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Prozess einer "falschen" Vollwaise gegen Land OÖ fortgesetzt

Der 66-Jährige war nach dem Zweiten Weltkrieg fälschlicherweise als Vollwaise geführt und in Kinderheimen in Oberösterreich misshandelt und missbraucht worden.
Der 66-Jährige war nach dem Zweiten Weltkrieg fälschlicherweise als Vollwaise geführt und in Kinderheimen in Oberösterreich misshandelt und missbraucht worden. ©Bilderbox
Im Zivilprozess, in dem ein heute 66-jähriger ehemaliger Kinderheimbewohner 1,6 Millionen Euro Schadenersatz und Schmerzensgeld vom Land Oberösterreich verlangt, ist am Donnerstag mit der Gutachtenerörterung begonnen worden.

Einen Antrag des Klägers, einen Sachverständigen wegen Befangenheit abzulehnen, wies der Richter zurück, weil er verspätet vorgebracht worden sei.

Fälschlicherweise als Vollwaise geführt

Der 66-Jährige war nach dem Zweiten Weltkrieg fälschlicherweise als Vollwaise geführt und in Kinderheimen in Oberösterreich misshandelt und missbraucht worden. Um zu klären, ob der Fall verjährt ist, hatte das Gericht einen psychiatrischen Sachverständigen bestimmt. Dieser sollte beurteilen, ob der Betroffene aufgrund des erlittenen Traumas tatsächlich nicht früher in der Lage gewesen sei, seine Ansprüche geltend zu machen. Laut seiner Rechtsanwälte habe er die Ereignisse verdrängt und nicht vollinhaltlich erfassen können. Erst durch eine lebensbedrohliche Operation im Jahr 2009 und die damit verbundene Todesangst sei alles wieder an die Oberfläche gekommen und der Mann habe daraufhin das Erlebte niedergeschrieben.

Befangenheit bei Gutachten?

Der Anwalt des Klägers brachte vor, dass der Experte bei der Befundaufnahme Tests nicht durchgeführt, aber verrechnet habe und in Zwischenbemerkungen seine Voreingenommenheit deutlich geworden sei. Eine Strafanzeige gegen den Psychiater sei bei der Staatsanwaltschaft Salzburg anhängig. Er könne daher das Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten. Der Sachverständige sagte, er fühle sich nicht befangen, weil kein Naheverhältnis zu Beteiligten bestehe. Gewisse Tests habe er rein klinisch und nicht apparativ durchgeführt, da dies ihm nicht möglich und nicht notwendig gewesen sei. Anschließend wurde die Expertise eines weiteren psychologischen Gutachters über die kognitive Leistungsfähigkeit des 66-Jährigen erörtert. Die Vertreter des Klägers beantragten, weitere Fragen dazu schriftlich innerhalb von 14 Tagen einbringen zu können.

Im Kinderheim missbraucht und misshandelt

Der 66-Jährige war als Sohn eines US-Soldaten und einer vor der Roten Armee aus Ungarn nach Oberösterreich geflüchteten Volksdeutschen kurz nach Kriegsende im Babyalter von seiner Mutter getrennt worden. Die ersten 18 Jahre seines Lebens verbrachte er in mehreren Kinderheimen in Oberösterreich, wo er missbraucht und misshandelt wurde. Obwohl die Namen der Eltern im Säuglingsheim in Linz laut Bericht genau protokolliert wurden, soll die Jugendfürsorge im Amt der Landesregierung Mitte der 1960er Jahre plötzlich nichts mehr von Familienangehörigen gewusst haben. Der Mann, der seine Mutter erst nach eigener Recherche als Erwachsener gefunden hatte, wurde im Schriftverkehr als Vollwaise geführt. Er spricht von “institutionalisiertem Unrecht”. Vom Land erhielt er 20.000 Euro als finanzielle Geste an frühere Gewaltopfer. (APA)

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