharrlich, “Cretu” ein “Standgeld” abzuliefern. Auch von den Drohungen des wuchtigen “Kraftlackls” ließ sie sich nicht einschüchtern. Als sie am 16. Mai 2010 nach Mitternacht mit zwei Kolleginnen die Diskothek “Fantastique” aufsuchte, soll “Cretu” laut Anklage beschlossen haben, sie zu bestrafen.

Gemeinsam mit seinem Cousin soll er die Frau zunächst mit Schlägen in ein Zimmer befördert und mit den Worten “Willst du endlich zahlen? Du schuldest mir bereits 3.000 Euro” das Geld verlangt haben. Als die Frau neuerlich verneinte, soll ihr “Cretus” Cousin auf den Befehl “Zünd sie an!” zunächst die Haare angesengt haben. Danach schickte “Cretu” seinen ebenfalls anwesenden Chauffeur nach einer Flasche Benzin.   

“Ich? Ich bin Nichtraucher!”

Wer sie damit übergossen hat, blieb in der Verhandlung unklar. Während “Cretu” seinen Cousin belastete, versicherte dieser, jener habe das erledigt und auch zum Feuerzug gegriffen. Auch das Opfer selbst, das im Vorfeld kontradiktorisch einvernommen worden war und inzwischen das Land verlassen hat, hatte das “Cretu” zugeschrieben.

Jener stellte das wortreich in Abrede: “Ich? Warum? Ich bin Nichtraucher. Wahrscheinlich hat man ihr Geld angeboten, dass sie sagt, ich habe sie angezündet und nicht der Zweitangeklagte.” “Cretu” bestritt auch die Tötungsabsicht: “Hätten wir was Schlimmeres machen wollen, hätten wir sie von der Straße weggebracht und in den Wald gebracht und niemand hätte etwas gemerkt.” Das deckte sich mit der Verteidigungsstrategie seines Verteidigers Rudolf Mayer, der betonte, die inkriminierte Tat sei “das typische Denkzettel-Geben in diesem Milieu”.

Das Opfer hatte laut Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich zweit- und drittgradige Verbrennungen im Gesicht, Kopf- und Halsbereich, an der Brust und an den Händen erlitten. 13 Prozent der Körperoberfläche waren verbrannt. Die Expertin schätzte, dass die Frau 30 bis 60 Sekunden in Flammen stand, ehe es ihr gelang, die Flammen einzudämmen. Beim Löschversuch verbrannten auch ihre Hände. Die Schwere der Verletzungen bezeichnete Friedrich als lebensgefährlich. Auf die Frage der Richterin, ob die Angeklagten mit dem Tod der Frau rechnen mussten, erwiderte die Medizinerin: “Wenn 40 bis 50 Prozent der Haut verbrennen, haben 50 Prozent der Betroffenen eine Überlebenschance. Je jünger diese sind und je kleiner die betroffene Oberfläche ist, desto größer die Überlebenschance.”

(apa/Red.)

 

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