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Mildes Urteil nach Renoir-Diebstahl in Wien

Der 60-Jährige wurde sofort auf freiem Fuß gesetzt.
Der 60-Jährige wurde sofort auf freiem Fuß gesetzt. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Am Donnerstag wurde ein Mitglied jenes Diebes-Trios, das im Vorjahr ein Renoir-Gemälde im Wiener Dorotheum entwendet haben soll, wegen schweren Diebstahls nicht rechtskräftig verurteilt.
Beim Prozess in Wien
Kunstdiebstahl im Dorotheum

Einer der drei Männer, die im November 2018 im Wiener Dorotheum ein Renoir-Gemälde gestohlen haben sollen, ist am Donnerstagnachmittag zu 24 Monaten, davon acht Monate unbedingte Haft, wegen schweren Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden. Da der 60-Jährige seit Anfang Dezember in U-Haft sitzt, wurde er sofort auf freiem Fuß gesetzt.

Gestohlenes Renoir-Gemälde bis heute verschwunden

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Während der Beschuldigte die Strafe annahm, kündigte die Staatsanwaltschaft Berufung an. Der Ukrainer muss zudem an eine Versicherung 120.000 Euro zahlen, um den Schaden wieder gut zu machen. Das Gemälde ist bis heute verschwunden.

Der Mann bestritt stundenlang vehement die Vorwürfe und tat sie als "Fantasie des Anklägers" ab. "Ich habe mit dem Verbrechen nichts zu tun", sagte der Ukrainer. Er sei mit zwei Landsmännern nach Wien gekommen, um Frauen kennenzulernen, weil er eigentlich nach Europa auswandern wollte. "Ich habe überhaupt keinen Bezug zu diesem Verbrechen."

60-Jähriger soll auf Kunst-Diebstähle spezialisiert sein

Am 23. November 2018 reiste der Ukrainer mit dem Flugzeug aus Moskau nach Wien. Laut Staatsanwaltschaft soll der auf Kunst-Diebstähle spezialisierte Profi den Coup in Wien mit zwei Landsmännern federführend organisiert haben. Einen Tag später trafen seine Komplizen ein. Am 26. November gingen die drei um 17.15 Uhr ins Dorotheum, um sich das Gemälde anzusehen. "Sie tun so, als würden sie sich nicht kennen", beschrieb der Staatsanwalt die Auswertung der Videoüberwachung.

Zielgerichtet gingen sie zu dem im zweiten Stock ausgestellten Werk von Pierre August Renoir, das zwei Tage später bei einer Auktion für Klassische Moderne unter den Hammer hätte kommen sollen. "Und dann geht alles ganz schnell", sagte der Staatsanwalt. Während der 60-Jährige von einem Nebensaal aus den Raum im Blick behielt, nahmen die beiden anderen das Werk aus dem Rahmen und steckten es in eine Einkaufstasche. Mit einer Handbewegung deutete der nun Angeklagte seinen Komplizen den Fluchtweg an. Die drei verließen mit dem wertvollen Bild unbehelligt das Gebäude in der Dorotheergasse.

Angeklagter wurde in den Niederlanden festgenommen

Bilder aus der Überwachungskamera, Rufdatenauswertungen sowie die Daten über die Ein- und Ausreise des Trios wurden genau registriert. Der 60-Jährige, der auf der Flucht stets in Kontakt mit seinen Landsmännern blieb, wurde deshalb bald identifiziert und am 8. Dezember 2018 in den Niederlanden geschnappt. Auch während der Verhaftung schrieb der Ukrainer einem seiner Helfer eine Whatsapp-Nachricht: "Ich wurde in Amsterdam abgeholt."

Einer seiner beiden Komplizen wurde im Frühjahr in der Ukraine festgenommen. Er befindet sich dort wegen Mordes in Haft. Der dritte Mann - ebenfalls ein gebürtiger Ukrainer - und das abhandengekommene Gemälde sind vorerst weiter verschwunden. Das 1895 entstandene, 27 mal 40 Zentimeter große Landschaftsgemälde "Bretonische Küstenlandschaft" wurde auf einen Wert zwischen 120.000 und 160.000 Euro geschätzt. Die Bande wird zudem verdächtigt, ähnliche Delikte in anderen Ländern begangen zu haben, weshalb die Behörden in Frankreich den 60-Jährigen

Mann wollte nichts mit Coup in Wien zu tun haben

Wortreich bestritt der 60-Jährige, etwas mit dem Coup in Wien zu tun zu haben. "Sie erzählen mir immer etwas Anderes, als ich gefragt habe", versuchte der Schöffensenatsvorsitzende Mario Bandarra den Angeklagten zum Punkt zu bringen. Er beschuldigte die beiden anderen Männer, ihn in Sache hineingezogen zu haben. "Das war gegen meinen Willen."

Nach einer Shoppingtour in der Wiener City seien die drei am Dorotheum vorbei gegangen. "Ich wollte eigentlich nicht hineingehen", sagte der Beschuldigte, der angab, selbstständiger Antiquitätenhändler zu sein. Zwar er hätte sich zuvor für eine Bronzefigur in der Ausstellung interessiert, doch er wollte mit den vielen Einkaufssackerln nicht in das Aktionshaus. "Ich hatte eine Vorahnung, dass etwas Schlimmes passiert", sagte er kryptisch. Als sie in dem Raum mit dem Renoir-Gemälde waren, habe er sich umgedreht und plötzlich ein Geräusch gehört. "Wie wenn etwas knistert", sagte er. "Es war mir klar, dass die etwas Böses gemacht haben und dass ich dafür herangezogen werde", meinte der Angeklagte. "Die haben mich in die Scheiße reingezogen."

Nach Gemälde-Diebstahl im Dorotheum: "Ihr seid Idioten"

"Warum haben Sie nicht gefragt, was die beiden gemacht haben", wollte der Richter Mario Bandarra wissen. "Ich wollte das gar nicht wissen." Später meinte er aber doch, dass die Männer erzählt hätten, ein Bild gestohlen zu haben. Seine Reaktion: "Ihr seid Idioten." Eigentlich wollte er tags darauf mit dem Flieger zurück nach Moskau, doch das habe er sich nicht mehr getraut, aus Angst, die Polizei könnte ihn schnappen. Mit dem Bus sei er dann über Bratislava in die Ukraine gefahren. Warum habe er nicht die Exekutive alarmiert, wenn er mit der Sache ja nichts zu tun habe, fragte Bandarra. "Die Polizei zu rufen, widerspricht meinen moralischen Prinzipien", sagte der Angeklagte.

Trotz alle dem hatte sich der 60-Jährige in seiner Heimat noch mit den beiden Männern getroffen. "Ich habe verlangt, dass sie das Gemälde zurückbringen", sagte der Beschuldigte. Die Männer hätten "ja" gesagt. "Und haben sie es gemacht?", fragte der Richter. "Das weiß ich nicht", meinte der Angeklagte.

Weitere Kunstdiebstähle in Frankreich verübt

Dass die Bande auf Kunst-Diebstähle spezialisiert sein dürfte, zeigten zahlreiche Überwachungsfotos, die das Gericht dem Angeklagten vorlegte. Im September 2017 etwa wurde aus einem Auktionshaus in Frankreich ebenfalls ein Werk von Pierre August Renoir gestohlen. Das Gemälde "Porträt eines jungen blonden Mädchens" hätte in Saint-Germain-en-Laye nahe Paris versteigert werden sollen. Sein Wert wurde auf 25.000 bis 30.000 Euro geschätzt. "Sind Sie das?", fragte der Richter und deutete auf den Mann auf den Bildern aus der Überwachungskamera. "Diese Person sieht mir ähnlich", meinte der Beschuldigte.

Der 60-Jährige soll auch für den Diebstahl eines wertvollen Buches in einem Pariser Auktionshaus im Sommer 2017 verantwortlich sein. "Das ist auch eine Person, die mir ähnlich sieht", kommentierte er die Überwachungsfotos von dem Coup. Zwei Wochen vor dem Diebstahl in Wien soll der Ukrainer auch im Schloss Versailles zugeschlagen haben und aus einem Ausstellungsraum zwei Gemälde gestohlen haben, wie die Behörden nun ermittelten. "Ich habe damit nichts zu tun", sagte der Angeklagte. 2005 stand er allerdings in seiner Heimat vor Gericht, nachdem er ein Gemälde des russischen Malers Iwan Konstantinowitsch Aiwasowski aus einem ukrainischen Museum entwendet hatte.

(APA/Red)

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