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Mehrsprachigkeit in Wien soll gestärkt werden

Fachleute fordern Stärkung der Mehrsprachigkeit in Wien
Fachleute fordern Stärkung der Mehrsprachigkeit in Wien ©APA (Sujet)
Aktuell werden in Wien rund 250 Sprachen gesprochen. Fachleute sind sich einig, dass in dieser Vielfalt enormes, nicht zuletzt wirtschaftliches Potenzial schlummert. Deshalb forderten Wissenschafter am Donnerstag Mut von der Politik, die Mehrsprachigkeit u.a. im Bildungssystem zu stärken.

Man müsse weg von einzelnen Projekten hin zur flächendeckenden Systemimplementierung kommen. Anlass für die Pressekonferenz war ein gestern, Mittwoch, gestartetes zweitägiges Symposium zum Thema. Forscher und Experten nahmen die Mehrsprachigkeit in der Donaumetropole vor allem aus historischer Sicht unter die Lupe. Bildungswissenschafter Vladimir Wakounig von der “Initiative Minderheiten”, die die Veranstaltung organisiert hat, verwies auf die wichtige Rolle der Schule.

Hier müsste nicht nur der Amtssprache – also in diesem Fall Deutsch -, sondern auch den diversen Muttersprachen der Schüler Raum gegeben werden. Er forderte ein Ende der “Defizitrhetorik”, nach der Migrantenkinder stets über Mängel im deutschen Idiom beurteilt würden.

Experten fordern Stärkung der Mehrsprachigkeit

Rüdiger Teutsch, Leiter der Integrationsabteilung im Unterrichtsministerium, sprach sich ebenfalls für mehr Augenmerk auf Diversität aus. Da passiere auch schon viel im kleinteiligen Bereich – aber: “Die zentrale Frage ist: Wie kommen wir von den Projekten in den Mainstream?” Denn allzu oft würden einer möglichst großflächigen Systemimplementierung die “Fallstricke” zwischen Bund und Ländern in die Quere kommen. Wünschenswert sei jedenfalls, die Vielfalt im Klassenzimmer auch im Lehrerzimmer abzubilden.

Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) versicherte, dass die Stadt Mehrsprachigkeit kontinuierlich fördere und sich für deren Verankerung in der Gesellschaft stark mache. Die Ressortchefin verwies etwa auf den “Forschungskindergarten”, ein rot-grünes Wissenschaftsprojekt zum Spracherwerb der Kleinsten, die acht Idiome umfassende und kürzlich präsentierte Sprachen-App, die Phrasen des Alltags schnell übersetzt, oder die Initiative “LesepatInnen”, dank der Kindern in ihrer jeweiligen Muttersprache vorgelesen wird.

“Mehrsprachigkeit ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts”

“Mehrsprachigkeit ist die Herausforderung des 21. Jahrhunderts”, assistierte der grüne Integrationssprecher Senol Akkilic. “Ich möchte nicht, dass ein Kind sich für seine Erstsprache schämen muss”, was aber leider immer noch regelmäßig passiere. Außerdem verwies er auf den wirtschaftlichen Aspekt: Allein durch die Diversität im Wiener Magistrat oder Krankenanstaltenverbund würden Kosten eingespart, weil man sich viele Dolmetscher spare.

Regina Wonisch, Leiterin des Forschungszentrums für historische Minderheiten, machte deutlich, dass das Thema Mehrsprachigkeit schon zu Zeiten der Monarchie für Konflikte sorgte, wobei einige Aspekte in den aktuellen Debatten immer noch regelmäßig auftauchen. So machten die Tschechen in Wien um 1900 etwa ein Viertel der zwei Millionen Menschen zählenden Bevölkerung aus. Da ihre Sprache im Bildungssystem nicht anerkannt war, kämpfte die gar nicht so kleine Minderheit für eigene tschechischsprachige Schulen – nicht zuletzt aus der Überlegung heraus, dass Kinder dann die Mehrheitssprache Deutsch besser lernen würden, wenn sie auch in ihrer Muttersprache gefördert würden. Der Erfolg war gering: Bis zum Ersten Weltkrieg wurde lediglich eine derartige Schule eröffnet.

“Einsprachigkeit ist historisch betrachtet ein Sonderfall, Mehrsprachigkeit der Normalfall”, betonte der Historiker Wladimir Fischer. Er wünschte sich u.a. ein städtisches Archiv für Migration sowie Geld für die Erforschung der Diversität in der Stadt.

(APA)

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