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Mit 63 in Rekordzeit Jus studiert

Die 20-fache Oma hat Jus studiert. Die einen häkeln. Andere gehen zum Seniorentanz. Groß ist die Auswahl ja nicht für Pensionisten, die nur eine schmale Pension und Ausgleichszulage verfügbar haben.

Es sei denn, sie sind noch derart wissbegierig und so mutig wie Gertraud Burtscher. Pardon, Mag. Gertraud Burtscher. Das Klingelschild ihrer Bludescher Wohnung hat sie schon ausgewechselt.
Am 25. September 2006 hat die Universität Graz der 63-jährigen Studentin den akademischen Grad einer „Magistra der Rechtswissenschaften“ zuerkannt. Nach Rekordstudienzeit von drei Jahren. Und das kam so:

Hausfrau und Mutter

„Warten’s, ich bring Ihnen ein Wasser.“ Vor lauter Erzählen hat sie doch glatt auf die Bewirtung vergessen. Dabei ist Gertraud Burtscher Trubel gewöhnt. Die gebürtige Wienerin hat „sieben Kinder zur Welt gebracht und ist Oma von 20 Enkelkindern“. 32 Jahre lang hat sie als „Nur“-Hausfrau ihre Familie versorgt.

Studieren durfte sie als Mädchen nicht. Auch Matura galt als unnötiger Luxus. Also besuchte sie Volksschule, Hauptschule, Berufsschule. Die Zeugnisse hat sie alle noch. Es stehen lauter Einser drin. Da hat selbst der Wiener Stadtschulrat der Absolventin der Berufsschule urkundlich „für besonderen Fleiß und die erreichten Unterrichtserfolge die Anerkennung ausgesprochen“. Aber genützt hat’s nichts. Gertraud Burtscher musste Jahrzehnte warten, bis ihre Stunde schlug.

Die letzten Jahre bis zur Pension arbeitete sie als Kassiererin. Anfang 2003 sperrte sie die Kassa dann für immer zu. Stuckte Monate auf die Studienberechtigungsprüfung. Holte nach, was bis zur Matura fehlte und nahm im Oktober 2003 in Graz ein Zimmer. Eine Studentenbude. „Mit einer noch älteren Frau als Zimmerwirtin. Die hat mich richtig bemuttert.“

Im Hörsaal

Endlich. Gertraud Burtscher, 20-fache Großmutter mit Mindestrente, war Studentin. Saß mit 350 anderen im Hörsaal. Streckte den Finger in die Höh, wenn alle anderen noch der Antwort entgegen dämmerten. Schaffte eine Prüfung nach der anderen, lernte einen Sommer durch und war nach drei Jahren am Ziel. Sponsion. Rückkehr ins Ländle, das sie so vermisst hat.

Und? Sie lächelt. „An Job tät ich halt suchen.“ Nicht wegen dem Geld. Aber, was sie sich da alles angeeignet hat, darf doch nicht ungenützt bleiben, oder? Als Berufsanwärterin bei einem Steuerberater, das wärÑs! Und wenn das nicht klappt, „mach ich halt das Gerichtsjahr, da hab ich ein Anrecht drauf, bis ich 90 bin“. Die Enkel, die Kinder, alle sind sie ganz stolz auf die neue Magistra. Und die Nachbarn kommen auch schon, um juristisch um Rat zu fragen.

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