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"Kritische" Situation: Wiener Krisenzentren seit Jahren oft überbelegt

Kinder und Jugendliche mit Problemen zuhause landen oftmals in Krisenzentren - die jedoch vielfach überbelegt sind
Kinder und Jugendliche mit Problemen zuhause landen oftmals in Krisenzentren - die jedoch vielfach überbelegt sind ©Pixabay (Sujet)
Besorgnis erregende Entwicklung: Die städtischen Krisenzentren in Wien sind seit Jahren zu voll. Das hat der Stadtrechnungshof in einem am Mittwoch veröffentlichten Nachprüfungs-Bericht festgehalten.

Viel zu oft und auch zu lange wird die Gruppenhöchstzahl in den Einrichtungen überschritten. Dieses Problem ist aber nicht neu, es wurde bereits in einem Bericht im Jahr 2015 offen gelegt. Die zuständige MA 11 (Kinder- und Jugendhilfe) kündigte für heuer die Errichtung eines weiteren Krisenzentrums an.

Rasche Hilfe für Kinder und Jugendliche in Not

Bei den Einrichtungen handelt es sich um Orte, an denen Kinder und Jugendliche im Fall von Krisen vorläufig und befristet untergebracht werden, wenn sie zu Hause nicht mehr ausreichend geschützt sind. Die Magistratsabteilung 11 (Kinder- und Jugendhilfe) betreibt für diese Notfälle 15 derartige Standorte mit 130 Plätzen. Das mittlerweile zu den Krisenzentren hinzugerechnete Sonderkrisenzentrum Drehscheibe verfügt über zehn Plätze.

Der Stadtrechnungshof hat die Krisenzentren schon vor einigen Jahren einer Prüfung unterzogen. Einer der Hauptkritikpunkte waren damals die hohen Auslastungszahlen. Bei der nun erfolgten Nachprüfung (umfasst die Jahre 2017 bis 2019) kam heraus, dass sich die Situation für die betroffenen Kinder und Jugendlichen nicht gebessert hat. Vielmehr seien die schon damals beanstandeten hohen Auslastungszahlen weiter angestiegen und es war eine "häufige, längerfristige Überbelegungen" festzustellen, wie es einleitend im Prüfbericht heißt. Überschreitungen der Gruppenhöchstzahl sollten allerdings nur in pädagogischen Notsituationen zulässig sein.

Situation nicht verbessert: Auslastung zu hoch

Laut einer Evaluierung der Statistiken für die Jahre 2017 bis 2019 lag die monatliche Durchschnittsauslastung zwischen 71,4 Prozent und 112 Prozent. Im Jahr 2019 lag die durchschnittliche Monatsauslastung bei 100,2 Prozent. Auffällig war dabei, dass die Einrichtungen in den Regionen West (Mariahilfer Straße und Am Fuchsenfeld) und Nord-West (Sandleiten und Lobenhauerngasse) in allen drei Jahren im Schnitt zu mehr als 100 Prozent ausgelastet waren. Dies dürfte mit der Lage der Standorte zu tun haben. Das heißt, es wurde eine höhere Belegungen in den Einrichtungen in Kauf genommen, um die Minderjährigen in der gewohnten Umgebung zu betreuen. Die regionale Unterbringung erscheint dem Stadtrechnungshof plausibel, aber gleichzeitig schlussfolgerte er auch, dass "die Ressourcen folglich nicht dem Bedarf entsprachen".

Sechs Wochen Aufenthalt wäre ideal - doch nicht realistisch

Als "wesentlichen Faktor" für die hohen Belagszahlen sieht der Stadtrechnungshof die zum Teil langen Aufenthaltsdauer der Kinder und Jugendlichen in den Einrichtungen. Als Richtwert laut fachlichen Standards wurde dabei eine maximale Aufenthaltsdauer von sechs Wochen angenommen. Für das Jahr 2019 betrug der Anteil jener Heimbewohner, die länger als sechs Wochen blieben, rund 43 Prozent. Diese Berechnung klammert das Sonderkrisenzentrum Drehscheibe aus, wo vergleichsweise kurze Aufenthaltsdauern gegeben sind. Der Wert der bei der ersten Prüfung betrug übrigens 40 Prozent - er ist also seitdem gestiegen.

Vor allem in Krisenzentren für Jugendliche kam es bei der Nachschau zu längeren Aufenthaltsdauern. Als Grund dafür wurde insbesondere das Fehlen von Nachfolgeeinrichtungen für Minderjährige mit besonderem Betreuungsbedarf, zum Beispiel in sozialpsychiatrischen Wohngemeinschaften, genannt.

Stadtrechnungshof sieht kontinuierlichen Überbelag

Zusammenfassend stellte der Stadtrechnungshof fest: "Insgesamt war erkennbar, dass Überbelegungen z.T. kontinuierlich gegeben waren und in manchen Krisenzentren bereits eine Alltagsrealität darstellten." Die aktuelle Situation in den Krisenzentren wird als "kritisch" bewertet, da trotz der bisher gesetzten Maßnahmen die Überbelagszahlen im Vergleich zur ersten Prüfung im Jahr 2015 weiter gestiegen sind. Zusätzlich gab es auch Beanstandungen, was die Dienst- und Ruhezeiten sowie die Fortbildung der Mitarbeiter, interne Standards und die eingesetzte Software anbelangt.

Im Prüfbericht finden sich auch Empfehlungen: "Durch eine Stärkung der ambulanten Angebote und Nachfolgeeinrichtungen sollte die Anzahl der Krisenaufenthalte verringert und die Aufenthaltsdauern verkürzt werden." Die MA 11 hielt in einer im Bericht inkludierten Stellungnahme fest, dass in der Vergangenheit laufend Maßnahmen gesetzt worden seien, die zu einer Entlastung der Krisenzentren führen sollten. Zudem sei 2020 mit dem Ausbau der sozialtherapeutischen und sozialpsychiatrischen Plätze begonnen worden. Dieser Weg soll heuer fortgesetzt werden. Außerdem sollen heuer ein weiteres Krisenzentrum errichtet, das ambulante Angebot weiter ausgebaut und die Soziale Arbeit personell gestärkt werden, kündigte die Magistratsabteilung weiters an.

ÖVP kritisiert "Missmanagement der Stadt Wien"

Die Wiener ÖVP sieht aufgrund der Ergebnisse der Prüfung einen "Ausdruck des Missmanagements der Stadt Wien": "Die minderjährigen Kinder und Jugendlichen, die ohnedies aus oft schwierigen Verhältnissen kommen, brauchen die bestmögliche Unterbringung und Betreuung um zur Ruhe zu kommen. Das muss gewährleistet werden", kritisierte Gemeinderatsmandatarin Sabine Schwarz in einer Aussendung. Sie forderte in diesem Sinne den zuständigen Stadtrat Christoph Wiederkehr (NEOS) auf, "hier dringend den Empfehlungen des Stadtrechnungshofes nachzukommen".

(APA/Red)

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