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Poetisch, ernst und ein wenig träge

Salzburger Festspiele 2006: "Die Hochzeit des Figaro" ist ein Erfolg. Die Produktion ist am Mittwoch Abend allerdings nicht euphorisch bejubelt worden.

Regisseur Claus Guth hat den „Figaro“ von fast allen Commedia del Arte-Elementen befreit und eine ernste, poetische und mitunter etwas träge Version dieser Opera Buffa auf die Bühne gestellt.

Der gesamte „Figaro“ spielt in einem weiß getünchten Stiegenhaus oder vor Doppelflügel-Türen im Landhaus-Stil. Auch die konventionellen Kostüme von Christian Schmidt bringen keine Farbe ins Spiel mit schwarz-weiß. Eine zusätzliche Figur des engelhaften Eros belebt und inspiriert die Szene und knüpft die Bande während der gesamten Spielzeit von etwas mehr als vier Stunden. Nikolaus Harnoncourt hat die Wiener Philharmoniker zu überwiegend langsamen, manchmal ein wenig langatmigen Tempi dirigiert und musste dafür auch Buh-Rufe des Premierenpublikums einstecken.

Das Sänger-Ensemble hielt, was sein Ruf versprach. Anna Netrebko gab eine hervorragende Susanna, und der Applaus für die Neo-Österreicherin wurde nur noch durch den Applaus für Christine Schäfer übertroffen, die für die Hosen-Rolle des Cherubino wie geboren scheint. Höchste Noten auch für Figaro Ildebrando D·Arcangelo, Bo Skovus als Graf Almaviva und – mit kleinen Abstrichen – auch für Dorothea Röschmann als Gräfin.


Mozartstadt als Klein-Hollywood

So viele Kamera-Teams, Presse-Fotografen und Promi-Scouts wie selten zuvor. Die Ankunft der Gäste der Salzburger Festspielpremiere sorgte für tumultartige Szenen. Nimmt man den Tumult beim Eintreffen der Premierengäste vor dem neuen „Haus für Mozart“ als Maßstab, dann ist das Hauptereignis der diesjährigen Salzburger Festspiele, die Neuinszenierung von Mozarts „Hochzeit des Figaro“, die heute um 20 Uhr begonnen hat, bereits ein Erfolg. Eine Auffahrt, die die Mozartstadt kurzfristig in Klein-Hollywood verwandelte, und bei der der neue honigfarbene Straßenbelag die Rolle des roten Teppichs übernehmen musste.

Eine halbe Stunde vor Premierenbeginn dominieren zwei Fragen im Hin-und-Her-Wogen der Medienmeute: „Muss man die kennen?“ und „Von wem stammt das Kleid?“ Letztere Frage kann in abgewandelter Form auch an Herren gestellt werden – sofern sie etwa Alfons Haider heißen. Bis auf wenige gewagte Ausnahme-Kreationen in Blümchen-Stoff oder Knall-Farbe dominiert heuer vornehme Zurückhaltung die Damen-Garderobe. Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat darf als Ausnahme gelten, ihre Kollegin, Außenministerin Ursula Plassnik erscheint dagegen gemeinsam mit Bundestheater-Holding-Chef Georg Springer als Duo in schlichtem Schwarz und Weiß.

Es ist nicht nur die Stunde der Stars – von denen ist ohnedies kaum einer zu sehen. Auch Nicht-Prominenz kann sich, sofern sie im Wagen vorfährt, einen Augenblick des Blitzlichtgewitters sicher sein. Lachend winkt ein vorbeifahrender Radfahrer der Menge zu und erntet freundliches Klatschen, ein echter Festspielgast überschätzt dagegen seine vermeintliche Bekanntheit – und winkt ins Leere. Nicht nur die Auslöser der Profi-Kameras werden laufend betätigt, auch unzählige Handy-Kameras werden den Eintreffenden entgegengestreckt. Dort sind Nicole Beutler und Harald Serafin, da Galerist Thaddaeus Ropac mit seinem Dauer-Gast Bianca Jagger – jetzt nur den rechten Augenblick nicht verpassen!

Über der Szene liegt ein Duft von Orangenöl – Erinnerung an die possenhaften Versuche, mit Spezial-Putzmitteln die störenden Bremsspuren vor den Festspielhäusern zu beseitigen. Wer gesehen werden will, wählt die Anfahrt oder den Hinweg über die Hofstallgasse. Ein protziger Silber-Rolls rollt heran -wer sitzt drinnen? DJ Ötzi schlendert mit weißem Strick-Käppi vorbei – wird es ihm darunter nicht zu heiß werden? Fragen über Fragen. Der frühere Siemens-Österreich-Generaldirektor Albert Hochleitner und Nationalbank-Gouverneur Klaus Liebscher grüßen freundlich nickend, millionenschwere deutsche Wirtschafts-Bosse bleiben unerkannt.

Die Glocken mahnen bereits zum Einnehmen der Plätze. Die Nervosität steigt. Auch bei jenen, die noch Karten anzubieten oder aufzutreiben haben. Ein junger Mann versucht, das Geschäft seines Lebens zu machen. Ein verschwitzter älterer Herr, der die 100-Euro-Noten griffbereit in seiner Smoking-Tasche stecken hat, beißt an: „Wieviel?“ – „Sie kosten 230 Euro.“ – „Ich biete 200 für beide.“ Dem jungen Mann friert das Gesicht ein: „Sie haben nicht recht verstanden: Sie haben schon mich 230 Euro gekostet – pro Stück!“

Die Aufmerksamkeit der Menge liegt unterdessen ganz woanders. Der wichtigste Premierengast trifft ein. Im Getümmel von Kameramännern und Fotografen entsteigt Thomas Gottschalk seinem Wagen und bahnt sich mit Mühe seinen Weg ins Opernhaus. „Profil“-Herausgeber Christian Rainer nützt seinen Windschatten. Medien-Zampano Hans Mahr ist einer der Letzten, Gefährtin Katja Burkhardt nimmt sich dennoch Zeit für Autogramme. Im Hintergrund ein Tuscheln unter Zaungästen: „Wer ist die?“ – „Ich glaub, die Buhlschaft!“ Knapp daneben.

Die letzte Glocke ist geläutet. Wer jetzt keinen Platz hat, findet ihn nimmermehr. Die Meute verstreut sich. Ein Leute-Journalist stöhnt: „Werde ich froh sein, wenn dieser Tag vorbei ist!“ Drinnen hat die Show begonnen. Draußen leert sich der Platz. Und nun ist auch das von Unbekannten mit Bremsspuren in den Asphalt gebrannte Hakenkreuz vor dem Festspielhaus wieder sichtbar. Die nächsten Versuche zur Beseitigung der störenden Spuren werden erst nach dem Festspieltrubel unternommen.

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