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Offenbar Brandlegung in jüdischem Teil des Wiener Zentralfriedhofs

Auf dem jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs wurde offenbar ein Brand gelegt.
Auf dem jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs wurde offenbar ein Brand gelegt. ©APA/GEORG HOCHMUTH
In dem jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs ist in der Nacht auf Allerheiligen offenbar ein Brand gelegt worden.

Das berichtete der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, auf der Plattform X (vormals Twitter). Der Vorraum der Zeremonienhalle beim IV. Tor des Friedhofs sei ausgebrannt. "An Außenmauern wurden Hakenkreuze gesprayt. Personen kamen nicht zu Schaden." Die Feuerwehr bestätigte den Einsatz, die Polizei ermittle zur Brandursache. Der Verfassungsschutz ermittelt, teilte die Polizei mit. Die Polizei geht laut APA-Informationen von Brandstiftung aus.

Brandursache am Wiener Zentralfriedhof vorerst unklar

Die Brandursache war laut Polizei Wien vorerst unklar, ebenso die Frage, wie sich der oder die Täter in der Nacht Zutritt zum Friedhofsgelände verschafft haben, sagte Polizeisprecherin Julia Schick Mittwochvormittag auf APA-Nachfrage. Die Brandgruppe des Landeskriminalamts (LKA) und Beamte des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) seien noch an Ort und Stelle, wurde betont. "Die genauen Umstände sind derzeit noch nicht bekannt und sind Gegenstand laufender Ermittlungen", hieß es am Nachmittag in einer Aussendung der Polizei. "Das Landeskriminalamt Wien ist vor Ort mit der Spurensicherung betraut." Im Zuge der Ermittlungen seien aufgesprühte nationalsozialistische Zeichen an der Außenmauer der Halle festgestellt worden. Der Verfassungsschutz ermittle "intensiv und in alle Richtungen", teilte die Landespolizeidirektion Wien auch auf der Plattform X mit.

Wie die APA aus gut informierten Kreisen erfahren hat, gehen die Ermittler von Brandstiftung aus. Der Brand dürfte laut derzeitigen Erkenntnissen an zwei Stellen ausgebrochen sein, was ein starkes Indiz dafür sei, dass der Brand gelegt worden ist.

Nach dem Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel war die Terrorwarnstufe in Österreich nach oben gesetzt und der Schutz jüdischer Einrichtungen eigentlich verstärkt worden. Die Bewachung des Stadttempels in der Innenstadt ist erst vor gut zehn Tagen auf 24 Stunden ausgeweitet worden, nachdem sich die Polizei Kritik anhören musste, weil die israelische Fahne von der Synagoge gerissen wurde. Nach dem Brand auf dem jüdischen Teil des Zentralfriedhofs erklärte die Polizei nun am Mittwoch abermals, dass man "in enger Abstimmung mit der Israelitischen Kultusgemeinde" den "Fokus auf den Schutz der in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden" lege. "Daher steht der Schutz von Menschen im Mittelpunkt."

Der Verfassungsschutz gehe "konsequent gegen all jene vor, die das jüdische Leben und damit das Zusammenleben in Österreich bedrohen", versicherte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in einer schriftlichen Stellungnahme. In der vergangenen Halloween-Nacht seien Hunderte Polizisten in ganz Österreich zusätzlich im Einsatz gestanden, hieß es in der Aussendung. Die Polizei sei konsequent eingeschritten, wo es notwendig war. So seien am frühen Abend am Wiener Stephansplatz im Rahmen einer nicht angemeldeten Versammlung "zahlreiche Personen, nachdem sie antisemitische Parolen skandiert hatten, angehalten und Anzeigen an die Staatsanwaltschaft erstattet" worden.

Einsatzkräfte in Wien wurden am Mittwoch kurz nach 8.00 Uhr alarmiert

Die Einsatzkräfte wurden am Mittwoch kurz nach 8.00 Uhr alarmiert, sagte Feuerwehrsprecher Gerald Schimpf auf APA-Anfrage. Betroffen war ein Nebengebäude des Kuppelbaus, der sogenannten Zeremonienhalle. Dort "dürfte es schon in den Nachstunden gebrannt haben", erläuterte der Sprecher. Das Feuer sei aber weitgehend von selbst erloschen. Die Feuerwehr bekämpfte noch Glutnester und belüftete die verrauchten Räumlichkeiten.

Wie die IKG unterdessen mitteilte, wurde das vom Brand betroffene Gebäude vorübergehend behördlich gesperrt. Gräber könnten jedoch besucht werden. Das Zimmer sei "vollkommen ausgebrannt", sagte Deutsch zur APA. "Dort waren auch viele heilige jüdische Bücher. Die sind alle vollkommen verbrannt." Man könne den Vorfall nicht isoliert sehen, verwies er auf den Anstieg antisemitischer Vorfälle seit dem Überfall der Hamas auf Israel. Es werde eine Stimmung geschürt, die offenbar Leute inspiriere, "gegen Juden loszugehen". Dennoch zeigte sich Deutsch abermals zuversichtlich: "Jüdisches Leben wird weitergehen." Zur Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden meinte Deutsch, "uns ist es wichtig, dass Menschen geschützt werden - dass Leute geschützt werden, wenn sie in unseren Institutionen oder auf der Straße sind". Man werde nun nach dem jüngsten Vorfall aber gemeinsam mit Sicherheitsfachleuten besprechen, wie es weitergeht.

"Die Schändung von jüdischen Friedhöfen ist eine der feigsten und widerwärtigsten Formen von antisemitischer Gewalt", kritisierte Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister. "Bierflaschen und Hakenkreuze haben die Brandstifter hinterlassen. Ich hoffe, wir hören jetzt von niemandem die Worte: 'Lausbuben', 'Einzelfall' oder 'Halloween', um hier irgendetwas zu 'erklären'."

Lichtermeer beim Wiener Heldenplatz am Donnerstag

Deutsch rief dazu auf, am morgigen Donnerstag um 18 Uhr zum Lichtermeer beim Wiener Heldenplatz zu kommen. "Setzen Sie ein Zeichen gegen Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit. Für ein Ende der Angriffe auf Israel, das Judentum und die Demokratie, für die Befreiung aller Geiseln."

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) verurteilte den "Anschlag auf den jüdischen Friedhof in Wien auf das Schärfste". Antisemitismus werde "mit allen politischen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft", versicherte er. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sprach von einem "beschämenden Zeugnis von jenen, die die Werte unserer Gesellschaft mit Füßen treten" und versprach: "Wir werden uns für eine rasche Wiedereröffnung einsetzen".

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) war ebenfalls entsetzt: "Der antisemitische Brandanschlag am Zentralfriedhof ist ein weiterer Akt vollkommen inakzeptabler Aggression auf die Sicherheit jüdischen Lebens in Österreich." Jetzt seien die Ermittlungsbehörden gefordert, die Täter rasch auszuforschen und zur Rechenschaft zu ziehen. "Wir werden gemeinsam diese widerwärtigen Drohungen gegen die jüdische Kultur abwehren und jüdisches Leben in Österreich schützen." Die Tat sei "inakzeptabel" und "ein Weckruf, dass wir alle gegen Antisemitismus und Hass aufstehen müssen", meinte Justizministerin Alma Zadic (Grüne).

Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte sich in einer Stellungnahme zutiefst schockiert. "Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Österreich ist in den letzten Wochen signifikant gestiegen. Das muss aufhören", forderte das Staatsoberhaupt. "'Nie wieder' ist ein konkreter Auftrag an uns alle: Jüdinnen und Juden müssen in Österreich in Sicherheit leben können", betonte Van der Bellen. "Antisemitismus hat hier keinen Platz. Hass hat hier keinen Platz."

Der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, schrieb auf X (vormals Twitter), der Anschlag sei erschreckend, insbesondere so knapp vor dem 3. Jahrestag des Terroranschlages vom 2. 11. 2020. "Mir ist das hohe Maß an Solidarität und Mitgefühl unvergesslich, das damals sichtbar wurde. Ich hoffe und bete, dass uns das auch in diesen Tagen gelingt", so der Wiener Erzbischof.

Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, verurteilte den Brandanschlag scharf: "Es sind Nachrichten, die uns als Kirche, als Christen, als Gesellschaft tief erschüttern. Die Schäden können repariert, die Graffiti beseitigt werden - aber die Gedanken und der Hass hinter dieser Tat müssen uns zu denken geben. Wir täuschen uns, wenn wir immer wieder meinen, solches sei begraben und gestorben, mit den Schuldigen aus vergangenen dunklen Tagen", so der Salzburger Erzbischof am Mittwoch gegenüber Kathpress. Als Kirche sei man "den jüdischen Gläubigen, in Österreich und auf der ganzen Welt, solidarisch verbunden und können nicht schweigen, wenn sie angegriffen werden".

Brand im jüdischem Teil des Wiener Zentralfriedhofs erschüttert

"Die Nachricht über den Brand im jüdischen Teil des Zentralfriedhofs erschüttert mich zutiefst", schrieb auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) auf der Plattform X. "Ein friedliches und respektvolles Zusammenleben hat in unserer Stadt oberste Priorität. Es ist unsere historische Verpflichtung, jüdisches Leben und jüdische Institutionen zu schützen."

"Es ist wirklich erschreckend! Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz, egal aus welcher Richtung er kommt", betonte Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur. "Wir stehen gemeinsam gegen solche antisemitischen Angriffe und Anschläge", unterstrich auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. "Niemals wieder ist jetzt."

Die gesamte Opposition zeigte sich ebenfalls solidarisch mit der jüdischen Gemeinde: "Der Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof und die Schändung der Außenmauer durch das Anbringen von Hakenkreuzen ist ein schockierender Akt der Gewalt, der rasch aufgeklärt und rigoros bestraft werden muss", betonte SPÖ-Chef Andreas Babler. "Wir stehen Seite an Seite mit allen Jüdinnen und Juden. Niemals wieder ist jetzt." "Dieser Brandanschlag auf den jüdischen Friedhof ist nicht nur ein Anschlag auf eine religiöse Einrichtung, sondern auch ein Anschlag und Angriff auf das Andenken an die Verstorbenen und ist zutiefst zu verurteilen", meinte auch FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker. "Wir stehen gemeinsam gegen solche antisemitischen Angriffe und Anschläge", unterstrich auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. "Niemals wieder ist jetzt."

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zeigte sich wegen des wiedererstarkenden Antisemitismus ebenfalls besorgt. Es sei gemeinsame Aufgabe, "dem wie einen gefährlichen Virus um sich greifenden Judenhass geschlossen zu begegnen und unmissverständlich und mit aller Härte entgegenzutreten". "Fassungslos" ist Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), sie forderte auch Gesetzesverschärfungen.

(APA/Red)

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