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Muzicant empfindet Abu-Nidal-Urteil als "Sauerei"

Heftige Kritik an der gerichtlich angeordneten Freigabe eines mutmaßlichen Terroristen-Kontos übt der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Ariel Muzicant.

Er halte das erstinstanzliche Urteil betreffend das Sechs-Millionen-Euro-Konto der terroristischen palästinensischen Abu-Nidal-Gruppe (“Fatah-Revolutionärer Rat”) für eine “Sauerei”, sagte Muzicant laut Aussendung der am morgigen Mittwoch erscheinenden Wiener Stadtzeitung “Falter”. Die Gruppe wird u.a. für die Ermordung des Wiener SPÖ-Stadtrats und Präsidenten der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft, Heinz Nittel, 1981 und für den blutigen Anschlag auf die Wiener Synagoge 1982 verantwortlich gemacht.

“Ich halte dieses Urteil für eine Sauerei. Damals wurden vor dem Tempel eine schwangere Frau und ein 86-jähriger Mann umgebracht. Deren Angehörige leben heute noch. Sie werden um ihren Schadenersatz geprellt”, wurde der IKG-Präsident wörtlich zitiert. Ein Gericht in Wien hatte kürzlich das Konto mit der Begründung freigegeben, die Terrortruppe habe sich aufgelöst, und die Terroristen von einst seien nur “privat” unterwegs. Die Staatsanwaltschaft Wien geht allerdings davon aus, dass das in Wien gebunkerte Geld “unzweifelhaft” an Terroristen im Nahen Osten gehen werde.

Muzicant verweist gegenüber dem “Falter” darauf, dass die Kultusgemeinde seit den Anschlägen in den 1980er-Jahren pro Jahr drei Millionen Euro für die Bewachung jüdischer Einrichtungen zu tragen habe, “das meiste müssen wir selbst bezahlen”. Der IKG-Präsident übt auch Kritik an einzelnen Richtern: “Ich kann mich über die Blindheit österreichischer Richter nur noch ärgern. Schon der Holocaust-Leugner David Irving wurde ja mit dem Argument vorzeitig entlassen, er werde sich bessern. Bereits im Flieger leugnete er wieder die Existenz von Gaskammern. Es würde mich nicht wundern, wenn das Abu-Nidal-Geld wieder zur Finanzierung des Terrors dient.”

Ariel Muzicant kritisiert auch den laufenden Nationalratswahlkampf: “Heute noch scheuen sich SPÖ und ÖVP davor, manche Kader der FPÖ als das zu bezeichnen, was sie sind: Kellernazis. Dabei haben viele FPÖ-Politiker den Holocaust und die Gaskammern geleugnet.”

Der 2002 unter mysteriösen Umständen in Bagdad ums Leben gekommene Abu Nidal (“Vater des Kampfes”) (eigentlich Sabri al-Banna) war 1973 aus der von Yasser Arafat geführten stärksten PLO-Teilorganisation Fatah ausgeschlossen und von einem PLO-Gericht in Abwesenheit zum Tod verurteilt worden. Nach der Anerkennung des Existenzrechts Israels durch die Palästinensische Befreiungsorganisation hatte Abu Nidal zur Ermordung Arafats aufgerufen, dem er “Hochverrat” am palästinensischen Volk und an der arabischen Nation vorwarf. Seine Gruppe “Fatah-Revolutionärer Rat” wurde vom US-Außenministerium als “gefährlichste Terrororganisation mit dem weitesten Aktionsradius” charakterisiert und für Anschläge in mehr als zwanzig Ländern verantwortlich gemacht. Der französische Geheimdienst verfügte über Hinweise, dass Abu Nidal von arabischen Golf-Monarchien hohe Geldsummen erhalten hatte.

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