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Krieg, Blackout, Klimawandel: Risikobericht 2023 für Österreich liegt vor

Das Bundesheer wäre nicht in der Lage dazu, ganz Österreich im Ernstfall zu schützen.
Das Bundesheer wäre nicht in der Lage dazu, ganz Österreich im Ernstfall zu schützen. ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Vor fünf Jahren umfasste der Risikobericht noch 25 Bedrohungen für Österreich, mittlerweile sind es bereits 73 - darunter der Ukraine-Krieg, die Gefahren der Globalisierung und des Klimawandels und die Pandemie.

"Die Welt ist ohne Zweifel noch instabiler geworden." Das sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Freitag bei der Präsentation des sicherheitspolitischen Berichts 2023 in Wien.

Brigadier Peter Vorhofer, der das Risikobild konkret vorstellte, hob die Gefahr eines Angriffs auf ein EU-Mitgliedsland und die Gefahr aus der Luft durch Flugzeuge, Drohnen oder Raketen hervor.

Ukraine-Krieg verstärkt Gefahr von Angriff auf EU-Land "massiv"

Die Gefahr eines Angriffs auf ein EU-Mitgliedsland sei durch den Ukraine-Krieg "massiv verstärkt" worden - ob konventionell oder unterhalb der militärischen Schwelle, betonte Vorhofer. "Bei einer weiteren Eskalierung wird Österreich blitzartig in eine weitere sicherheitspolitische Herausforderung kommen." Dies wäre der Fall, wenn nämlich der angegriffene Staat die Beistandspflicht gemäß EU-Vertrag aktivieren würde. "Österreich muss sich sehr, sehr rasch bezüglich Solidarität und Beistandspflicht Gedanken machen."

Auch die deutsche Verteidigungsexpertin Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations (ECFR) sieht mehr Druck auf Österreich zukommen. "Die Neutralitätsfrage wird in den nächsten Jahren viel mehr aufs Parkett kommen", betonte sie per Videoschaltung aus London. "Österreich ist stärker unter Druck als die Schweiz, das hat mit der EU-Mitgliedschaft zu tun." Der Ukraine-Krieg habe gezeigt, dass Europa nicht in der Lage scheine, selbstbestimmt und souverän zu agieren, "sondern immer noch den großen Bruder USA braucht." Europa müsse souveräner werden, unabhängig davon, wer im Weißen Haus in Washington sitze. Die Idee der europäischen Verteidigungsunion werde gepusht, Österreich müsse sich positionieren.

Bundesheer nicht in der Lage für Schutz von ganz Österreich

Brigadier Bruno Günter Hofbauer sagte im Hinblick auf die europäische Rüstungssituation ganz klar: "Wir sind nicht vorbereitet". Es gebe "keine europäischen Verteidigungsplanungen". Die Pläne, die bestünden, bezögen sich "out of area", auf Gebiet außerhalb der EU. Aber auch in Österreich: "55.000 österreichische Soldaten sind auf gar keinem Fall in der Lage, das gesamte Bundesgebiet zu schützen", erklärte Hofbauer. Es gelte, mithilfe von Technologie zur richtigen Zeit am richtigen Ort im Einsatz zu sein.

Tanner sagte, dass "nichts daran vorbei führt, dass wir nachrüsten müssen", damit das Bundesheer seinen Aufgaben zum Schutz der Bevölkerung leisten könne. Neben hybriden Bedrohungen hätten nun auch jene der konventionellen Kriegsführung an Bedeutung gewonnen. Mit dem erhöhten Budget von 16 Milliarden Euro für vier Jahre könne Österreich "viele Investitionen tätigen".

Risikobericht 2023 umfasst auch Globalisierung und Klimawandel

Der Militärexperte Franz-Stefan Gady vom International Institute for Strategic Studies (IISS) betonte, dass man vom Ukraine-Krieg zwei Ansätze ableiten könnte. Wichtig sei, dass das Bundesheer den "Kampf der verbundenen Waffen", also das Zusammenspiel aller Waffengattungen beherrsche. Und die Streitkräfte müssten sich im Ernstfall auch regenerieren können. Gady schlug die Anwerbung "guter Leute" als Reservisten sowie verpflichtende Milizübungen vor. "Die konventionelle Abschreckung zu steigern, ist wie eine Versicherungspolizze." Dies verringere das Risiko eines Kriegs, so Gady. Außerdem appellierte der Experte, "die nukleare Dimension" des Ukraine-Kriegs nicht zu vernachlässigen.

Der 262 Seiten umfassende Bericht "Risikobild 2023" befasst sich nicht nur mit verteidigungspolitischen Aspekten. Auch die Gefahren der Globalisierung durch wechselseitige Abhängigkeiten, des Klimawandels, der Pandemie oder der Krieg gegen die europäische Wirtschaft werden ausgeführt.

Blackout-Gefahr in Österreich: Konkreter Plan gerodert

Gerhard Christiner, der Vorstand von Austrian Power Grid AG, sprach etwa die Gefahr eines Blackouts an. Er forderte einen konkreten Plan für die Energiewende in Österreich. So würden Windparks gebaut, bevor es Stromnetze gebe, und Genehmigungsverfahren dauerten viel zu lang. "Wenn wir so fahrlässig weiterfahren, ist das Risiko da, dass es irgendwann ein Blackout gibt", warnte er.

Der Generalanwalt des Österreichischen Raiffeisenverbandes, Erwin Hameseder, ging auf die "dramatischen" wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs und der Russland-Sanktionen ein. Von diversen Regimen abhängig zu sein, bedeute Vulnerabilität. Es sei "Gebot der Stunde, dass wir uns von dieser Abhängigkeit Stück für Stück entfernen."

(APA/Red)

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