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Köstinger gegen Wien ist Brutalität

©APA/FLORIAN WIESER
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Landwirtschaftsministerin hat ein Problem mit der Bundeshauptstadt. Es ist halt leider nur parteipolitisch motiviert.

Eine starke Opposition würde der SPÖ-geführten Stadt Wien guttun. Freiheitliche, Grüne und Türkise sind auf kommunaler Ebene kaum wahrnehmbar. Bei letzteren macht sich Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger vom Bund aus umso mehr bemerkbar. Sie trägt jedoch so dick auf, dass die Genossen um Bürgermeister Michael Ludwig nicht herausgefordert werden, sondern eher nur Mitleidsbekundungen erhalten.

Was immer Wien macht, aus Sicht der Ministerin ist es schlicht falsch: Gleich zu Beginn der Pandemie hatte sie dafür gesorgt, dass die Bundesgärten in der Hauptstadt geschlossen werden. Rufe aus Teilen der Bevölkerung, vor allem aber auch der SPÖ, sie zu öffnen, bezeichnete sie als „grob fahrlässig“: „Auch draußen lauert die Gefahr einer Ansteckung.“ Also blieben die Gärten zu, basta.

Wenig später zeigte sich, dass das eher nur parteipolitisch motiviert war: Am Höhepunkt einer viel schlimmeren Infektionswelle erklärte Köstinger in einem Interview mit dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, sie habe überhaupt keine Angst, sich beim Skifahren anzustecken. Sie freue sich vielmehr schon aufs Skivergnügen. Klar, hier sprach die Tourismusministerin. Aber auch eine führende Repräsentantin der türkisen Volkspartei: Wenn es um Anliegen von „schwarzen“ Bundesländern wie Tirol geht, ist sie engagiert, können sich Hoteliers und Liftkaiser auf sie verlassen. Wenn ebensolche Länder, wie Salzburg und Oberösterreich, in der Pandemie versagen, schweigt sie, doch beim roten Wien findet sie immer etwas auszusetzen. Auch im vergangenen Herbst ermahnte sie die Stadt, die Infektionszahlen zu senken. Als sie kurz darauf anderswo viel höher waren, war ihr das offenbar egal, sah sie jedenfalls keinen Grund, sich zu Wort zu melden.

Diese Woche empörte sich die Ministerin darüber, dass Wien etwas vorsichtiger ist bei den Lockerungen. So soll die 2G-Regel, die an sich der Impfpflicht entsprechen würde, die von ihrer Partei mitbeschlossen wurde, vorerst bleiben in der Gastronomie. Köstinger schäumte: „Ludwig wäre gut beraten, Expertenmeinungen zu folgen“, tat sie in einem Interview mit dem Fernsehsender „Puls 24“ so, als hätte die Bundesregierung evidenzbasiert entschieden.

All das ist wie gesagt schade: Der Wiener Kurs durch die Pandemie ist nicht alternativlos. Zumal es immer auch um Freiheitsrechte geht, wäre es wichtig, dass viel mehr darüber gestritten wird, ob stärkere Beschränkungen als in anderen Bundesländern aber auch Staaten wirklich notwendig sind; eine solche Auseinandersetzung müsste aber halt ernsthaft geführt werden, nicht derart plump-durchschaubar.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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