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ÖVP erhöht Druck auf SPÖ und kritisiert Kern

Ministerin Karmasin kritisierte den Bundeskanzler
Ministerin Karmasin kritisierte den Bundeskanzler ©APA
Die Koalitionspartner haben am Dienstag die jüngsten Neuwahlgerüchte selbst kräftig befeuert. SPÖ-Chef Christian Kern stelle "Inszenierung vor die Arbeit", sagte ÖVP-Ministerin Sophie Karmasin, eine vorgezogene Neuwahl "liegt ein bisschen in der Luft, seitens der SPÖ".

Kern sah sich zu einem für ihn beim Ministerrat ungewöhnlichen Schritt genötigt: Er trat solo vor die Presse und wies dies zurück.

Das innerkoalitionäre Geplänkel zwischen Schwarz und Rot sah freilich selbst ein wenig nach Inszenierung aus: Vor Beginn der Ministerratssitzung wurde Karmasin vorgeschickt, um den Journalisten ihre Wahrnehmungen zu schildern. Die “Inszenierungen” des Kanzlers seien ein “möglicher Indikator dafür”, dass die SPÖ Neuwahlen vorbereite, meinte Karmasin. Als Beispiele führte sie an, dass die Kanzlerrede in Wels in vielen Punkten nicht abgesprochen gewesen sei, auch stieß sich Karmasin an Kerns Bundesländertouren und sonstigen Einzelterminen. Man könne fast den Eindruck gewinnen, dass die Bundesländer-Termine eine Art “Vorwahlkampf” seien, verwies Karmasin auf ihre Erfahrung als Meinungsforscherin. Die ÖVP wolle keine vorgezogenen Neuwahlen, betonte die Ministerin gleichzeitig: “Wir sind arbeitswillig”.

“Ich hoffe nicht, dass man jetzt an Neuwahlen denkt”, unterstrich kurz darauf auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Man sei gefordert, möglichst viel gemeinsam umzusetzen. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nutzte die Gelegenheit, um einmal mehr für den Beschluss seines Integrationsgesetzes zu werben. Fragen, ob er Karmasins Meinung teilt, dass sich der Kanzler nur mehr inszeniere, beantwortete Kurz nicht.

Lösungen statt Überschriften

Kern selbst, der sich seit dem Vorjahr für gewöhnlich weder vor noch nach der Regierungssitzung den Medien zeigt – trat nach Karmasins Äußerungen noch vor der Ministerratssitzung solo vor die Journalisten und wies die Kritik zurück. Er könne Meinungen, die Anzeichen für baldige Neuwahlen orten, nicht teilen. Und zwar schon deshalb nicht, da er ja ein 150 Seiten starkes Papier mit Vorschlägen auf den Tisch gelegt habe, die nun zu diskutieren seien, wie er mit Blick auf seinen “Plan A” sagte. Man müsse nun Lösungen finden und nicht nur Überschriften bringen.

Statt über Neuwahlspekulationen zu sprechen, sollte man sich auf die wirklich wichtigen Fragen konzentrieren – etwa auf den Sicherheitsbereich, wie Kern angesichts der aktuellen Terror-Verdachtslage meinte. Der Kanzler zeigte sich auch hinsichtlich einiger ÖVP-Forderungen gesprächsbereit – etwa punkto Fußfessel für Jihad-Rückkehrer bzw. “Gefährder” oder bei der “Obergrenze” für zugelassene Asylverfahren. Allerdings müsse man sich die Frage stellen, warum ausgerechnet die von der ÖVP geforderte Halbierung der Obergrenze die Lösung darstellen soll.

“Sonst braucht es die Regierung nicht mehr”

Trotz aller Misstöne gab sich Kern überzeugt, dass die Regierung es “binnen Wochenfrist” schaffen werde, sich auf wesentliche Punkte zu verständigen. Der Plan der Koalitionsparteien sieht vor, Ende Jänner bzw. Anfang Februar ein “Update” des Regierungsprogramms auf den Tisch zu legen. Kern will bereits bis Freitag die Eckpunkte des überarbeiteten Regierungsprogramms geklärt haben, war am Rande des Ministerrats zu hören – wohl auch deshalb, weil der Kanzler von Sonntag bis Mittwoch Israel und Palästina besucht.

Auch gegenüber heimischen Medien stellte Kern dem Koalitionspartner in Sachen Regierungsprogramm-“Update” ein Ultimatum – er erwartet bis Freitag Ergebnisse. “Wir brauchen diese Klarheit”, sagte er gegenüber dem “Standard”. “Wir müssen Ergebnisse auf den Tisch legen, sonst braucht es diese Regierung nicht mehr.” Gegenüber der “Kronen Zeitung” meinte Kern: “Unsere Geduld wird stark belastet.”

Mitterlehner: “Wir sind willig”

Gleich nach der – äußerst kurzen – Regierungssitzung stellte sich jedenfalls auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner solo den Medien. “Wir sind willig”, stellte er für seine Partei klar. Es gebe genügend Inhalte und Vorschläge, verwies er auf die Abschaffung der kalten Progression oder das Sicherheitspaket. “Es liegt sicherlich nicht an uns.” Die Wähler wollten nach einem Jahr Hofburg-Wahlkampf nicht schon wieder Wahlkampf. Einen Seitenhieb konnte sich Mitterlehner allerdings nicht verkneifen: Man solle “die Inszenierungen und das taktische Gehabe” weglassen, meinte er in Richtung Kern.

Angesichts der Forderungen von Kern, der rasche Ergebnisse beim Regierungsprogramm-“Update” eingefordert hat, gab sich Mitterlehner betont gelassen. “Der Kanzler hat die Hand gereicht. Ich schlage ein”, sagte der Vizekanzler in einem Statement zur APA. “Die Bevölkerung erwartet sich von der Bundesregierung Ergebnisse. Ich bin überzeugt davon, dass wir gemeinsam liefern werden. Wir werden gemeinsame Lösungen zustande bringen”, so Mitterlehner.

Die Regierungskoordinatoren Harald Mahrer (ÖVP) und Thomas Drozda (SPÖ) hoben im Debriefing nach dem Ministerrat hervor, dass der Zeitplan, Ende Jänner bzw. Anfang Februar das überarbeitete Programm vorzulegen, unverändert sei. “Der Zeitplan steht nach wie vor”, sagte Staatssekretär Mahrer. Drozda erklärte, man sei in verschiedenen Konstellationen in laufenden Verhandlungen für eine Grundlage für die Regierungsarbeit der nächsten 18 Monate. Am Mittwoch findet eine größere Runde beim Kanzler statt. Für Karmasins Wortmeldungen hatte Drozda kein Verständnis – das sei “schlechter Stil und belastet die Verhandlungen zweifellos”.

FPÖ fordert Neuwahlen

Die FPÖ fordert angesichts der jüngsten regierungsinternen Diskussionen Neuwahlen. Die “tiefen Risse in der Koalition” kämen immer deutlicher zum Vorschein, erklärte FPÖ-Präsidentschaftskandidat und Dritter Nationalratspräsident Norbert Hofer am Dienstag via FPÖ-Homepage. “Wenn die Regierung nicht bald in die Gänge kommt, müssen Neuwahlen ermöglicht werden und zwar am besten noch vor der Sommerpause, damit im Herbst eine neue Bundesregierung steht, die bereit und in der Lage ist, den Stillstand in Österreich zu beenden”, meinte Hofer.

Aufgabe der Bundesregierung sei es, nicht Pläne zu präsentieren und Forderungen zu erheben, sondern Maßnahmen zu setzen. Die Geduld der Österreicher sei erschöpft. Bemerkenswert sei laut Hofer auch, dass Kern in einer Fernsehdiskussion auf Puls 4 erklärt habe, dass SPÖ und FPÖ die einzigen Parteien seien, die Veränderungen in Österreich wollten. “Wenn Kern diese Aussage ernst nimmt, dann müsste er die Koalition des Stillstandes besser heute als morgen beenden.”

(APA)

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