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Lieferkürzungen: EU hält erneut Krisensitzung mit AstraZeneca ab

Impfstoff von AstraZeneca: EU-Kommission erwartet Lösung bis Ende der Woche.
Impfstoff von AstraZeneca: EU-Kommission erwartet Lösung bis Ende der Woche. ©APA/AFP/POOL/ANDREW MATTHEWS
Im Streit um knappe Corona-Impfstoffe versucht die EU am Mittwoch erneut, den Hersteller AstraZeneca zur raschen Lieferung vertraglich zugesicherter Mengen zu bewegen.
Debatte um Wirksamkeit
Lieferkürzungen von AstraZeneca

Die EU-Kommission hat Vertreter des Konzerns (für 18.30 Uhr) zur Krisensitzung mit Experten der EU-Staaten geladen. Hintergrund ist die Ankündigung der britisch-schwedischen Pharmafirma, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung zunächst weniger Impfstoff zu liefern als vereinbart.

Nur 30 Millionen statt 80 Millionen Impfdosen

Statt 80 Millionen Impfdosen sollen nach EU-Angaben bis Ende März nur 31 Millionen ankommen. Den angegebenen Grund - Probleme in der Lieferkette - will die EU nicht gelten lassen. Sie fordert Vertragstreue. Die EU hatte schon im August bis zu 400 Millionen Impfdosen von AstraZeneca bestellt und nach eigenen Angaben 336 Millionen Euro für Entwicklung und Fertigung vorgestreckt. Nach Darstellung der EU-Kommission hätte AstraZeneca seit Oktober auf Halde produzieren müssen, damit der Impfstoff sofort nach der Zulassung in der EU bereitsteht.

AstraZeneca-Chef: Langsamer Vertragsschluss schuld an Lieferengpässen

Die Brüsseler Behörde steht selbst in der Kritik, weil Impfstoff in der EU knapp ist und bisher prozentuell weit weniger Menschen immunisiert wurden als etwa in Großbritannien oder Israel. Das liegt zum Teil daran, dass die Mittel in der EU eine Marktzulassung statt nur einer Notfallzulassung bekommen sollen, was länger dauert. So hat die Impfkampagne später begonnen. Inzwischen sind Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna zugelassen. AstraZeneca wäre Nummer drei.

Der Chef von AstraZeneca, Pascal Soriot, sah unterdessen den langsamen Vertragsabschluss als Grund für Lieferengpässe. Er sagte der "Welt" (Mittwoch): "Wir sind in Europa jetzt zwei Monate hinter unserem ursprünglichen Plan." Man habe auch Anfangsprobleme in Großbritannien gehabt. "Aber der Vertrag mit den Briten wurde drei Monate vor dem mit Brüssel geschlossen. Wir hatten dort drei Monate mehr Zeit, um Pannen zu beheben."

Sein Unternehmen sei vertraglich nicht zur Lieferung bestimmter Mengen Impfstoff verpflichtet. Brüssel wollte nach seinen Worten mehr oder weniger zum selben Zeitpunkt beliefert werden wie die Briten - obwohl diese drei Monate früher unterzeichnet hätten. "Darum haben wir zugesagt, es zu versuchen, uns aber nicht vertraglich verpflichtet."

EU hält erneut Krisensitzung mit AstraZeneca ab

Am Mittwoch will die EU-Kommission erneut mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca zu einer Krisensitzung zusammentreffen. Die EU-Staaten fordern von dem Unternehmen detaillierte Planungen für Coronavirus-Impfstofflieferungen sowie die Zeitpunkte, wann die Verteilung an die Mitgliedstaaten stattfinden wird. Die EU-Kommission zeigte sich nicht zufrieden mit den bisherigen Antworten. Ein Überblick:

Was ist passiert?

AstraZeneca hatte am Freitag mitgeteilt, nach der für diese Woche erwarteten Zulassung durch die Europäische Arzneitmittelbehörde(EMA) zunächst weniger Impfstoff als geplant an die EU liefern zu wollen. Statt 80 Millionen Impfstoffdosen sollen bis Ende März nur 31 Millionen eingeplant sein.

Insgesamt erwarb die EU mindestens 300 Millionen Impfdosen. Der Vertrag sieht eine Option zum Kauf weiterer 100 Millionen Einheiten vor.

Wie reagierte die EU-Kommission?

Die EU ist verärgert und fordert die Einhaltung der Liefervereinbarung. Europa habe "Milliarden investiert, um die Entwicklung der weltweit ersten Covid-19-Impfstoffe zu unterstützen", bekräftigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag. "Und jetzt müssen die Firmen liefern, sie müssen ihre Verpflichtungen einhalten."

Den Hinweis von AstraZeneca auf Produktionsprobleme bei einem Zulieferer in Belgien hält die Kommission für nicht stichhaltig. Die EU hatte dem Pharmakonzern laut einem Sprecher 336 Millionen Euro im Voraus bezahlt. Das EU-Geld sollte laut EU-Kommission vor allem in dem Aufbau von Produktionsstätten in Europa investiert werden.

Wie geht die EU-Kommission gegen AstraZeneca vor?

Die EU-Behörde plant nun einen "Transparenzmechanismus für den Export von Impfstoff" in Länder außerhalb der EU. In Brüssel gibt es den Verdacht, dass das Unternehmen andere Länder wie Großbritannien mit ungekürzten Mengen beliefert. "Wir sehen, dass Dosen anderswohin geliefert werden", sagte der Kommissionssprecher. Da die EU Vorauszahlungen für die Produktion geleistet habe, "sollten diese Dosen eigentlich für die Lieferung verfügbar sein", sobald die EMA grünes Licht gebe. Exportverbote sind allerdings keine geplant.

EU-Kommissar Johannes Hahn betonte, bis Ende der Woche eine Lösung finden zu wollen. Wenn es zu keiner befriedigenden Antwort von AstraZeneca komme, dann seien natürlich rechtliche Schritte - wie sie schon EU-Ratschef Charles Michel in den Raum stellte - eine mögliche Konsequenz.

Was bedeutet das für Österreich?

Es wird zu Verzögerungen kommen. Im ersten Quartal könnten laut unbestätigten Berichten über eine Mio. Impfdosen fehlen, wie die "Presse" berichtete. Allerdings kann Biontech/Pfizer laut dem Österreich-Geschäftsführer Robin Rumler dem Bericht zufolge im ersten Quartal trotz temporärer Produktionseinschränkungen letztlich 1,1 Millionen statt der geplanten 900.000 Dosen liefern.

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(ApA/Red)

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