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"Lügenpresse"-Diskussion: Armin Wolf räumt Fehler ein, Philosoph Liessmann mit heftiger Kritik

Starjournalist Armin Wolf war einer der Diskussionsteilnehmer.
Starjournalist Armin Wolf war einer der Diskussionsteilnehmer. ©APA/Roland Schlager
Medienverantwortliche sowie der Philosoph Konrad Paul Liessmann nahmen in Wien an einer Diskussion über die Berichterstattung über heikle Themen wie die Flüchtlingskrise teil.

Der vor allem in der Flüchtlingsdebatte geäußerte Vorwurf, die Medien würden lügen oder Dinge verschweigen, hat am Mittwochabend eine Diskussionsrunde im ORF-Dialogforum beschäftigt. Das Gespräch drehte sich einerseits um den Umgang der Medien mit den sexuellen Übergriffen in der Kölner Silvesternacht, andererseits um den Medienwandel und wie Blogs die Glaubwürdigkeit des Journalismus untergraben.

ZiB2-Moderator Armin Wolf wandelte in der Diskussion das berühmte Zitat des Soziologen Niklas Luhmann zu Massenmedien ab: “Alles, was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen über durch Social Media”, sagte Wolf. Dass Blogs im Internet aussehen wie seriöse Nachrichtenportale, mache diese glaubwürdiger und verstärke so das Misstrauen in die etablierten Medien. Die Antwort müsse sein, Fehler einzugestehen und den Journalisten-Beruf in der Öffentlichkeit zu erklären. “Lügen heißt absichtlich etwas falsches sagen, ich kenne keinen Kollegen, der das tut”, so Wolf.

Kein neues Phänomen, durch Social Media aber anders

Für den Zeit-Journalisten Joachim Riedl ist der Vorwurf der “Lügenpresse” kein neues Phänomen, der Unterschied sei aber, dass ein Facebook-Posting wirksamer sei als früher ein Flugblatt. Der Philosoph Konrad Paul Liessmann sagte, die Debatte habe vor allem die Kölner Silvesternacht ins Rollen gebracht. Die sexuellen Übergriffe seien vier Tage lang verschwiegen worden.

Wolf räumte rund um Köln handwerkliche Fehler ein. Diese seien vor allem in den regionalen Medien passiert. “Ein Lokalredakteur sollte das mitbekommen”. Auch der MDR-Chefredakteur Stefan Raue gestand ein, dass Köln “keine Sternstunde des Journalismus” gewesen sei, warb aber um Verständnis. Es sei Wochenende gewesen, die Redaktionen dünn besetzt und die Blicke nach München zu den Bombendrohungen gerichtet. Zudem seien es zuerst nur Gerüchte über zwei, drei Pöbeleien gewesen.

Liessmann: Positionen und Meinungen moralisiert, Debatte dadurch unmöglich

Liessmann ging mit den Medien hart ins Gericht. Sie hätten im Vorjahr aus eigenem Impetus eine positive Stimmung geschaffen und Flüchtlingsberichte mit Frauen und Kindern bebildert, obwohl großteils junge Männer gekommen seien. Dass Leser das Vertrauen in ihre Zeitung verlieren, sei darauf zurückzuführen, dass Qualitätsmedien die Trennung von Berichterstattung und Meinung nicht mehr ernst genug nehmen. Gleichzeitig würden Positionen und Meinungen moralisiert und damit eine Debatte verunmöglicht.

Für den ehemaligen Journalisten und nunmehrigen Aktivisten Elias Bierdel geht die “Lügenpresse”-Debatte einher mit dem Aufflammen einer rechtspopulistischen Massenbewegung in Deutschland, dem die etablierten Parteien mit einer elitären Überheblichkeit begegnen würden. Hier würden Parallelwelten geschaffen und eine eigene Wirklichkeit konstruiert. Gleichzeitig seien viele Probleme wie die Eurokrise oder der Klimawandel ungelöst und spielten mit hinein.

Armin Wolf beklagt Einsparungen im Journalismus

Die EU-Beraterin und Autorin Beate Winkler betonte, es sei wichtig, Ängste ernst zu nehmen und sie nicht mit Informationen zuzudecken. Es würde hier emotional argumentiert aus einem Gefühl der Unsicherheit. Die “Lügenpresse”-Debatte sei ein Bote eines tiefergehenden Strukturwandels. “Das Alte ist weg, das Neue aber noch nicht da”, sagte Winkler.

Wolf sprach auch die Medienkrise an: In Zeiten, in denen es besonders guten Journalismus brauche, würden Sparpakete geschnürt. Er regte an, nicht nur den öffentlich-rechtlichen ORF, sondern auch Printmedien über Gebühren zu finanzieren. Wolf sagte, er gehe davon aus, dass sich Zeitungen eines Tages nicht mehr privat finanzieren lassen werden. Er beklagte auch die Akademisierung des Journalismus, man sei zu weit weg von den Menschen.

(APA, Red.)

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