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NRW: Suche nach Doppelpass-Inhabern

Allein in Nordrhein-Westfalen dürften rund 12.000 bis 13.000 eingebürgerte Türken aufgrund einer im Jänner 2000 in Kraft getretenen Gesetzesänderung ihren deutschen Pass verloren haben.

Ilhami Kurtulus ist derzeit ein gefragter Mann. Das Vorstandsmitglied des CDU-nahen Deutsch-Türkischen Forums Mittelrhein reist von einer Informationsveranstaltung zur nächsten. Er erklärt eingebürgerten Türken, wer von ihnen laut Gesetz Deutscher ist und wer vielleicht nicht mehr. „Es gibt einen Riesen-Informationsbedarf“, sagt Kurtulus. Der Kölner schätzt, dass allein in Nordrhein-Westfalen 12.000 bis 13.000 Menschen ihren deutschen Pass verloren haben, weil sie nach 2000 auch erneut die türkische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Dies aber ist nach einer im Jänner 2000 in Kraft getretenen Gesetzesänderung ausdrücklich untersagt. Vor der Nordrhein-Westfalen- Wahl am 22. Mai versuchen die Behörden nun mit Hochdruck zu ermitteln, wer Doppelstaatler und damit nicht wahlberechtigt ist.

Hunderttausende Türken wurden seit Anfang 2000 bundesweit eingebürgert. Dafür mussten sie ihren türkischen Pass abgeben. Schätzungsweise 50.000 von ihnen beantragten aber danach erneut den Pass mit Halbmond und Stern und verloren damit automatisch ihre deutsche Staatsbürgerschaft – auch wenn das erst nach Jahren bei der Passverlängerung oder Heiratsformalitäten herauskommt. Sie sind „plötzlich nicht mehr deutsch“, wie der Titel einer Informationsbroschüre des deutschen Innenministeriums besagt.

Die NRW-Behörden stehen unter Zeitdruck, die „Nicht-mehr-Deutschen“ aus den Wählerlisten zu streichen, um keine nachträgliche Anfechtung des Wahlergebnisses zu riskieren. Die Städte und Gemeinden schrieben Zehntausende Deutsche türkischer Abstammung an, um ein möglichst klares Bild zu bekommen. In Köln sollten rund 7000 Bürger erklären, ob sie neben dem deutschen noch einen anderen Pass haben, in Duisburg 5700, in Dortmund 2500.

„Es handelt sich nicht um generelles Misstrauen gegenüber eingebürgerten Türken“, betonte der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD). „Aber im Interesse aller Parteien sorgen wir für faire Wahlbedingungen.“ Als Doppelstaatsbürger haben sich zunächst nur wenige geoutet, knapp 200 in Duisburg, 15 in Köln und 17 in Dortmund. Viele Briefe blieben unbeantwortet. In anderen Kommunen sieht es ähnlich aus.

Zahlreiche Institutionen bieten Beratung an, in Internet-Diskussionsforen können Betroffene Rat suchen oder ihren Frust ausdrücken. Die Deutschland-Ausgaben der türkischen Zeitungen berichten täglich über das Thema. Die „Doppelstaatler“ werden dabei oft als „magdur“ (ungerecht behandelt) bezeichnet. So fühlen sich viele. Denn wer aus Verbundenheit mit der alten Heimat oder aufgrund falscher Beratung bis 1999 beide Staatsbürgerschaften erwarb, blieb unbehelligt. Erst mit dem neuen Gesetz begannen die Probleme. Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TDG) kritisiert, die neuen Regelungen seien „weder rechtlich, noch moralisch und noch weniger gesellschaftspolitisch vertretbar“.

Wer kein Deutscher mehr ist, muss sich zunächst um eine Aufenthaltserlaubnis bemühen und kann unter bestimmten Voraussetzungen erneut die Einbürgerung beantragen. Kurtulus wirft den Verantwortlichen in Bund und Ländern mangelnde Aufklärung über die Auswirkungen des seit Jänner 2000 gültigen Staatsangehörigkeitsrechts vor: „Viele Menschen waren im Glauben, dass ihre Staatsangehörigkeit in Ordnung sei.“ Auf keinen Fall sollten Doppelstaatsbürger zur Wahl gehen, warnt Kurtulus. Auf illegale Stimmabgabe stehe eine Geldstrafe oder im schlimmsten Fall bis zu fünf Jahren Haft.

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