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Nach Anschlag in Neuseeland: Wohnung von Identitären-Chef Martin Sellner durchsucht

Offenbar laufen Ermittlungen gegen den Sprecher der Identitären.
Offenbar laufen Ermittlungen gegen den Sprecher der Identitären. ©APA/ROLAND SCHLAGER
Weil er eine "unverhältnismäßig hohe Spende" des mutmaßlichen Attentäters von Neuseeland erhalten habe, wurde offenbar die Wohnung von Martin Sellner, Sprecher der "Identitären Bewegung", am Montag durchsucht.
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Im Zuge von Ermittlungen zu dem Anschlag in Neuseeland hat es am Montag offenbar eine Hausdurchsuchung in Wien gegeben. Wie der Sprecher der rechtsextremen “Identitären Bewegung” in Österreich, Martin Sellner, in einem am Montagabend veröffentlichten Video mitteilte, wurde seine Wohnung durchsucht, weil er eine Spende des mutmaßlichen Attentäters von Christchurch erhalten habe.

Wohnungsdurchsuchung nach “unverhältnismäßig hoher Spende”

Gegen ihn werde wegen der “Gründung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung” ermittelt, erklärte Sellner in dem rund 15-minütigen, über soziale Medien verbreiteten Video. Er räumte ein, eine “unverhältnismäßig hohe Spende” von einer E-Mail-Adresse erhalten zu haben, die im Nachnamen jenen des rechtsextremen Attentäters (Tarrant, Anm.) enthielt. Für die Spende habe er sich per E-Mail auch bedankt: “Ein Dankes-E-Mail bekommt jeder, der mich unterstützt”.

Zwar habe er die Spende melden wollen, da er gewusst habe, dass auch in Österreich Ermittlungen liefen, so Sellner, doch sei es dazu vor der Hausdurchsuchung nicht mehr gekommen. Das Innenministerium bestätigte die Hausdurchsuchung bereits. “Ein Ermittlungsverfahren ist bei uns anhängig”, erklärte Behördensprecher Hansjörg Bacher, warum die Hausdurchsuchung bei dem IBÖ-Sprecher im Auftrag der Staatsanwaltschaft Graz erfolgte. Die Spende in Höhe von rund 1.500 Euro, die bereits Anfang 2018 getätigt wurde, war demnach bei bisherigen Ermittlungen wegen des Verdachts von Finanzvergehen Sellners aufgefallen, weil sie höher war, als andere Spenden.

Laut Bacher wurden bei der Razzia Datenträger sichergestellt. Die Ermittlungen laufen derzeit wegen des Verdachts der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, denn “das passt am ehesten zum Erstverdacht”, sagte der Behördensprecher. Wird der Sachverhalt geklärt, könne sich das aber natürlich noch ändern.

Identitären-Chef Sellner: Mit Terroranschlag “nichts zu tun”

Die Summe der Spende werde er an eine karitative Einrichtung weitergeben, mit dem Terroranschlag habe er “nichts zu tun”, betonte der Sprecher der “Identitären”. Er habe keinen Kontakt zu Brenton Tarrant gehabt und ihn auch nie getroffen. Zum zeitlichen Ablauf der Geschehnisse machte Sellner mehrmals unklare Angaben. So erklärte er zunächst etwa, dass die Spende des Attentäters von Anfang 2018 stamme, dann wiederum, dass er sie “Anfang des Jahres” erhalten habe.

Wie vergangene Woche bekannt wurde, hielt sich der mutmaßliche Täter, ein 28-jähriger Australier, vor dem Anschlag auch in Österreich auf. Die Untersuchungen des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) laufen noch, das genaue Datum des Österreich-Aufenthaltes wurde zunächst nicht bestätigt. Laut Medienberichten reiste der Rechtsextremist am 26. November 2018 nach Wien, soll sich aber auch in Kärnten, Salzburg und Innsbruck aufgehalten haben.

Attentäter soll Repressionen gegen Patriotische Aktivisten bezwecken

Sellner ist davon überzeugt, dass ihn der Australier “in die Sache hineinziehen wollte”. Denn dieser finde “Patrioten” wie die “Identitäre Bewegung”, die sich “gegen Masseneinwanderung” und für “friedliche Lösungen” einsetzen, “lächerlich”, “verlogen” und “heuchlerisch”. “Die von Tarrant erhofften & bezweckten Repressionen gegen Patriotische Aktivisten gehen los”, kommentierte Sellner so auch sein Video.

Die “Identitären” werden vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuft.

Bei dem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch am 15. März waren während der Freitagsgebete 50 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Etwa 20 Verletzte werden immer noch in Krankenhäusern behandelt. Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft, ihm droht wegen vielfachen Mordes lebenslang Gefängnis.

Kurz und Opposition fordern Aufklärung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat nach der Hausdurchsuchung beim Sprecher der “Identitären” volle Aufklärung über die Verbindungen zum Christchurch-Attentäter gefordert. Die Justiz müsse gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden “diese Netzwerke ausheben”, so Kurz via Aussendung.

“Jede Verbindung zwischen dem Attentäter von Christchurch zu Mitgliedern der Identitären in Österreich muss restlos und schonungslos aufgeklärt werden”, sagte Kurz am Dienstag. Er habe diesbezüglich bereits mit Justizminister Josef Moser (ÖVP) gesprochen: “Es ist wichtig, dass die unabhängige Justiz mit allen nötigen Mitteln und Ressourcen ihre Ermittlungen gemeinsam mit den Sicherheitsbehörden durchführen und diese Netzwerke ausheben kann.”

SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried kritisierte bei einer Pressekonferenz, dass die Regierung dem Rechtsextremismus kaum Beachtung schenke. Seit Herbert Kickl (FPÖ) Innenminister sei, sei der “Geheimdienst” de facto handlungsunfähig gemacht worden. “Wir haben in Österreich definitiv ein Problem mit Rechtsextremismus”, so Leichtfried: “Dieses Land muss diese Gefahr ernst nehmen.” Man habe deshalb den Geheimdienst-Unterausschuss zum Innenausschuss für Freitag einberufen lassen, zudem gemeinsam mit der Liste JETZT eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates verlangt. Einen Termin für letzteren gibt es noch nicht.

“Das Attentat zeigt, wie gefährlich diese Zirkel sind, die rechtsextremes Gedankengut verbreiten”, befand auch NEOS-Vizeklubchef Niki Scherak. Er forderte am Dienstag ebenfalls umfassende Aufklärung über die offensichtlichen Verbindungen der österreichischen Identitären zum Christchurch-Attentäter. Scherak hofft diesbezüglich auf die Erklärung von Innenminister Herbert Kickl am Donnerstag im Nationalrat – ebenso wie JETZT-Klubchef Bruno Rossmann.

Strache: “Verbindungen lückenlos aufklären”

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat sich nach der Hausdurchsuchung für lückenlose Aufklärung ausgesprochen. “Es wird gegen jeden Extremismusverdacht vorgegangen, egal ob von rechts, links oder religiös motiviert. Fanatismus hat bin unserer Gesellschaft keinen Platz”, so Strache – ohne die “Identitären” allerdings explizit zu erwähnen.

“Alle österreichischen Verbindungen zum Attentäter von Christchurch müssen lückenlos aufgeklärt werden. Unter dieser Regierung funktioniert der Rechtsstaat”, sagte Strache in einem auch via Twitter verbreiteten Statement. Auf Twitter folgen Strache rund 57.000 Personen. Auf seinem deutlich reichweitenstärkeren Facebook-Auftritt mit fast 777.000 Abonnenten postete der FP-Chef diese Mitteilung allerdings nicht. Dort hatte sich Strache in der Vergangenheit immer wieder positiv über die “Identitären” geäußert. Am Dienstag prangte auf Straches Facebook-Account der Hinweis: “Österreich darf kein Platz für radikale Islamisten sein.”

Auch IGGÖ will Aufklärung

“Für den Terroristen, der 50 Menschen ermordet hat, war Österreich offensichtlich nicht nur ein Reiseziel”, zeigt sich Präsident Vural besorgt. Die Anspielungen des Attentäters von Christchurch auf die Türkenkriege, seine krude Verschwörungstheorie vom “Großen Austausch”, die ihn zum rassistischen Mörder machte und seine großzügige Spende an die “Identitäre Bewegung Österreich” zeigen sehr deutlich, dass es eine umfassende Untersuchung geben muss, die das ganze rechtsextreme Netzwerk in Österreich schonungslos offenlegt.

“Ich bin tief besorgt, wie weitreichend dieses rechtsextreme Netzwerk des Hasses in unserem schönen Land reichen könnte. Aber es führt kein Weg an einer Aufklärung dieses Netzwerkes vorbei “, so Vural abschließend.

(APA/Red)

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