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Lokalaugenschein im Swingerclub: "Immer locker bleiben"

Stripperin im Swingerclub in der Secession
Stripperin im Swingerclub in der Secession ©vienna.at
Der Swingerclub in der Secession, ein provokantes Projekt des Schweizer Künstlers Christoph Büchel sorgt in Wien für heftige Diskussionen. Es geht wieder einmal darum, was Kunst mit welchen Mitteln leisten kann, soll oder muss. Ein Vienna Online Lokalaugenschein im augenblicklich bekanntesten Nachtlokal Österreichs:
Swingerclub in der Secession
Swingerpärchen im Lieblingsclub
Im Swingerclub unter der Secession

Unter strenger Geheimhaltung war das Untergeschoß der Wiener Secession im Vorfeld der Aktion umgebaut worden – die Umbaukosten für die benutzbare Installation betrugen etwa 90.000 Euro. Die Ausstellung wird nicht ausschließlich über Steuergelder finanziert. Man wolle die Produktionskosten wie auch bei anderen Projekten wieder einspielen – etwa über Sponsoren wie die Sektkellerei Szigeti oder den Getränkehändler Killy’s.

Während die üblichen Verdächtigen – allen voran die FPÖ – gegen den “Sittenverfall” zu Felde ziehen und der Boulevard die Installation zum Skandal aufbläst, sehen andere das Projekt ungleich entspannter. Die Gäste des Swingerclubs, beispielweise. Vienna Online besuchte am Donnerstagabend das Etablissement in der Secession – ein Lokalaugenschein:

“Der Zeit ihre Kunst – der Kunst ihre Freiheit” steht über dem Haupteingang der Wiener Secession. Wenige Meter vom Haupteingang entfernt liegt der etwas versteckte Eingang zu dem Nachtlokal, das derzeit in aller Munde ist. Ein paar Stufen geht es hinunter Richtung “Sittenverfall”. Die Türen des für ein paar Wochen vom Stammhaus in der Kaiserstraße übersiedelten Swingerclubs “Element6” öffnen sich. Es braucht ein bisschen, um sich auf die schummrige Beleuchtung einzustellen. An der Garderobe lassen wir unsere Mäntel, und dann stehen wir schon im Hauptraum.

Ein ganz normaler Nachtclub erwartet uns: Bar, DJ-Mischpult, schwarze Ledersofas und eine kleine Bühne für Stripshows und Sex-Toy-Präsentationen. Gäste sind noch Mangelware, neben uns dreht ein Kamerateam von RTL Nahaufnahmen von der Tischdekoration. Am anderen Ende des Raumes geht es einmal scharf ums Eck und weiter zu einer heller beleuchteten Bar. Die Getränkepreise sind preiswerter, als man erwarten würde – 3,80 Euro kosten die Standards wie ein kleines Budweiser.

Anschließend an diese zweite Bar liegt das Kaminzimmer, samt eingebautem Flatscreen mit Endlosschleife von knisterndem Holz. Ein bisschen kuschelig darf es ja auch sein. Ganz und gar nicht kuschelig reagieren die Betreiber allerdings, als wir die hinter dem Kaminzimmer liegenden Extra-Räume in Augenschein nehmen wollen. Keine Chance, sagt Element6-Besitzer Michael H.: Medien müssen laut Vereinbarung mit der Secession draußen bleiben.

An der Bar treffen wir die Swinger Susi und Peter, die sich mit Kaffee, Bier und Sekt auf die kommende Nacht einstimmen. Wir fragen, ob sie uns ein kurzes Interview geben. Gerne, meinen die beiden. Kontaktscheu kann man als bekennender Swinger ja kaum sein. Sollen wir sie im Beitrag unkenntlich machen? Nein.

“Wir sind hier, weil wir Stammgäste von Element6 sind”, sagt Susi. “Die Atmosphäre ist immer nett.” Element6 sei eine gelungene Mischung aus Bar und Swingerclub, meint Susis Freund Peter. “Da rennt der Schmäh, der Flirt. Jeder ist angezogen. Wenn es sich ergibt, dann kann man in die Separees gehen”, erklärt Peter. “Es gibt hier nichts, was man tun muss oder nicht tun muss. Man kommt, unterhält sich – der Rest ergibt sich”, weiß Susi. Die beiden agieren anschließend noch als Statisten für die Kollegen vom deutschen TV. Eine Stripperin wurde bestellt, im Vampir-Outfit zeigt sie ihre Show auf der Bühne im Hauptraum. Peters abschließender Tipp: “Immer locker bleiben.”

Künstler Büchel ist weltweit für seine Provokationen bekannt. Aber warum ist ausgerechnet ihr Swingerclub in die Secession übersiedelt, fragen wir die Element6-Chefin Gabi H. “Der Künstler ist auf uns zugekommen”, sagt sie. Gabi ist vom Medienrummel sichtlich schon genervt. “Er hat uns gebeten, seine Installation zu beleben.”

Den Kritikern gesteht sie ihre Meinungen zu, auf langwierige Erklärungen will sie sich allerdings nicht einlassen. In wenigen Minuten kommen die ersten Gäste, es ist kurz vor 21 Uhr. “In Wien sollte mehr Freiheit und Akzeptanz für die Swinger-Szene herrschen, das war sicherlich mit ein Grund, warum wir bei diesem Projekt zugesagt haben”, sagt Gabi und fügt hinzu: “Sexualität kann man auch kultivieren.”

Die ersten Gäste kommen, manche kennen sich, begrüßen sich. Wir holen unsere Mäntel aus der Garderobe und nehmen die paar Stufen hinauf, stehen direkt vor der Secession. Der Abendverkehr ist dicht.

Neugierige und Swinger-Stammgäste können noch bis zum 18. April ihrer Experimentierfreudigkeit im Wiener Kunsttempel nachgehen – dann zieht Element6 wieder aus.

Martin Ucik

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