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Litwinenko: Opfer eines Machtkampfes?

Der Ex-Agent Alexander Litwinenko, dessen qualvoller Gifttod immer mysteriöser wird, und die regierungskritische Journalistin Anna Politkowskaja sind womöglich Opfer eines Machtkampfes im Kreml geworden.

Diese These vertreten überraschenderweise sowohl Gegner als auch Anhänger von Präsident Wladimir Putin. Auf dem Totenbett hatte der frühere Offizier der Geheimdienste KGB und FSB seinen Ex-Kollegen Putin beschuldigt, ihn ermordet zu haben.

„Wir hassen Putin. Der Mann ist widerwärtig. Aber er ist nicht so dumm, den Tod Litwinenkos befohlen zu haben“, nimmt ein einflussreicher russischer Emigrant den ihm verhassten Präsidenten in Schutz. Die Mörder des Putin-Kritikers Litwinenkos seien sehr planmäßig vorgegangen. Sie hätten gewusst, dass der mit dem radioaktiven Isotop Polonium 210 vergiftete Ex-Agent lange und schmerzhaft sterben würde – mit entsprechendem öffentlichen Echo. „Glauben Sie wirklich, dass Putin so vorgegangen wäre, wenn er Litwinenko töten wollte?“ fragt der auf Anonymität bedachte Exil-Russe.

„Sascha (Litwinenko) war ein militanter Putin-Gegner. Wir respektieren ihn, aber er hatte nicht recht“, ergänzt ein anderer Emigrant. Ins gleiche Horn stößt auch die regierungsnahe Zeitung „Komsomolskaja Prawda“. Der Tod Litwinenkos und der Mord an Politkowskaja hätten den Kräften in die Hände gespielt, die Russlands Ansehen in der Welt hätten schaden wollen, mutmaßt das Massenblatt.

Litwinenko und Politkowskaja kamen unmittelbar vor internationalen Auftritten Putins zu Tode: Der Mord an der regierungskritischen Journalistin überschattete im Oktober Putins Deutschland-Besuch; der Ex-Agent starb vorige Woche kurz vor dem Russland-Gipfel der Europäischen Union in Finnland. „Man muss besorgt sein über die vorsätzlichen Tötungen im Zusammenhang mit internationalen Ereignissen, an denen Putin teilnimmt“, sagte dessen europapolitischer Berater Sergei Jastrschembski der „Komsomolskaja Prawda“. Es handle sich um gut abgestimmte Pläne, um Russland und seine Führung in Misskredit zu bringen.

Auf die Frage, wer hinter Versuchen zur Diskreditierung Putins stehen könnte, haben die Emigranten zwei Theorien parat: „Es kann sich um hohe Geheimdienstler und Militärs handeln, die Putin für gefährlich halten, weil Russland zusammenbricht und die Kontrolle über Teile des Landes wie den Kaukasus verliert.“ Die gezielten Tötungen könnten aber auch Teil eines Machtkampfs im Kreml um die Nachfolge Putins handeln, der 2008 aus dem Amt scheidet.

Politik-Experten haben dabei zwei Gruppen identifiziert, deren eine von Igor Sechin angeführt wird, dem geheimnisvollen Vize-Stabschef des Präsidialamts. Sechin soll einen KGB-Hintergrund haben und Kopf einer nationalistischen Gruppe aus Militär und Sicherheitsapparat sein. Die zweite Fraktion hat sich um den Ersten stellvertretenden Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew geschart. Zu seiner Gruppe sollen auch einige der mächtigsten Oligarchen gehören.

Mit der näher rückenden Wahl – so erwarten Exil-Russen – dürfte es weitere Anschläge auf Putin-Gegner geben. Ein potenzielles Opfer könnte der frühere Milliardär Michail Chodorkowski sein, der zurzeit eine neunjährige Haftstrafe wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verbüßt. Die Emigranten gehen davon aus, dass Putin hinter der Pleite von Chodorkowskis Yukos-Ölkonzern steht, weil der einstige Oligarch auf Gegenkurs zum Präsidenten gegangen war.

Die regierungsnahe Presse hält dagegen Exil-Russen für die Mörder Litwinenkos. Sie wollten mit der Tat die russischen Sicherheitsdienste anschwärzen.

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