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Fall Kührer: Polizei "weiß bis jetzt nicht, wonach wir suchen"

Plakat auf dem Hauptplatz von Pulkau
Plakat auf dem Hauptplatz von Pulkau ©APA
Nach der Enthaftung dreier Verdächtiger im Fall der seit Juni 2006 abgängigen Niederösterreicherin Julia Kührer tappen die Ermittler des Bundeskriminalamts mehr denn je im Dunkeln. Abteilungsleiter Ernst Geiger sagte am Mittwochabend vor Journalisten: "Wir wissen bis jetzt nicht, wonach wir suchen."
Ermittler arbeiten weiter

Die damals 16-jährige Julia Kührer wurde zuletzt am 27. Juni 2006 beim Aussteigen aus einem Linienbus von Horn kommend auf dem Hauptplatz ihrer Heimatgemeinde Pulkau gesehen. Seither wird nach ihr gesucht. Am 20. Jänner dieses Jahres haben Cold Case-Ermittler des Bundeskriminalamtes den Fall vom bisher federführenden Landeskriminalamt Niederösterreich übernommen. Das Landeskriminalamt habe keine Fehler gemacht, mit Ausnahme des Umstandes, dass der Fall nicht gelöst worden sei, sagte Geiger.

“Suchen wir einen Mörder? Wenn ja, was für ein Mordfall ist es? Eine Beziehungstat? Ein Sexualdelikt? Handelt es sich um einen Drogentod? War es ein Unfall mit Beseitigung der Leiche? Oder war es ein Abhauen?” umriss Geiger die Fragen, die sich vor den Ermittlern auftun. Seit 20. Jänner wurden 58 Zeugen durchschnittlich sechs Stunden befragt, 207 Hinweisen nachgegangen.

Die Festnahme der drei 21, 26 und 27 Jahre alten Verdächtigen hatte mit der These des Drogenmissbrauchs zu tun. “Da hätte vieles gut gepasst”, so der Kriminalist. Sie hätte die Jugendlichen getroffen, sei mit diesen weggefahren, sie hätten Drogen konsumiert, “und dann ist was passiert”. Der Schönheitsfehler: “Es gibt nichts, was dies erhärtet hätte. Es gibt für uns nichts, was darauf hindeutet, dass Julia eine süchtige 16-jährige Marihuana rauchende Jugendliche war.”

Der entscheidende Hinweis auf die drei Jugendlichen kam vom Stiefsohn einer Freundin von Julias Mutter. Er sah, wie Julia mit drei ihm fremden jungen Menschen auf dem Hauptplatz in Pulkau sprach – unmittelbar nachdem sie aus dem Bus gestiegen war. Außerdem war ein dunkles silbernes Auto in der Nähe der Gruppe entgegen der Parkordnung abgestellt. Handyeinloggdaten von einem der Verdächtigen um 14.03 Uhr wenige Kilometer entfernt bzw. von Julias Handy um 14.28 Uhr in Horn führte die Exekutive zu den drei Verdächtigen. Doch mit Julias Verschwinden dürften diese nichts zu tun haben.

Auch die Angaben des Zeugen wurden überprüft. Er fuhr nach seiner Beobachtung zunächst zu einem Bankomaten und danach auf das Standesamt, um seine Vermählung anzumelden. Es gibt keinen Grund für die Ermittler, an seinen Angaben zu zweifeln.

Doch es gebe noch viele offene Fragen, man sei noch nicht an einem toten Punkt. So müssen Meinungen, Fähigkeiten und Theorien verschiedenster Spezialisten zusammengeführt werden. Eines der grundlegenden Probleme im Fall Kührer ist, dass es so gut wie keine vergleichbaren Fälle gibt. Zwei, um genau zu sein, einen in Kanada, den zweiten in Großbritannien. Den Ermittlern hilft das aber nicht weiter, da es auch in diesen Fällen kaum Anhaltspunkte gibt. Auch mit ViCLAS (Computer-Datenbank gegen Serienverbrecher) wurde nach Anhaltspunkten gesucht, ebenso wurde ihr DNA-Profil ein weiteres Mal ausgesendet, eine Schengen-Fahndung läuft ohnehin.

Auch dass Julia irgendwo lebt und am Samstag ihren 20. Geburtstag feiert, will man im Bundeskriminalamt nicht ausschließen. Die Hoffnung der Ermittler ruht in jedem Fall auf der Bevölkerung, die weitere Hinweise – noch mehr als bisher – liefern soll. Eine Rasterfahndung mit den 16.000 zum fraglichen Zeitpunkt im Raum Pulkau ermittelten Handydaten kommt aber nicht in Betracht: Einerseits wäre das rechtlich gar nicht möglich, zweitens fehlen die Parameter, um den Kreis allfälliger Verdächtiger entsprechend einzuschränken, wie Geiger betonte.

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