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Marilyn Manson - wenig Schock in Wien

Manson versuchte mit Sexszenen und anderen Provokationen zu schockieren, schaffte es mit seiner an US-Klischees angelehnten Show im "aufgeschlossenen" Wien aber nicht wirklich.
© APA
Marilyn Manson ist nicht der Antichrist. „Vieeeennnna! I want you to sing for me!“, würde der Leibhaftige nie und nimmer seiner Gefolgschaft zurufen. Brian Warner, wie der 34-jährige, in Medien gerne als Schockrocker bezeichnete Sänger in der Sado-Latzhose mit bürgerlichem Namen heißt, ist Sänger. Einer, der nach der Provokation nun das Variete der Berliner Dreißiger als Stilmittel entdeckt hat. Die daher „Grotesk Burlesk“ genannte Tour führte Manson am Freitagabend nach Wien. Die weibliche Hauptrolle im inszenierten Albtraum übernahm Peaches im Vorprogramm.

Schwarze Kleider – weiße Gesichter

Die Szenerie in der nicht ganz gefüllten Stadthalle (9.600 Karten sind laut Veranstalter im Vorverkauf weggegangen) erinnerte an einen Kindermaskenball mit Thema Halloween. Im obligatorischen schwarzen Outfit steckten Menschen, grundsätzlich bleich oder mit weiß geschminkten Gesichtern, die im imaginären Wettbewerb „Wer ist der Bösere“ konkurrierten – und dabei bisweilen recht lächerlich wirkten. Das tat Peaches, die als weiblicher Rock-Macho eben diese Type karikierte, nicht.

„I don’t give a fuck!!!“, plärrte Merril Nisker alias Peaches, Alleinunterhalterin mit Vorlieben für Techno, Punk, Schwermetall und Latex, zwei Mal dem verdutzten Publikum entgegen. Sie schickte noch ein paar „fuck“ und „shit“ hinterher, ehe die 36-Jährige im Lackdress, aus dem sie sich zunehmend schälte, zu wabernden Beats aus der Konserve ihre aggressiven Texte über harten Sex brüllte. Zwischendurch schrammte sich ein Lick aus den Boxen, dann hängte sich Peaches selbst eine Gitarre um, ließ diese erst lasziv, später brutal in bester Thrash Metal-Manier dröhnen. Den Höhepunkt der provokativen Persiflage auf Entertainment-Klischees setzte ein Duett mit Iggy Pop (vertreten auf der Leinwand).

Einpeitscherinnen in Uniformen und mit Strapsen

Wie im Sommer beim Open Air in Wiesen ließ Marilyn Manson seine Fans warten, ehe ein schräges Intro und wabernder Kunstnebel das Erscheinen der Ikone ankündigten. Vor der Kulisse eines Gruselschlosses schwebte der Feind der bürgerlichen Scheinmoral auf seinem Thron herab, um über die Industrial-Gothic-Klänge seiner Band den Text von „New Shit“ zu singen. Es folgte „Disposable Teens“, begleitet von Einpeitscherinnen in Uniformen und Strapsen an zwei Trommeln – Mansons Vorstellung von Expressionismus. Weil dieser vom Hitler-Regime verboten worden war, darf ein wenig Nazi-Symbolik nicht fehlen. Man will ja subtil sein.

Zu „The Dope Show“ schwang Manson überlange falsche Arme, bei „The Golden Age Of Grotesque“ saßen zwei Straps-Damen mit falschen Brüsten am Piano. Währenddessen versuchte ein Betrunkener auf den Rängen die Stiegen zu bezwingen, ein anderer war schon in der Umbaupause unter dem Gejohle der Masse von Sanitätern aus dem Saal getragen worden. So mancher durfte sich an diesem Abend glücklich schätzen, dass ihm dieses Schicksal gerade noch erspart geblieben ist. Exzesse auf der Bühne? Manson spuckt Schaumwein, steckt sein Mikro in den Plastikhintern eines GoGos – Jubel.

Sex darf auch nicht fehlen

Als groteske Micky Maus, als Zerrbild des Ur-Amerikanischen, predigte Marilyn von einer Kanzel. Sex darf auch nicht fehlen, denn der ist in Teilen der USA ja ein Tabuthema: Manson demonstriert Fellatio als Schattenspiel – juckt das hier irgendwen? An die Scharfsinnigkeit seiner Interviews kommt Marilyn Manson zu keinem Zeitpunkt heran. Abwechslung vereitelt nicht zuletzt der starre Sound, den die Durchschnittsgruppe lautstark herunterhämmert. Nicht ohne Grund ernten ausgerechnet die Coverversionen „Tainted Love“ und „Sweet Dreams“ den meisten Applaus. Das Spektakel endete abrupt nach nur knapp 75 Minuten. © Wolfgang Hauptmann/APA

Redaktion: Birgit Stadtthaler

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