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Merkel/Sarkozy lösten keine Aufregung und wenig Begeisterung aus

Die Aufregung hält sich in Grenzen, die Begeisterung auch. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben Vorschläge für eine engere Koordination der Wirtschaftspolitik in der Eurozone gemacht.

Damit scheinen sie niemanden verärgert, aber auch niemanden wirklich glücklich gemacht zu haben. “Die Probleme der Eurozone sind nicht geringer geworden”, sagte ein EU-Diplomat. Und viele Streitfragen bleiben unverändert auf dem Tisch.

Im Oktober vergangenen Jahres hatte es noch richtig Aufregung gegeben. Damals hatten Merkel und Sarkozy in Deauville eine strengere Bestrafung von Defizitsündern bis hin zum Stimmrechtsentzug für die schlimmsten Schuldenmacher gefordert. Zehn Tage vor einem EU-Krisengipfel fühlten sich vor allem kleinere Euro-Mitglieder vom Schreckgespenst eines “deutsch-französischen Direktoriums” in die Enge getrieben, von der gefürchteten “Achse Paris-Berlin” überrollt.

Deutschland und Frankreich mit mehr Fingerspitzengefühl

Nun ist es anders. Der Leidensdruck in der gebeutelten Eurozone ist heute deutlich größer als vor knapp einem Jahr. Stärker denn je hängt der Euro am Tropf Deutschlands. Und Merkel und Sarkozy haben mit rechtzeitiger Ansage und zeitlichem Vorlauf zum nächsten EU-Gipfel vom 17./18. Oktober sorgsam den Eindruck vermieden, es handle sich um eine Überraschungsaktion der beiden Großmächte im Eurogebiet.

Vor allem aber handelt es sich bei den deutsch-französischen Vorschlägen vor allem um Verfeinerungen dessen, worüber man sich ohnehin schon seit längerem einig ist. Schon seit Monaten wird nicht nur über eine striktere Anwendung der schon seit langem bestehenden EU-Schuldenbremse des Stabilitätspaktes geredet – wobei die Regierungen sich mit dem Europaparlament bis jetzt immer noch nicht über die Bestrafung von Schuldensündern geeinigt haben. Auch die Einführung von Schuldenbremsen in die nationalen Verfassungen der 17 Euroländer ist kein neuer Gedanke.

Merkel und Sarkozy erläuterten in einem Brief an EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy, die von den Regierungschefs der Eurozone gebildeten regelmäßigen Gipfel sollten der “Dreh- und Angelpunkt” der neuen Wirtschaftsregierung sein. Hier sollen die Regierenden die Anwendung des Stabilitätspakts durch die Regierungen – also sich selbst – überwachen “und die nötigen Entscheidungen zur Vermeidung von Krisen treffen”. Wirklich neu erscheint das nicht. Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Staaten sind seit 2008 schon mehrmals zu Euro-Sondergipfeln zusammengekommen. “Wichtig ist, dass diese Initiative nicht nur zu mehr Sitzungen führt”, sagt der schwedische Regierungschef Fredrik Reinfeldt zum Merkel-Sarkozy-Papier.

Bisher waren die Finanzminister der Eurogruppe unter Führung des luxemburgischen Premiers (und Schatzministers) Jean-Claude Juncker für das Kleingedruckte der Euro-Währung zuständig. Mittlerweile fühlen sich die “Chefs” jedoch selbst berufen. Auch wenn sie, wie sich zuletzt beim Euro-Krisengipfel vom 21. Juli nicht nur bei Sarkozy und dem Niederländer Mark Rutte zeigte, gelegentlich den Überblick darüber verlieren, was sie gerade beschlossen haben und was nicht.

Kritikpunkte Finanztransaktionssteuer und Eurobonds

Schwierig könnte die Einführung der von Merkel und Sarkozy empfohlenen Steuer auf Finanztransaktionen werden. Hier geht es nicht nur um die Frage, in welchem Umfang das Nicht-Euro-Land Großbritannien mit dem wichtigen Finanzplatz London mitzieht. Es geht auch darum, wohin eigentlich die Einnahmen aus einer solchen Steuer fließen sollen. Die EU-Kommission nämlich möchte das Geld als eigene Einnahme verbuchen, um damit gleichzeitig die direkten Beiträge aus den Staatskassen der 27 EU-Länder zu verringern.

Das Thema Eurobonds – also gemeinsame Anleihen aller Eurostaaten, bei denen die stabilen Partner wie Deutschland für geliehenes Geld künftig höhere Zinsen bezahlen müssten, die Schuldensünder aber geringere – steht nach wie vor auf der Tagesordnung. Ihre Einführung wäre das endgültige Zeichen dafür, dass die Eurozone zu einer “Haftungsgemeinschaft” geworden ist. Als erstes Zeichen dafür wurde von vielen Diplomaten bereits die Erweiterung der Aufgaben des Rettungsfonds EFSF im Juli verstanden. Die EU-Kommission ist für die Bonds, sieht aber, so ein Sprecher, “derzeit kein politisches Einvernehmen” zu diesem Thema.

Sarkozy und Merkel wollen auch jenen Euroländern, die ihre nationalen Defizite nicht in den Griff bekommen, künftig die Gelder aus den Struktur- und Kohäsionsfonds der EU sperren. Das dürfte dann doch noch Ärger geben.

(APA)

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