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Kreisky rief, Hohenberger folgte

Gespräch mit dem längstdienenden roten Bezirkschef Wiens. Der „idealistische Pragmatiker" Erich Hohenberger über den Einstieg in die Politik, seine Leidenschaft für das runde Leder und das Verhältnis zu anderen Parteien.

bz: Vergangene Woche wurde ein Gebäude im Arsenal besetzt. Waren Sie in Kontakt mit diesen Autonomen?
Erich Hohenberger: Jedes widerrechtliche Besetzen findet in diesem Rechtsstaat natürlich nicht meine Zustimmung. Wenn man in Verhandlungen eine Möglichkeit sucht, dann wird man auch eine finden. Aber einfach ein Gebäude zu besetzen um auf etwas aufmerksam zu machen, halte ich für den völlig falschen Weg. Da werden einfach Emotionen von den Anrainern geweckt, sodass es hier zu keiner Lösung mehr kommen kann.

bz: Abfahrt Südosttangente Simmering: Hier hat sich der Bezirk für eine Öffnung ausgesprochen. Derzeit liegt der Ball bei der Stadt und bei der Asfinag?
E.H.: Das ist das eine, wir brauchen aber auch eine Unterführung bei der Gürtelabfahrt auf Höhe des Rennweger Sportplatzes, um endlich das Linksabbiegen von der Landstraßer Hauptstraße auf die Südosttangente zu ermöglichen, vor allem im Hinblick auf die Verbauung des Eurogate-Projekts. Da dies für die Landstraße das wichtigere Projekt ist, befürchte ich, dass die Simmeringer Abfahrt wieder zurückgestellt werden muss.

bz: Aus finanziellen Gründen?
E.H.: Ein Tunnel kostet natürlich viel Geld. Die Öffnung der Abfahrt Simmering ohne einer vernünftigen Anschlussstelle ist undenkbar, sonst steht der Verkehr dort. Es ist unbestritten, dass wir diese Anschlussstelle von der Abfahrt Simmering brauchen. Ich fürchte aber, dass beides nicht zu schaffen ist, auch wenn sich der Bezirk dafür ausgesprochen hat.

bz: Wie würden Sie Ihren Umgang mit den anderen Fraktionen in der Bezirksvertretung beschreiben?
E.H.: Als Person habe ich zu allen Fraktionen ein geordnetes Verhältnis und auch eine gute Gesprächsbasis. Ich denke, dass das auch auf Gegenseitigkeit beruht.

bz: Auch andere Politiker in der Landstraße bestätigen das. Schaut man auf andere Bezirke, dann ist das nicht selbstverständlich. Gibt es bei Ihnen eine eigene politische Kultur?
E.H.: Das würde ich nicht sagen, darum -habe ich das bewusst auf meine Person bezogen. Aus parteipolitischer Sicht sehe ich‘s anders. Da gibt es jede Menge Reibereien, von allen Seiten. Da versuche ich schon ordnend und regulierend einzugreifen, auch wenn es um meine eigene Fraktion geht.

bz: Wohin entwickelt sich die Landstraße?
E.H.: Wir haben die höchste Bautätigkeit in Wien. Die Entwicklung in den letzten fünfzehn Jahren war enorm. Und wir haben auch in Zukunft noch riesige Großprojekte zu realisieren, was sicherlich eine Herausforderung ist.

bz: Sie sind einer der längstdienenden Bezirkschefs …
E.H.: … von der SPÖ der längstdienendste. Der Adi Tiller von der ÖVP (19. Bezirk, Anm.) ist noch vor mir, den werde ich aber wohl nicht einholen.

bz: Von Adi Tiller habe ich über Sie übrigens viel Gutes gehört, obwohl er auf der anderen politischen Seite steht.

E.H.: Das kann ich nur zurückgeben. Wir wären sicherlich das perfekte großkoalitionäre Duo. Wenn wir in einer Regierung wären, würden wir wahrscheinlich in einer Woche zusammenbringen, was jetzt monatelang zerstritten wird. (lacht)
bz: Also der längstdienendste SPÖ-Bezirkschef. Bedeutet das auch etwas für den Status innerhalb der Partei?
E.H.: Nein, das bedeutet vor allem, dass man den Bezirk wirklich gut kennen gelernt hat und auch weiß, wie der Magistrat läuft. Hier tut man sich als Newcomer schwer.

bz: Wie stellen Sie sich ihren Bezirk in zehn Jahren vor?
E.H.: Dann wird alles verbaut und die Projekte abgeschlossen sein. Es wird dann wohl wenige Möglichkeiten geben, etwas zu gestalten. Dann wird die Aufgabe vor allem sein, die bestehende Substanz zu erhalten.

bz: Wieso sind Sie überhaupt in die Bezirkspolitik gegangen?
E.H.: Mein Ziel war eigentlich, Karriere in der ehemaligen Zentralsparkasse, von wo ich eigentlich komme, zu machen. Im Jahr 1979 habe ich aber Bruno Kreisky kennen gelernt und durfte ihn im Wahlkampf drei Monate durch Österreich begleiten. Als er dann 1983 abgedankt hat, hat er dem damaligen Handelsminister Staribacher gesagt, er möge mich holen, denn ich würde in die Politik gehören und nicht in die Bank. Diese Meinung habe ich damals zwar nicht mit ihm geteilt, dann bin ich aber einmal für ein Jahr – wie ich es mir damals vorgestellt habe – hierher in die Landstraße gekommen. Heute haben wir das Jahr 2008. (lacht)

bz: Vorher waren Sie nicht an Politik interessiert?
E.H.: Überhaupt nicht, aber dieser Mann hat mich in diesen drei Monaten so fasziniert, dass ich sogar beabsichtige, über diese Begegnung ein Buch zu schreiben. Kreisky war der größte Bürger Österreichs, dem ich jemals die Hand gegeben habe. Da kann niemand anders mithalten. Sein Gespür für die Menschen, das war einfach unglaublich.

bz: Ins Parlament wollten Sie aber nie?
E.H.: Kreisky wollte das immer, aber nach den drei Monaten habe ich gewusst, wo ich nicht hinwill. In der Kommunalpolitik hat man täglich den Kontakt zu Menschen. Das ist im Parlament gar nicht möglich. Im Bezirk -habe ich einfach die Möglichkeit, sofort zu handeln und Probleme sofort zu lösen.

bz: Sie sind ja begeisterter Fußballer. Sind Sie noch aktiv?
E.H.: Ich trainiere derzeit wieder mit der Kampfmannschaft vom Rennweger SV und werde es jetzt wieder in der Reserve versuchen. Die anderen sind zwar jünger, aber eine Mannschaft braucht auch einen ruhenden Pol. (lacht)

bz: Wer wird Europameister?
E.H.: Deutschland.
bz: Und übersteht Österreich die Vorrunde?
E.H.: Das wäre ein Wunder.
bz: Was ist denn Ihre Lieblingsmannschaft?
E.H.: Das Österreichische Nationalteam – leider. Ich bin ja ein Patriot. Im Stadion sitze ich sehr oft neben dem Altkanzler Franz Vranitzky und wir leiden sehr.
bz: Fußball ist also ihr liebstes Hobby?

E.H.: Fußball ist mein Lebenselixier, die Politik ein notwendiges Übel. Denn: Alle schimpfen über die Politik, aber alle brauchen‘s.

Interview: Erich Nuler
Mitarbeit: Michael Riedmüller

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