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Mit starkem Drang zum Trivialen

Perfekt eingeheizt wurde dem Publikum bei der ersten Premiere - Maskerade: Zwei Liebespaare, ein alter Griesgram, ein rauschendes Fest, ein paar Zaubereien und ein Happy End.   | Alle Infos

Carl Nielsens 1906 uraufgeführte Oper „Maskerade“ enthält aber auch viel, was einen Theaterabend begehrt macht.

Und von David Pountney weiß man schon lange, dass er das bestens zu nutzen versteht.

Perfektion pur und hohe Musikalität auch am Regiepult ließen ein Werk, das von der theatralischen Gestalt her nicht nur uneinheitlich wirkt, sondern auch schlicht so ist, kompakt erscheinen.

Lediglich der starke Drang zum Trivialen, den der Festspiel-Intendant gemeinsam mit dem Choreografen Renato Zanella erneut auslebt, erzeugt diesmal auch manch billigen Witz. Elvis Presley und Marilyn Monroe, ein Matador und Madonna, gestylte Muskeln und eine Beauty-Queen – war das ein Fingerzeig auf jene Unterhaltungsindustrie, die sich heutzutage jener Feste bemächtigt, die an sich ungestüm sein sollten? Läuternd und menschlich wie jene „Maskerade“, die Nielsen nach einer Komödie des norwegisch-dänischen Dichters Ludvig Holberg verfasste.

In einem Opernbetrieb, den die sterbenden Helden dominieren, hatte das Werk des Dänen bislang wenig Platz.

Das Landestheater in Innsbruck immerhin kümmerte sich vor einem guten Jahrzehnt um die Narretei. Man brüllte gut, wurde aber kaum gehört. Ein Schicksal der Provinz, das auch dem Musiker aus dem Norden nicht fremd war. Von erwähntem Dichter des 18. Jahrhunderts inspiriert, reicht Carl Nielsen als Tonschöpfer nämlich weit ins 20. Jahrhundert.

Plausible Charaktere

Der Kerl von der Insel Fünen hat Stimmen und Instrumenten ordentlich Stoff gegeben, sich aber um die Einhaltung einiger Gesetzmäßigkeiten im Genre Oper wenig geschert. Lieder, Hymnen und ein skurriler Variet-ton dringen durch. Dabei war ihm Wagner nicht fremd, er lässt ihn hören, zitiert ihn geschickt, verzichtet jedoch auf Leitmotivik. Auch die Wiener Klassik im Rücken und den Blick nach vorn gerichtet, weist Nielsen seinen Charakteren Tonarten zu, die sie plausibel machen.

Dies wird von der Ausstattung (Bühne: Johan Engels, Kostüme: Marie-Jeanne Lecca) schön aufgenommen. Der Alltag ist düster, man sehnt sich nach Farbe, die jeweils hinter den dunklen Türen schimmert. Nur Jeronimus, der gestrenge Hausherr, bringt Schnee und Kälte mit. So funktioniert Theatersymbolik, so wird sie klar. Doch beim Fest geht Pountney und Zanella der Gaul durch. Was mit der Einführung eines Cupido-Kobolds, der Shakespeares „Sommernachtstraum“ entsprungen scheint, so luftig leicht begann, bleibt später am Boden kleben. Die geheimen Gelüste, die sich in kleinen Verwandlungsszenen offenbaren, kommen zuweilen pfiffig, aber oft derb daher. Nachmittagsprogrammsex für jene, die lieber mit dem groben Pinsel zeichnen, der die Sicht auf das Feine verstellt.

Ein Effekt, dem Ulf Schirmer am Pult der Symphoniker kompetent entgegenwirkt, was das Publikum auch mit Jubel goutierte.

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