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Österreichs Schande

Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber.
Der heutige Gastkommentar von Johannes Huber. ©APA/CHRISTOPHER GLANZL
Gastkommentar von Johannes Huber. Nicht nur bei Abschiebungen zeigt sich: Auf Wohlergeben und Rechte von Kindern wird gepfiffen.

ÖSelbst wenn es nur daran liegt, dass Kinder und Jugendliche unter 16 nicht wählen dürfen, Parteien also keine Stimmen bringen und allein darauf bezogen wertlos sind: Wie mit ihnen umgesprungen wird, ist eine Schande.

Diese Woche hat Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bestens integrierte Schülerinnen nach Armenien und Georgien abschieben lassen. Alles rechtmäßig? Nein: Die Familien hatten den Instanzenzug ausgereizt und keinen Flüchtlingsstatus erhalten. Andererseits aber kommt wieder einmal sehr viel Unrecht zusammen: Solche Verfahren dauern endlos lange. Sie basieren auf Gesetzen, von denen sogar die Rechtsanwaltskammer, die davon profitiert, sagt, sie seien unbrauchbar. Man kann sie quasi auslegen, wie man möchte. Das allein ist eine Einladung, alle Berufungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Die Dauer dieser Verfahren bringt es mit sich, dass Menschen Wurzeln schlagen, Kinder kriegen und so weiter und so fort. Genau das gehört berücksichtigt. Vor allem, wenn die gesamte österreichische Umgebung darum bittet, sie bleiben zu lassen, wie im Falle der Mädchen, die nun mit Polizeigewalt abtransportiert worden sind.

Das zu ignorieren, ist nicht nur unmenschlich, es widerspricht auch der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Ihnen zufolge müsste etwa bei allen staatlichen Handlungen das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen. Wenn man Schülerinnen von heute auf morgen in ein Entwicklungsland verfrachtet, wo sie mit ihren Eltern erst wieder bei null beginnen müssen, pfeift man jedoch auf ihr Wohl.

Aber ist das etwas Neues? Von wegen: Auch die Kinder von Moria lässt man lieber im Dreck dahinvegetieren, als ihnen wirklich wirkungsvoll zu helfen. Standardargument: Wenn man ihnen hilft, kommen andere nach. Abgesehen davon, dass das nicht sein muss, nimmt dieses Argument in Kauf, dass kleine Wesen im Dreck liegen bleiben und weder kindgerecht leben noch von einer Zukunft träumen können.

Neben dieser Verachtung für Kinder, die hier zum Ausdruck kommt, sind gerade in der Pandemie auch Formen der Vernachlässigung allgegenwärtig: Der Kanzler hat einen Pakt gegen Alterseinsamkeit versprochen, aber nichts Vergleichbares für Junge. Dabei schlägt die Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Wiener AKH Alarm: Sie ist voll belegt. Essstörungen und Depressionen nehmen dramatisch zu. Klar, auch die Jüngsten haben Stress: zu Hause eingesperrt, den ganzen Tag Unterricht am Computer, keine herkömmlichen Kontakte, genervte Eltern etc.

Bei Schulschließungen kennt die österreichische Politik wenig. Bei Ideen, wie man sie für Kinder erträglicher machen könnte, herrscht überhaupt Sendepause. Dass die Jugendarbeitslosigkeit nicht nur wächst, sondern dabei ist, zu einem Langzeitproblem zu werden, ist ebenfalls egal. Sind ja nur Leute, die keine Wahlen entscheiden.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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