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Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen: Notrufnummer und strengere Strafen

Am Donnerstag wurden Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen von der Regierung präsentiert.
Am Donnerstag wurden Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen von der Regierung präsentiert. ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Im von der Regierung präsentierten Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen sind neben einer Notrufnummer auch etliche Gesetzesverschärfungen geplant.

Nach der Häufung tödlicher Gewalttaten an Frauen durch Männer in den vergangenen Wochen hat die Bundesregierung am Donnerstag Maßnahmen zu Akuthilfe und Prävention präsentiert.

Familienministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) kündigte u.a. eine dreistellige Notrufnummer für Frauen an. Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) stellte strengere Strafen für Wiederholungstäter in Aussicht.

Gewalt an Frauen: Regierung plant Ausbau von akuter Hilfe

Edtstadler kündigte eine Vereinfachung des Betretungsverbotes an. “Künftig wird es eine Bannmeile von 50 Metern um eine gefährdete Person geben”, sagte sie bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bogner-Strauß und Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) in Wien. Bei einer Verurteilung wegen Vergewaltigung soll es künftig keine gänzlich bedingten Freiheitsstrafen geben, sagte Edtstadler, die auch Mindeststrafen bei schwerwiegenden Gewalt- und Sexualdelikten sowie strengere Höchststrafen für Wiederholungstäter avisierte.

Fallkonferenzen soll es künftig auf rechtlich fundierter Basis geben. Auch die Dokumentation von Gewalttaten müsse verbessert werden, um eine bessere Beweislage zu ermöglichen. Informationsaustausch sei hier besonders wichtig, Daten zu Gewalttätern sollen von der Polizei weitergegeben dürfen, um sich ein komplettes Bild vom Täter machen zu können. Dies soll auch auf rechtliche Grundlagen gestellt werden, denn “Datenschutz darf nicht Täterschutz werden”, so die Staatssekretärin. Im Fokus solle zudem die Täterarbeit stehen. Diese müsse möglichst früh einsetzen, bekräftigte auch Bogner-Strauß, und zwar kurz nach der Wegweisung. Zwei bis drei Tage nach der Tat seien Täter erwiesenermaßen eher zu einer Zusammenarbeit bereit.

Dreistellige Notrufnummer wird eingerichtet

Eine neue dreistellige Telefonnummer für Frauen zur Akuthilfe, “die sich jeder merken kann”, werde es in den nächsten Wochen geben, kündigte Bogner-Strauß an. Der 24-Stunden-Notruf werde derzeit von der Regulierungsbehörde eingerichtet. Finanzielle Kürzungen soll es heuer nicht geben, hingegen eine Aufstockung Budgets für Gewalt- und Opferschutz von “bis zu zehn Prozent”.

Laut Bogner-Strauß mangle es “nicht so sehr an Plätzen in Frauenhäusern, sondern eher an Übergangswohnungen für von Gewalt bedrohte Frauen. Insbesondere in den Bundesländern, hier wolle man mehr Wohnmöglichkeiten schaffen, weshalb die Ministerin Gespräche mit den Ländern ankündigte. In Tirol beispielsweise stünden derzeit gar keine Wohnungen zur Verfügung. Es fehle außerdem an länderübergreifenden Frauenhäusern – im eigenen Bundesland seien die Betroffenen “oft nicht weit genug vom Täter aufgehoben”. Weiters soll es flächendeckende Beratungsstellen für Frauen und Mädchen, die von Gewalt bedroht sind, in allen Bundesländern geben, betonte die Familienministerin.

Wegen Migrationsströmen: “Frau wird zum Objekt”

In Zusammenarbeit mit Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) will Bogner-Strauß hinsichtlich einer frühen Sensibilisierung im Rahmen des Ethikunterrichts, der im Schuljahr 2020/21 starten soll, das Fach “gewaltfreie Beziehung” einbauen.

Mit den Migrationsströmen seien “Haltungen wie Antisemitismus und radikaler Islamismus importiert” worden, “verbunden mit einem Frauenbild, das von uns ganz klar abgelehnt wird, das mit unserer Wertehaltung nichts zu tun hat”, meinte Edtstadler. Die Frau werde “vom Subjekt zum Objekt” gemacht. “Man gewinnt den Eindruck, dass hier auch Nachahmungstäter am Werk sind, Menschen, die sich in dieser schrecklichen Wertehaltung bestärkt fühlen.” Dagegen gelte es entschieden aufzutreten. Die Screening-Gruppe von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) werde sich jeden Mord seit erstem Jänner anschauen, so Edtstadler.

Straffällig gewordene Asylwerber sollen abgeschoben werden

“Jeder, der Schutz sucht und diesen auch tatsächlich braucht, wird bei uns in Österreich diesen Schutz auch bekommen”, sagte die Staatssekretärin im Innenministerium. “Aber wer unsere Wertehaltung ablehnt, hat diesen nicht verdient.” Daher werde man alle rechtlichen Aspekte ausschöpfen, um straffällig gewordene Asylwerber abzuschieben.

Kneissl wies in diesem Zusammenhang auf die Wichtigkeit der verpflichtenden Wertekurse für Männer und Frauen hin. Es sei ein Faktum, “dass wir ohne die Migrationskrise von 2015 nicht diese Form an Gewalt an Frauen hätten”. Ein “subjektives Unsicherheitsempfinden” gebe es seit einigen Jahren, konkret seit der Silvesternacht 2014/15. Es gehe um die Gleichberechtigung – das Wort einer Frau im öffentlichen Raum habe zu gelten, das Recht auf Gewaltfreiheit müsse vermittelt werden.

Präsentation des Maßnahmenpakets kommende Woche

Die “kulturell bedingte Gewalt” beinhalte laut der Außenministerin auch die Zunahme der weiblichen Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM; Anm.). Kneissl sagte eine Million Euro zusätzlich aus dem Integrationsbudget zu: “für den Kampf gegen Gewalt an Frauen und FGM”. Das gesamte Maßnahmenpaket gegen Gewalt an Frauen inklusive aller – auch rechtlicher – Änderungen solle in den nächsten Wochen vorgestellt werden, sagte Edtstadler.

SPÖ fordert umfassende Sofortmaßnahmen

Direkt nach der Präsentation des geplanten Maßnahmenpakets gegen Gewalt an Frauen der Bundesregierung, hat die Opposition die bisherige Untätigkeit der Schwarz-Türkisen scharf kritisiert. “Gewaltschutz geht uns alle an, auch die Bundesregierung”, sagte die SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek bei Pressekonferenz am Donnerstag in Wien und forderte umfassende Sofortmaßnahmen in dem Bereich.

“Ich bedauere es sehr, dass die Regierung erst nach heuer vier Morden an Frauen wach geworden ist, um im Bereich des Gewaltschutzes und der Gewaltprävention tätig zu werden”, ließ Heinisch-Hosek wissen. Die geforderten Sofortmaßnahmen umfassen mehr Geld – konkret zwei Millionen Euro an Sofortmaßnahmen für Frauenberatungseinrichtungen und eine Million Euro für Männerberatung und Täterarbeit. Das Frauenbudget sei mit 10,19 Millionen Euro chronisch unterdotiert. Dieses Geld sei im Budget vorhanden, argumentierte Heinisch-Hosek, so habe auch die Mehrwertsteuersenkung im Tourismus um 120 Millionen Euro kein Problem dargestellt.

Neue Notrufnummer für Heinisch-Hosek “Geldverschwendung”

Übereinstimmungen mit der Bundesregierung ortet Heinisch-Hosek bei den geplanten rechtlichen Maßnahmen der Regierung. Sie sprach sich für eine Prüfung aus, ob ein verpflichtendes Anti-Gewalt-Training ab der ersten Wegweisung und die Verhängung der U-Haft bei wiederholten Wegweisungen sinnvoll und rechtlich möglich sind.

Kritisch sieht die Frauensprecherin aber, dass der Nationale Aktionsplan zum Thema Gewaltschutz von 2014 nicht fortgesetzt wurde. Beim Frauenbudget und bei der Familienberatung sei gekürzt worden, jetzt herrsche Stillstand. Die angekündigten Investitionen seien nur Umschichtungen, kein frisches Geld. Ein Beispiel für die Konzeptlosigkeit der Regierung und “Geldverschwendung” sei die Einrichtung einer neuen Notrufnummer, meinte Heinisch-Hosek. “Es gibt seit über 20 Jahren unter der Nummer 0800/222-555 eine Hotline, die gut arbeitet und beworben werden sollte”. Sie biete rasche Hilfe und Informationen in vielen verschiedenen Sprachen.

Zu den weiteren Forderungen der SPÖ zählen u.a. eine Wiederaufnahme der von der Regierung abgeschafften Fallkonferenzen für Frauen, die von häuslicher Gewalt bedroht sind (MARAC). Richter und Richterinnen müssten sensibilisiert werden.

“Toxische Männlichkeit” als Hauptproblem

Das Thema Gewaltprävention müsse jedenfalls umfassend begriffen werden, betonte Heinisch-Hosek. Für Romeo Bissuti, Leiter des Männergesundheitszentrums ist die Arbeit mit Burschen und Männern “wichtig und wirksam bei Intervention und Prävention, um Männlichkeitseinstellungen zu bekämpfen, die Frauen das Selbstbestimmungsrecht absprechen und mit Gewalt bekämpfen”. Erfolgreiche Männerarbeit sei keine Frage des Hintergrunds oder der Sprache des Täters, sondern des Zeitfensters etwa nach behördlichem Eingreifen: “Kurz nach der Wegweisung haben wir ein ‘window of opportunity’, das wir nutzen können, um mit Männern zu arbeiten. Dafür muss man Geld in die Hand nehmen”, betonte Bissuti. “Ich glaube aber auch, dass sich die Arbeit mit Männern ökonomisch rechnet, indem man frühzeitig interveniert.”

Bei Männer- und Bubenarbeit anzusetzen sei außerdem zur Änderung von Männerbildern notwendig. Dort ist laut Birgitt Haller vom Institut für Konfliktforschung “das eigentliche Motiv zu suchen”. Patriarchale Strukturen müssten geändert werden. Auch Bissuti sieht “toxische Männlichkeit” höchst problematisch, vielmehr müssten moderne Männlichkeitsbilder eingeführt werden. Wichtig sei außerdem weniger die Höhe der Strafe für die Täter, “sondern die konsequente Strafverfolgung des Staates als Statement”, sagte Haller.

Zusammenhang von Migration und Gewalt “gewagt”

Dass die Migrationswelle der letzten Jahre zu verstärkter Gewalt geführt habe, müsste einmal wissenschaftlich erwiesen werden, meinte Heinisch-Hosek: “Ich halte es für sehr gewagt, das in diesem Zusammenhang zu behaupten.”

Abwartend hat sich NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger nach der Regierungs-Pressekonferenz zum Thema “Gewalt an Frauen” gezeigt: Schlagworte und Aktionismus seien zu wenig. “Ich darf die Ministerinnen und Minister daran erinnern, dass sie nicht Oppositionsarbeit machen und das Thema schon gar nicht parteipolitisch instrumentalisieren dürfen”, sagte Meinl-Resinger.

Liste Jetzt will echte interministeriellen Arbeitsgruppe

Ein “evidenzbasiertes und ganzheitliches Maßnahmenpaket”, forderte die Liste Jetzt (früher Liste Pilz). Die Bundesregierung habe das Thema “bisher massiv ignoriert” und die Situation durch kontraproduktive Schritte sogar verschärft, kritisierte Alma Zadic, Sprecherin für innere Sicherheit, bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien. Zadic nannte als Beispiele die ersatzlose Auflösung der “Marac”-Fallkonferenz und die Streichung finanzieller Mittel für von Frauenhäusern durchgeführte Polizeischulungen.

Die Liste Jetzt verlangt u.a. die Einrichtung einer “echten interministeriellen Arbeitsgruppe” zur Erarbeitung eines ganzheitlichen und langfristigen Ansatzes zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Datenlücken in Statistiken sollten geschlossen werden, Opfer-Täter-Beziehung aufgeschlüsselt und die Forschung zu Ursachen für Gewalttaten als Grundlage für weitere evidenzbasierte Maßnahmen intensiviert werden. Als Sofort-Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Personen schlug Zadic eine App vor, “die über mehrmaliges Betätigen der Sperrtaste stillen Alarm bei der Polizei auslöst und Standortlokalisierung des potenziellen Opfers durch die Polizei ermöglicht”.

AI: Forderung nach Abschiebung gegen Verfassung

Die Häufung von Frauenmorden erfordere Maßnahmen zur Verhinderungen solcher Straftaten, reagierte am Donnerstag Amnesty International Österreich. Darunter würden Gewaltprävention und wirksame Schutzsysteme für Frauen fallen. “Genau solche Maßnahmen hat die Bundesregierung in den vergangenen Monaten gestoppt”, betonte Generalsekretär Heinz Patzelt.

Die Forderung nach verschärften Abschiebungen für straffällig gewordene Asylberechtigte gehe am Kern des Problems vorbei und sei ein klarer Bruch mit der Verfassung. “Kein Mensch darf in ein Land abgeschoben werden, wo ihm Folter oder Todesgefahr drohen”, so Patzelt.

Maßnahmenpaket: Frauenring ortet “Populismus”

Die Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, Klaudia Frieben, sieht in den von der Regierung präsentierten Maßnahmen zum Schutz von Frauen vor Gewalt “populistische Ankündigungen”. “Wir wissen, dass Gewalt gegen Frauen keine Frage der Herkunft der Täter ist, sondern vorrangig eine Frage von Machtverhältnissen”, betonte sie am Donnerstag. Täter seien meistens die (Ex-)Partner. “Karin Kneissl spricht davon, dass Frauen sich auf der Straße nicht mehr sicher fühlen könnten, die meiste Gewalt passiert aber in den eigenen vier Wänden”, schrieb Frieben in einer Aussendung. Auch vor der Flüchtlingskrise seien die Frauenhäuser in Österreich überfüllt gewesen.

Die Ankündigung einer neuen Notrufnummer sei nicht nachvollziehbar. Die bereits bestehende Frauen-Helpline 0800/222-555 sei seit vielen Jahren etabliert und rund um die Uhr besetzt. Die Empfehlungen der Istanbul-Konvention, die Österreich ratifiziert hat, “liegen auf dem Tisch”, so Frieben: “Es geht darum, endlich Geld in die Hand zu nehmen und die umfassenden Maßnahmen im Bereich Prävention, Opferschutz und Täterarbeit umsetzen.” Das Recht auf Gewaltfreiheit sei außerdem mit ökonomischer Sicherheit verknüpft, weshalb Kürzungen im Sozialsystem und bei der Arbeitsmarktpolitik der Sicherheit von Frauen sicher nicht zuträglich seien.

(APA/Red)

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