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Nach 25 Jahren: Neue Details rund um Ötzi

Im September vor 25 Jahren wurde Ötzi entdeckt.
Im September vor 25 Jahren wurde Ötzi entdeckt. ©dpa
Am 19. September 1991 ging eine Nachricht um die Welt: In den Ötztaler Alpen war eine mumifizierte Gletscherleiche auf rund 3.200 Meter Höhe gefunden worden. Die Medien gaben der Eismumie den Namen Ötzi. Der Rest ist Geschichte. Nach 25 Jahren sind viele der Details rund um den Eismann erforscht. Auch die Mumie selbst wurde auf Herz und Nieren geprüft. Das Todesszenario des Mannes vom Tisenjoch aber bleibt nach wie vor umstritten. Jetzt sind neue Theorien aufgetaucht.
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Von Alexander Binsteiner

Antworten auf die Frage, warum der Ötzi vor etwa 5.500 Jahren in den Bergen starb, könnten erneut seine Feuersteingeräte geben. Sechs Utensilien fanden sich in der Ausrüstung, ein Feuersteindolch, ein Set aus einer Klinge, einem Bohrer und einer Lamelle in seiner Gürteltasche und zwei Pfeilspitzen, bereits befestigt an abschussbereiten Pfeilen im Köcher. Die Feuersteine für diese Gerätschaften und Waffen kamen aus den Abbaugebieten in den Lessinischen Bergen (Monti Lessini) nördlich von Verona.

Archivbild vom 27. März 1998 zeigt die Gletschermumie
Archivbild vom 27. März 1998 zeigt die Gletschermumie "Ötzi". Neun Jahre nach dem Fund wurde der Gletschermann wieder aufgetaut. /dpa/Ansa/Ravanelli ©Archivbild vom 27. März 1998 zeigt die Gletschermumie “Ötzi”. Neun Jahre nach dem Fund wurde der Gletschermann wieder aufgetaut. /dpa/Ansa/Ravanelli

Feuersteintyp auch in Bayern und Oberösterreich

Weitere Forschungen zeigten, dass dieser spezielle Feuersteintyp auch in der Schweiz, in Bayern und Oberösterreich vor allem in den Pfahlbausiedlungen der Kulturen des vierten Jahrtausends vor Christus vorkam. Zunächst waren es nur erstklassig gearbeitete Feuersteindolche, die scheinbar als Einzelstücke in den Siedlungsinventaren auffielen. Dazu zählt beispielsweise auch der perfekt gearbeitete Dolch aus dem Erdwerk von Altheim- Essenbach (Altheimer Kultur 3800 -3350 v. Chr.) nahe Landshut in Niederbayern. Seine leicht asymetrische Form und Größe sind unmittelbar mit dem Dolch Ötzis vergleichbar.

Einziger Unterschied ist, bei dem Dolch aus Landshut ist die Spitze nicht abgebrochen. Heute kennt man Hunderte von Artefakten aus dem italienischen Feuerstein nördlich der Alpen, und nicht nur Dolche, sondern das gesamte Werkzeugset dieser Zeit. Neuerdings gibt es auch eine gelochte Marmorscheibe aus dem Altheimer Erdwerk. Es ist der gleiche Typ, den auch der Ötzi bei sich hatte.

Kam Ötzi wegen des Kupfers?

Während der jahrzehntelangen Untersuchungen wurde dann deutlich, dass es sich bei den Kontakten der Steinzeitmenschen über die Alpen hinweg um Handelsbeziehungen gehandelt haben muss, die ausschließlich der Beschaffung von Rohkupfer gedient haben. Der bilaterale Handel mit Feuersteinen spielte keine Rolle. Die Prospektoren und Händler aus dem Süden waren an den Kupferlagerstätten des Salzkammergutes interessiert. Die italienischen Feuersteine dienten wahrscheinlich nur als Tauschware.

Beil aus dem Salzburger Pongau

Das Kupfer war die eigentliche Triebfeder, das die Zeitgenossen des Ötzi über den Alpenhauptkamm nach Norden führte. Das Beil des Eismannes war den geochemischen Analysen zufolge aus Mondseekupfer hergestellt worden, das höchstwahrscheinlich aus den großen Lagerstätten am Mitterberg im Salzburger Pongau stammte. Die Pfahlbauer an Mond- und Attersee betrieben dort ihre Minen und förderten den für die Jungsteinzeit innovativen Rohstoff zutage. Die Steinzeitschmiede der Mondseekultur (3800-3300 v. Chr.) beherrschten das Gießen von Kupfer zu erstklassigen Beilen bereits meisterhaft.

Ötzis Kupferbeil./Prof. K. Spindler
Ötzis Kupferbeil./Prof. K. Spindler ©Ötzis Kupferbeil./Prof. K. Spindler

Neues Todesszenario

Selbstverständlich ist der Handel mit kostbaren Rohstoffen zu allen Zeiten ein brauchbares Tatmotiv, um einen Mord zu begehen. Und so wird es auch in der Steinzeit Menschen gegeben haben, die versuchten, sich das Hab und Gut anderer durch Diebstahl und Raub anzueignen. Man braucht keine großen Verrenkungen zu machen, um sich vorzustellen, dass es auf einer der Hauptpassagen über den Alpenhauptkamm am Tisenjoch zu einem Überfall von Wegelagerern auf einen Kupfertransport gekommen sein kann, der aus Richtung des Inntales das Ötztal hinauf auf dem Weg zurück nach Italien war. Dabei kam der Ötzi als Teilnehmer einer dieser Expeditionen durch einen Pfeilschuss in den Rücken ums Leben. Seine Gefährten bestatteten den Toten mit seiner persönlichen Ausrüstung direkt am Pass. Nur so kann plausibel erklärt werden, warum das kostbare Kupferbeil des Ötzi bei dem Leichnam blieb. Die Bergbestattung des Eismannes wurde auch schon von anderen Forschern in unterschiedlichen Szenarien dargestellt.

Nach 25 Jahren kann das Puzzle jetzt endgültig zusammengesetzt werden. Heute steht zweifelfrei fest, dass bereits in der Jungsteinzeit vor 5500 Jahren die Zeitgenossen des Ötzi von Italien aus den Alpenhauptkamm überschritten haben, um sich im nördlichen Alpenvorland Rohkupfer zu beschaffen.

 

Alexander Binsteiner war unter Konrad Spindler Chefgeologe im Eismann-Projekt an der Universität Innsbruck.

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