Der Hauch des Todes soll noch immer in Wien zu spüren sein, längst vergangene Gräueltaten in Verliesen, ungeklärte Morde in Straßen und Gassen und brutale Hinrichtungen in aller Öffentlichkeit noch immer dem Ort des Geschehens anhaften. Es scheint fast so, als ob das Böse auch heute noch nicht gesühnt wäre.
Gabriele Lukacs erforscht in ihrem neuen Buch “Orte des Grauens” gemeinsam mit Fotograf Peter C. Huber die verborgene dunkle Vergangenheit Wiens. Kinderheime des Grauens und dunkle Kapitel der NS-Zeit – wie beispielsweise das Kinder-KZ “Am Spiegelgrund” – werden thematisiert, die Autorin beschäftigt sich aber auch mit Sagen rund um den “schwarzen Tod”, dem Ringtheaterbrand und dem damit verbundenen Spuk im Tiergarten Schönbrunn, dem verschollenen Templerschatz uvm. Zu guter Letzt begibt sie sich auch selbst auf Geisterjagd.
Ein Hauch des Todes mitten in Wien
In Wien gab es gleich mehrere öffentliche Hinrichtungsplätze, wobei es verschiedene Hinrichtungsarten gab. Hängen war ein Opfer an den Windgott, Rädern und Verbrennen eines an den Feuergott, Ersäufen oder Eintauchen an den Wassergott. Doch warum wurden die grauenvollen Taten öffentlich und innerhalb der Stadtmauern durchgeführt? Mit Sicherheit wollte man damit primär abschrecken, das Ganze war aber auch ein Schauspiel mit Volksfestcharakter. Ein weiterer Grund war die Rechtssicherheit, denn man wollte möglichst viele Zeugen dabeihaben. Außerdem gab es außerhalb der Stadtmauern zahlreiche Banden, die nur darauf gewartet hätten, einen Verurteilten dem Henker wieder zu entreißen.
Die letzte öffentliche Hinrichtung fand 1868 bei der Spinnerin am Kreuz statt: 250.000 Menschen wollten das Spektakel sehen, die Leute wollten vom Delinquenten Georg Ratkay noch Souvenirs abreißen, als er zum Galgen geführt wurde. Sogar als er bereits gehängt wurde, wollten sie Teile seines Körpers als Erinnerungsstück mit magischem Charakter. Nach diesen schrecklichen Szenen schaffte Kaiser Franz Joseph öffentliche Hinrichtungen ab.
Grausame Haftbedingungen und unvorstellbare Gräuel
Die schlimmsten Gefängnisse vergangener Tage waren Klosterkerker, vor allem Franziskaner- und Kapuzinerkerker. Auch in Wien kamen Berichte darüber an die Öffentlichkeit. In mehreren Wiener Klöstern sind die unterirdischen Gefängnisse nicht nur vorhanden, sondern sogar baulich unverändert: Niedrige Steinkammern, Lehmböden, feucht und modrig. Tägliche Geißelungen und jahrzehntelanges Wegsperren führten dazu, dass manche Mönche lieber den Freitod wählten.
Eine jahrhundertelange Geheimhaltung sorgt bis heute dafür, dass davon kaum etwas an die Öffentlichkeit gelangte. Schon damals verschwanden Eingekerkerte buchstäblich, auf Nachfrage hieß es einfach, diejenigen seien auf Mission oder verstorben. Die Orden wollten Vergehen, die vor Gerichten mit dem Tod bestraft wurden, “intern” regeln, oft wurde dafür das Einmauern bei lebendigem Leib als Strafe gewählt.
Spukgeschichten und Geisterjagd in Groß-Enzersdorf
Ein besonderes Erlebnis mit Gänsehauteffekt hatte die Autorin beim Erforschen eines Kotters in Groß-Enzersdorf. Eine unbekannte “inhaftierte Weibsperson” soll noch heute in den alten Mauern geistern, genauer gesagt in Zelle Nummer 3. Die Autorin kam in Kontakt mit einer Gruppe von Wiener Forschern, die sich mit paranormalen Erscheinungen beschäftigen.
Mit Infrarotkameras und Tonaufnahmegeräten ging man der “Frau in Schwarz” auf die Spur. Ab einem gewissen Zeitpunkt floh die Autorin aus der Zelle mit Gänsehaut, kalten Schauern im Nacken und einem flauen Gefühl im Magen – Hatte man Kontakt zu einer verirrten Seele aufgenommen?
Auch im Tiergarten Schönbrunn wurde in den 1990er-Jahren von einem Spuk berichtet. Im alten Elefantenhaus (jetziges Pandagehege) konnten Tierpfleger über Monate Geistererscheinungen beobachten. Abend für Abend zogen sie im Keller ihre Runden. Auch die Tiere verhielten sich unruhig. Später erschien im (heute abgerissenen) Sumpfvogelhaus ein männlicher Geist. Nachforschungen ergaben, dass es sich dabei um den ehemaligen Direktor des Ringtheaters handelte. Doch warum geisterte es gerade in Schönbrunn? Ein möglicher Grund könnte die Verbauung von Teilen des abgebrannten Theaters im Elefantengehege sein.
Orte des Grauens: Schaurige Geheimnisse Wiens aufgedeckt
Fazit: Mit eindrucksvollen Bildaufnahmen von Peter C. Huber und tiefergehenden Recherchen zu den jeweiligen Orten wollen die Autoren ein möglichst authentisches Bild der grauenvollen Orte Wiens vermitteln, was ihnen auch gelungen ist. Der Leser wird auf eine spannende, wenn auch teilweise bedrückende Reise durch die Vergangenheit der Stadt mitgenommen – ungeschminkt und ungeschönt.
Im Buch wird mitreißend dargestellt, wo die Kellerleichen vergraben liegen, wo sich die dunkle NS-Zeit Wiens verbirgt und ob auch heute noch in den Gassen ein Hauch des Todes weht. Letzteres liegt nach der Lektüre ganz im Empfinden des Lesers.
Fotos: Peter C. Huber
Buchtipp:
Verlag: Pichler Verlag
Autorin: Gabriele Lukacs, Fotograf: Peter C. Huber
ISBN: 978-3-85431-717-3
Das Buch ist in allen Buchhandlungen und versandkostenfrei auf www.styriabooks.at erhältlich.