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“Nie nie nie“: Warum "Leben ohne Kind" ein legitimer Lebensentwurf ist

Von der Entscheidung für ein Leben ohne Kinder erzählt der hochaktuelle Roman "Nie nie nie"
Von der Entscheidung für ein Leben ohne Kinder erzählt der hochaktuelle Roman "Nie nie nie" ©VIENNA.at
Ein erfülltes Leben, auch ohne eine Familie zu gründen - ja, das ist möglich. Allen, die das immer noch nicht glauben können oder wollen, sei ein aktueller Roman ans Herz gelegt - VIENNA.at hat "Nie nie nie" für Sie gelesen.
Wenn der "Kindersegen" ausbleibt
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Es ist kein Geheimnis: Als Frau sieht man sich spätestens ab 30 (wenn nicht schon früher) unweigerlich mit der Frage konfrontiert, ob oder vielmehr wann man denn (endlich) Nachwuchs plane. Umso drängender wird diese so indiskrete wie übergriffige Frage, wenn frau sich in einer festen Beziehung befindet, was der Außenwelt klar zu signalisieren scheint, dass dem Kindersegen ja nichts im Wege stünde. (Dass dieses Nachfragen in vielerlei Hinsicht verletzend und triggernd sein kann, wenn etwa durchaus ein Kinderwunsch besteht, es aber nicht klappen will, o.ä. steht noch einmal auf einem anderen Blatt.)

Glücklich und zufrieden sein - auch ohne Kinder in die Welt zu setzen

Dass es immer mehr Frauen gibt, die mit Fug und Recht für sich entscheiden, dass zu ihrem Lebensentwurf das Gründen einer Familie einfach nicht dazugehört, ist eine momentane Entwicklung, bei deren Verständnis die Gesellschaft vielfach noch hinterherhinkt. Um dieses aktuelle Thema dreht sich der Roman „Nie Nie Nie“ der norwegischen Autorin Linn Strømsborg, selbst 35 Jahre alt.

Darin geht es um eine Ich-Erzählerin, die für sich und ihr Leben den klaren Entschluss gefasst hat, keine Kinder zu wollen – eine Einstellung, mit deren Verteidigung sie ebenso stark zu kämpfen hat wie ihr familiäres und freundschaftliches Umfeld damit kämpft, diese zu akzeptieren.

"Nie nie nie": Wenn der Partner einen Kinderwunsch hegt

"Ich will keine Kinder, nicht mit ihm, mit niemandem. Schon gar nicht mit mir selbst."

Ihre eigene eigentlich glückliche langjährige Partnerschaft beginnt zunehmend darunter zu leiden, dass es ihr damit ernst ist, auf Nachwuchs verzichten zu wollen – während sich bei ihm ein immer stärkerer Kinderwunsch abzuzeichnen beginnt (spannend, dass hier einmal die Rollen umgekehrt werden). Ebenso hegt die Mutter der Protagonistin Großmutter-Sehnsüchte und strickt ständig Babykleidung, die sie dann anderen Jungmüttern schenkt, da es ja mit dem eigenen Enkerl düster aussieht. Besonders groß wird der Druck auf die Erzählerin, als ihre beste Freundin Anniken, die früher ebenfalls keine Kinder wollte, ein Baby erwartet und darüber selig ist.

Vom Kampf gegen Erwartungshaltungen

„Nie nie nie“ ist ein Buch über Erwartungshaltungen und den Kampf darum, nicht so zu sein, wie die anderen einen haben wollen und nicht alles so zu machen, wie es „normal“ und gesellschaftlich anerkannt ist. Nicht Mutter werden zu wollen, obwohl das doch angeblich Sinn und Lebenszweck jeder Frau ist - Strømsborg zeigt ohne erhobenen Zeigefinger auf, dass ein Leben auch ohne Kind ein erfülltes Leben sein kann und tappt dabei dankenswerterweise auch nicht in die Klischeefalle einer Entscheidung zugunsten der eigenen Karriere und gegen Nachwuchs.

Was ebenfalls äußerst positiv auffällt und anderen Büchern zu diesem Thema abgeht: Strømsborg spielt die verschiedenen Lebensentwürfe - Entscheidung für Kinder vs. Entscheidung gegen Kinder - an keiner Stelle gegeneinander aus. Beides sind Wege zum Glück, keiner ist besser oder schlechter als der andere, niemand hat eine "falsche", zu verurteilende Entscheidung getroffen, unter der er leiden muss.

Mit oder ohne Kind: Legitime Lebensentwürfe ohne Wertung

Der große Vorteil unserer Zeit in der westlichen Welt besteht darin, dass Frauen nun nicht mehr so leicht zu etwas gedrängt werden, das sie nicht wollen, sondern Wahlfreiheit besitzen, wie Strømsborg aufzeigt. Eine vielleicht für konservativere Mitmenschen "unpopulär" erscheinende Entscheidung zu verteidigen, kann mühsam sein, kann Kraft kosten und zuweilen stark ermüden. Faule Kompromisse soll bei so einem lebensbestimmenden Thema jedoch keine Frau eingehen müssen - dafür sowie gegen jegliche Stigmatisierung bricht die Autorin in "Nie nie nie" in angenehm lesbarer Weise und voller Empathie eine Lanze.

In diesem Roman ist einiges zu lernen - über Mutterrollen damals und heute, Mutterschaft wider Willen, die Veränderungen, die ein Kind mit sich bringt und die Möglichkeiten, die das Leben mit und ohne Kind zu bieten hat. Ein gutes und wichtiges Buch zu einem Thema, um das keine Frau herumkommt und dem sich auch Männer (wenn auch unter weniger Druck von biologischer Uhr und Gesellschaft) stellen müssen. Wärmste Empfehlung!

Linn Strømsborg: "Nie nie nie". Aus dem Norwegischen von Stefan Pluschkat. Dumont, 2021. Gebunden, 256 Seiten. 20,90 Euro, ISBN 978-3-8321-7085-1

(dhe)

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