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Architekt der schwarz-weißen Renaissance

Der Wiener Sportklub ist die Überraschung der Regionalliga-Herbstsaison. Architekt der schwarz-weißen Renaissance ist Trainer Slobodan Batricevic.

Der Traditionsklub aus Wien-Hernals war vor Saisonbeginn wegen einer personellen und finanziellen Krise als möglicher Abstiegskandidat gehandelt worden. Doch nach der Hinrunde überwintert der Sportklub als Tabellendritter, lag zwischendurch gar an der Tabellenspitze. Verantwortlich für den sportlichen Erfolg ist Trainer Slobodan Batricevic.

Eine „ziemlich komische Geschichte”
Dass der charismatische Fußball-Lehrer mit Belgrader Wurzeln 1985 als Spieler von OFK Belgrad zur Vienna wechselte war „eine ziemlich komische Geschichte”, wie Batricevic erzählt: „Ein Freund aus Belgrad hatte damals einen Bekannten in Wien. Ich dachte damals: Aha, das ist ein Manager. Ich habe erst später erfahren, dass dieser Bekannte eigentlich nur ein Rezeptionist in einem Hotel am Parkring war. Aber er hat für mich ein Probetraining bei Vienna arrangiert und ich bin gleich am nächsten Tag für das Team engagiert worden. Es geht auch ohne Manager.”

„Wie kann man jede Nacht in der Disco verbringen?”
Mitte der Achtziger war die Vienna eine erstklassige Adresse in Österreichs Fußball. So schnürte beispielsweise die argentinische Fußball-Legende Mario Kempes seine Schuhe auf der Hohen Warte. Batricevic, damals 27, genoss das gerade aufkeimende Wiener Nachtleben: „Ende der Achtziger war ich fast jeden Tag in der Disco – auch als Profispieler. Das würde ich meinen Spielern heutzutage nicht erlauben. Mittlerweile frag’ ich mich: Wie kann man jede Nacht in der Disco verbringen?”

Mittlerweile ist aus dem „Discokönig” (Eigendefinition) ein akribischer Fußball-Lehrer geworden. Seit 2006 arbeitet der ehemalige serbische Teamspieler als Trainer beim Wiener Sportklub, erst als Co-Trainer von Willy Kaipel, dann als U23-Betreuer, seit Sommer 2008 schließlich als Cheftrainer.

Hernalser Himmelfahrtskommando
Der Trainerposten in Hernals schien auf den ersten Blick ein Himmelfahrtskommando zu sein. Nach einer turbulenten Vorsaison hatten den Wiener Traditionsverein beinahe alle Leistungsträger verlassen, das Budget musste gekürzt werden. „Erst vor wenigen Tagen habe ich in meinem Tagebuch gelesen, was ich Anfang Juni eingetragen hatte: Wenn damals Szabo und Cehajic nicht zugesagt hätten, dass sie beim Sportklub bleiben, hätten wir keinen einzigen Spieler im Kader gehabt, der in der Vorsaison dabei war. Nicht einen. Das wäre eine Katastrophe gewesen – für die Stimmung, für die Fans.”

Weniger Häuptlinge, mehr Indianer
Doch dem angeschlagenen Verein gelang es, das Ruder herumzureissen. Neo-Präsident Udo Huber und Trainer Batricevic gingen mit dem Minimalkader von nur 19 Spielern in die Regionalliga-Saison. Für den Trainer entpuppte sich der kleine Kader gar als Bonus: „Es gibt weniger Häuptlinge, dafür mehr Indianer. Man weiß, welche Spieler die Führungsrollen übernehmen. Die jungen Spieler sind froh, dass sie dabei sind. Die Aufstellung macht sich manchmal fast von selbst.”

Mut, Wille und Kreativität
Batricevic versteht sich als Lehrer. Der Belgrader kann sich dabei auf seine langjährige Erfahrung verlassen, hat erst mit 37 Jahren seine aktive Karriere beendet. „Es zählt nicht nur der Sieg”, sagt Batricevic. „Wichtiger ist, mutig zu spielen, Willen zu zeigen. Die Hauptsache ist, dass die Leistung stimmt.” Diese Leistung bestehe auch aus einem kreativen Moment, als Trainer „muss ich der Mannschaft auch Freiheiten geben. Ich kann die Spieler nicht drillen, wie auf Schienen zu spielen. Sie müssen auch kreativ sein. Es wird im Training viel gespielt, um die Kreativität zu fördern.”

„Die hatten wenig Ahnung von Fußball”
Fußballerische Kreativität verlange auch Geduld. Während der serbische Nachwuchs in ganz Europa hoch im Kurs steht und eine Vielzahl von Legionären bei Topvereinen spielen, ist in Österreichs Nachwuchsarbeit viel versäumt worden. Batricevic, der unter anderem fünf Jahre den LASK-Nachwuchs coachte, beschreibt die Unterschiede: „Es wird anders gearbeitet. Als ich in Belgrad noch bei den Junioren kickte, waren unsere Trainer lauter ehemalige Bundesliga-Kicker oder Teamspieler. Als ich Mitte der Achtziger nach Österreich kam, war ich überrascht, dass die Trainer im Nachwuchs Amateure waren. Bei der Vienna waren damals die Nachwuchsbetreuer zum Beispiel Bäcker oder Dachdecker. Die hatten wenig Ahnung von Fußball. Der Bäcker war sehr nett, hat für die Burschen immer Brötchen mitgebracht. Er hat sehr wenig verdient, es war für den Verein sehr günstig – und alle waren zufrieden. Für den österreichischen Fußball waren solche Zustände natürlich eine Katastrophe.” Mittlerweile habe sich die Lage gebessert, „da gab es ja Erfolge mit der U19- und U20-Nationalmannschaft.” Von optimalen Bedingungen sei man in Österreich immer noch weit entfernt: „Teilweise bin ich immer noch entsetzt, wenn ich sehe, wie im Nachwuchsbereich gearbeitet wird. Es gibt einfach zu wenig Geld. Die besseren Trainer wollen nicht im unteren Bereich arbeiten – zumindest nicht ohne gute Bezahlung.”

Immer auf Achse
Stichwort Bezahlung. Das große Geld gibt es in der Regionalliga – besonders beim Sportklub – weder für Spieler noch für Trainer zu holen. Batricevic arbeitet dennoch mit Akribie, ist ständig auf Achse: „Ich war immer Profi – als Spieler wie auch als Trainer – und ich arbeite weiterhin professionell. Ich beobachte die nächsten Gegner, und ich beobachte Spieler, die für uns interessant wären.”

„Die Leute sind mit Herz dabei”
Als Spieler und als Trainer hat Batricevic viele Teams kennen gelernt, unter anderem Vienna, Krems, Steyr, LASK. Was macht den Wiener Sportklub aus? „Der Verein lebt vom Publikum und den Fans. Wir sind im Moment wie eine Familie. Die Fans identifizieren sich mit dem Verein, mit der Mannschaft. Beim Sportklub spielen die Spieler um weniger Geld als woanders. Es gibt ehrenamtliche Mitarbeiter, das ist woanders nicht selbstverständlich. Die Leute sind mit Herz dabei – das ist die Grundlage für die gute Stimmung.”

Basis für die nächsten Jahre
Ein wesentlicher Grund für die gute Stimmung in Dornbach war auch die Leistung der Mannschaft während der Herbstsaison. Mit Platz drei haben die Schwarz-Weißen sogar die größten Optimisten überrascht. Batricevic will im Frühjahr verstärkt junge Spieler forcieren: „Die Jungen, wie Hevera oder Jedlicka sind die Zukunft für den Sportklub. Wir können heuer eine Basis für die nächsten Jahre schaffen. Mit einem Geldregen wird der Verein im Sommer kaum rechnen können. Also ist das unser Weg.” Der Aufstieg ist (noch) kein Thema an der Alszeile. Um den Titel erwartet der Sportklub-Trainer einen Dreikampf zwischen „Vienna, Horn und Parndorf. Die Rapid Amateure sind eine sehr gute Mannschaft, aber eben ein typisches Amateur-Team mit Formschwankungen.”

Der letzte Mann
Batricevic spielt immer noch. Der ehemalige Teamspieler läuft für Böheimkirchen (Erste Klasse, Landesverband Niederösterreich) aufs Feld. „Da spiele ich Libero, das ist das einzige, das ich in meinem Alter noch spielen kann (lacht). Der letzte Mann also, der am wenigsten läuft, aber viel denkt. Vor langer Zeit hat ein Trainer einmal zu mir gesagt: Pass auf, als Libero muss dein Leibchen nach dem Spiel nicht unbedingt verschwitzt sein, aber du musst Kopfschmerzen haben.”

Ein Bild mit Symbolkraft für die Sportklub-Saison 08/09: Wenn der Trainer der Dornbacher einmal Kopfschmerzen hat, dann nur, weil er selbst gespielt hat.

Martin Ucik

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